Solarboom in Vietnam

Dank Einspeisevergütung

Die Energiewende kommt ins Rollen: In Vietnam gingen 2020 Solaranlagen mit einer Kapazität von mehr als 11 Gigawatt ans Netz. Zwar herrscht in der EE-Branche Euphorie, doch noch wird die Energieerzeugung von der Kohlekraft dominiert (s. Foto: Kohlekraftwerk Pha Lai bei Hanoi, größtes in Vietnam). Bisher war die sozialistische Volksrepublik in Südostasien nicht für große Sprünge bei der Energiewende bekannt. Doch das hat sich spätestens im vergangenen Jahr geändert, schreibt Joschua Katz in Energiezukunft. Wie die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien vermeldete, gingen 2020 in Vietnam Solaranlagen mit einer Kapazität von 11,6 GW ans Netz, mehr als doppelt so viel, wie im gleichen Zeitraum in Deutschland. Und hierzulande war der Ausbau sogar verhältnismäßig hoch.

Kohlekraftwerk Pha Lai, größtes in Vietnam – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Tatsächlich macht ein starker PV-Zubau in Vietnam, das derzeit ein schnelles Wirtschaftswachstum erfährt und der drittgrößte Textilexporteur der Welt ist, besonders viel Sinn: Aufgrund der hohen Sonneneinstrahlung ist der Ertrag von Solarenergieanlagen höher als in vielen anderen Teilen der Erde.

Photovoltaik-Kapazität auf 16,5 GW gestiegen

Trotzdem betrug die installierte Kapazität in Vietnam 2018 lediglich 105 MW. Ein Jahr später stieg diese Zahl auf knapp fünf GW und im Jahr 2020 sogar auf 16,5 GW. Eine beachtliche Zunahme. Zum Vergleich: In Thailand waren Ende vergangenen Jahres nur knapp drei GW installiert, in China allerdings schon über 253 GW.

Die Nachfrage nach Energie in Vietnam wird laut Prognosen in den kommenden Jahren weiter stark steigen. Das haben auch die großen Player der Solarindustrie erkannt. Nicht ohne Grund tätigen sie immer häufiger hohe Investitionen in große Solaranlagen. So ging im Sommer letzten Jahres in der Ninh Thuan-Provinz eine 45-MW-Anlage ans Netz, die jährlich rund 76 MWh erzeugt. Realisiert wurde das Projekt von der Sharp Energy Solutions Corporation (SESJ), die in Vietnam bereits fünf weitere Solarkraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 245 MW installiert hat.

Einspeisevergütung als Treiber des Solarbooms

Zurückzuführen ist die solare Erfolgsgeschichte in Vietnam wohl in erster Linie auf einen Marktmechanismus, der uns in Deutschland nicht ganz unbekannt ist: die Einspeisevergütung. Sie wurde in der sozialistischen Republik eingeführt, damit die Erzeuger von Erneuerbaren Energien einen festen und kostendeckenden Preis erhalten. Die Risiken von Investitionen in Solaranlagen wurden damit deutlich reduziert. Vor einem Jahr hat die vietnamesische Regierung die Einspeisevergütung verlängert – die neuen Tarife fallen allerdings etwas niedriger aus.

Zukünftig könnte Vietnam zusätzlich auf ein Ausschreibungssystem setzen. Alle Erneuerbaren-Projekte, die keine Einspeisevergütung erhalten, könnten dann daran teilnehmen. Damit würde eine bessere Steuerbarkeit der Energiewende erreicht werden – vor allem hinsichtlich der Regionalität des Ausbaus.

45 GW Erneuerbare bis 2030

Laut dem achten Energie-Entwicklungsplan will die vietnamesische Regierung die gesamte Stromerzeugungskapazität in den nächsten zehn Jahren verdoppeln. Bis 2030 sollen 29 Prozent der Erzeugung durch Erneuerbare Energien und 18 Prozent durch Wasserkraft gedeckt werden. Geplant ist damit eine Erneuerbaren-Kapazität von 45 GW. Der vorherige Plan hatte nur einen Ausbau von 27 GW vorgesehen – der bereits in diesem Jahr oder spätestens 2022 erreicht werden dürfte. Trotz der beschleunigten Energiewende wird der Kohlekraft mit einem Anteil von 28 Prozent an der Stromerzeugung immer noch eine wichtige Rolle zugesprochen.

Der achte Energie-Entwicklungsplan sieht jedoch auch einen deutlich beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2045 vor. Bis dahin soll die Erneuerbaren-Kapazität auf 127 GW steigen, wie eine IHS Markit-Analyse zeigt. Daran soll die Photovoltaik mit 43 Prozent den größten Anteil haben, gefolgt von der Windenergie an Land (31 Prozent) und der Offshore-Windkraft (17 Prozent).

Die PV-Kapazität würde demnach bis 2045 auf knapp 55 GW steigen, die Onshore-Windkraft-Kapazität auf knapp 40 GW und die Offshore-Windkraft-Kapazität auf über 21 GW.

Gemessen an den aktuellen Zubauzahlen der Photovoltaik und Windkraft würde das eine deutliche Verschiebung des Ausbaus einleiten. Ende 2020 betrug die Windkraft-Kapazität gerade einmal 600 MW, wovon ein Großteil auf die Windenergie an Land entfiel. Der PV-Zubau würde demnach in den kommenden 15 Jahren gebremst werden, während der Windkraftausbau um ein Vielfaches gesteigert wird.

Kohleimporte 2020 stark gestiegen

Dieses Ausbremsen des zurzeit so starken PV-Ausbaus wirkt wenig förderlich im Hinblick auf die Chancen der Technologie für die gesamte Energiewende. Zudem bringt das Festhalten an der Kohlekraft weitere Unsicherheit in den Markt – schließlich müssen die Betreiber von Erneuerbaren-Anlagen zukünftig gegen den billigen Kohlestrom der längst abgeschriebenen Kraftwerke konkurrieren. So sind die Kohleimporte im ersten Halbjahr 2020 um über 50 Prozent gestiegen. Derzeit beträgt der Anteil von Kohlekraftwerken an der gesamten Erzeugung rund 35 Prozent.

Aus Angst vor Stromausfällen hält die Regierung auch in den kommenden Jahren an der Kohleverstromung weiter fest. Immerhin wurde inzwischen ein Großteil der geplanten neuen Kohlekraftwerke verschoben – angeblich wegen technischer Schwierigkeiten. Tatsächlich könnte daran eher die globale Abkehr von der Kohlekraft sowie die lokale Opposition „schuld“ sein. Investoren aus Südkorea und Japan ziehen zunehmend ihre Investitionen in die Kohle ab, die Risiken steigen.

Heutzutage stecken Investoren ihr Geld lieber in Erneuerbare Energien. Das hat Vietnam schon in den vergangenen zwei Jahren einen echten Solarboom beschert. Jetzt muss die Volksrepublik diesen Trend verstetigen – und könnte damit schon bald eine führende Rolle bei den Erneuerbaren Energien in ganz Südostasien einnehmen. jk

->Quelle: energiezukunft.eu/vietnam-erlebt-einen-solarboom