Kontroverse Diskussion über geplante Vorgaben im Umweltausschuss
Die von der Bundesregierung geplanten Vorgaben für Erneuerbare Energien im Verkehrssektor sind im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit am 21.04.2021 sehr unterschiedlich von den Sachverständigen bewertet worden – so der parlamentseigene Pressedienst heute im bundestag. Thema in der von der Ausschussvorsitzenden Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) geleiteten Anhörung war der Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungs-Quote (19/27435). Vertreter der Biokraftstoffbranche forderten bessere Bedingungen für Biokraftstoffe, während sich Vertreterinnen von Umweltverbänden für eine Abkehr vom Verbrennungsmotor und die verstärkte Förderung der Elektromobilität aussprachen.
Der Gesetzentwurf setzt die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED II) in deutsches Recht um und verfolgt das Ziel, den Anteil Erneuerbarer Energien im Verkehrssektor zu erhöhen. Zu diesem Zweck soll die Treibhausgasminderungs-Quote (THG-Quote) von derzeit sechs Prozent bis zum Jahr 2030 schrittweise auf 22 Prozent steigen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden Unternehmen, die Kraftstoffe in Verkehr bringen, verpflichtet, gewisse Quoten an Erneuerbaren Energien einzuhalten.
Dafür sei Technologieoffenheit zwingend erforderlich, sagte Thomas Willner von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Der Gesetzentwurf sei von Technologieoffenheit jedoch weit entfernt, da er E-Mobilität bevorzuge, andere Maßnahmen zurückdränge und Investitionen in alternative Kraftstoffe verhindere. E-Mobilität binde Potenziale, die dann an anderer Stelle – etwa in der Industrie – fehlten, kritisierte Willner. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Mehrfachanrechnung bestimmter Optionen lehnte er ab, da sie zu einer Wettbewerbsverzerrung führe.
Die Mehrfachanrechnung sei grundsätzlich ein geeignetes Instrument, um Anreize für neue Technologien zu schaffen, sagte hingegen Christian Küchen vom Mineralölwirtschaftsverband. Den Gesetzentwurf bezeichnet er als gute Grundlage, und auch das ambitionierte Ziel von 22 Prozent sei zu begrüßen. In einzelnen Punkten gebe es allerdings Verbesserungsbedarf.
Auch wenn sich der Gesetzentwurf gegenüber den Referentenentwürfen verbessert habe, verpasse er weiterhin viele Chancen, monierte Sandra Rostek vom Hauptstadtbüro Bioenergie. Der Entwurf schaffe es nicht, die Potenziale der verschiedenen Erfüllungsoptionen zu heben und bewirke keine Weiterentwicklung der THG-Quote, sondern eine Stagnation. Insbesondere fehle eine ausreichende Anreizwirkung für Investitionen in neue Technologien und Erfüllungsoptionen. Zudem bestehe die Gefahr, dass die E-Mobilität Biokraftstoffe verdränge.
Entscheidend sei es, den Endenergieverbrauch im Verkehrssektor zu senken, sagte Franziska Müller-Langer von der Deutsche Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH. Die Nutzung konventioneller Biokraftstoffe sei dabei auch weiterhin unabdingbar. Die Mehrfachanrechnung ausgewählter Erfüllungsoptionen fördere die Unsicherheit für alle übrigen Optionen. Müller-Langer sprach sich deshalb für ein jährliches Monitoring und gegebenenfalls ein konsequentes Nachsteuern aus.
Einen gleichmäßigen Anstieg der THG-Quote bis 2030 forderte Elmar Baumann vom Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie. Er kritisierte, dass der jetzige Gesetzentwurf eine deutliche Steigerung erst ab dem Jahr 2028 vorsieht. Außerdem äußerte er die Befürchtung, dass durch das Gesetz abfallbasierte Biokraftstoffe und Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse aus dem Markt verdrängt würden.
Nicht konkret zum Gesetzentwurf äußerte sich der Sachverständige Hermann Harde. Vielmehr führte er neue Forschungsergebnisse an, die beweisen würden, dass der Einfluss von CO2 auf das Klima deutlich geringer sei als vielfach behauptet. Es stehe kein Klimanotstand an, weshalb es auch keine Notwendigkeit für eine Quotierung von Treibhausgasen gebe.
Mehrfachanrechnungen führten zu Verzerrungen im Quotenhandel und hätten keinen zusätzlichen Klimaschutzeffekt, sagte Toni Reinholz von der Deutschen Energie-Agentur (dena). Um die Klimaschutzziele im Verkehr zu erreichen, sei der Einsatz von synthetischen Kraftstoffen nicht biogenen Ursprungs und damit auch von E-Fuels (strombasierte Kraftstoffe) notwendig.
Grundsätzliche Kritik am Gesetzentwurf äußerte Johanna Büchler von der Deutschen Umwelthilfe. Die vorgesehene THG-Quote von 22 Prozent sei zu hoch. Eine hohe, schnell ansteigende THG-Quote sei keineswegs mit ambitioniertem Klimaschutz gleichzusetzen, betonte Büchler. Um die Quote zu erfüllen, müssten nämlich Kraftstoffe eingesetzt werden, die dem Klima nur auf dem Papier hülfen. Auch die Verwendung von E-Fuels für Pkw lehnte sie als „hochgradig ineffizient“ ab. Hingegen sollte nach ihren Worten der Einsatz von Strom vierfach – und nicht nur dreifach – auf die THG-Quote angerechnet werden.
Eine ambitionierte THG-Quote sei erst dann sinnvoll, wenn die Elektromobilität einen hohen Marktanteil erreicht habe, betonte Jekaterina Boening von Transport & Environment Deutschland. Sie lehnte die Förderung von E-Fuels im Straßenverkehr ab und bezeichnete den Verbrennungsmotor als das eigentliche Problem. Zudem forderte sie bis 2030 den Ausstieg aus allen konventionellen Biokraftstoffen. (hib/CHB)
->Quelle: bundestag.de/hib=mod454590