EWI-Policy Brief: Herausforderungen bei Koordinierung grüner Wasserstoffnachfrage
Mit der zunehmenden Produktion von grünem Wasserstoff werden die Rollen im deutschen Wasserstoffmarkt neu geordnet, sowohl im Angebot als auch in der Infrastruktur und der Nachfrage. Durch die Integration des Energiesystems und der damit einhergehenden neuen Rolle von Wasserstoff – vom chemischen Rohstoff zum Energieträger – könnten Energieversorger langfristig bestehende Wasserstoffproduzenten ablösen, schätzt das Energiewissenschaftliche Institut (EWI) an der Universität zu Köln. Auch auf der Nachfrageseite werden neue Akteure, beispielsweise die Stahlindustrie und der Schwerlastverkehr, in den Markt drängen.
Das ergibt sich aus der neuen Analyse „The who’s who of a hydrogen market ramp-up: A stakeholder analysis for Germany“, für die das EWI zahlreiche Stakeholder befragt und so Chancen, Risiken und Herausforderungen für den Markthochlauf von Wasserstoff in Deutschland identifiziert hat. Zentrale Erkenntnisse werden im Policy Brief „Perspektiven auf den Wasserstoffmarkthochlauf – Stakeholderanalyse mit Fokus Deutschland“ diskutiert. Die Publikationen erfolgten im Rahmen des „Forschungsprogramm Wasserstoff: Die Rolle von Gas in der Energiewende“, einer Initiative der Gesellschaft zur Förderung des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln e. V..
Energieversorger haben Vorteile im Wettbewerb
Die Auswertung von knapp 40 Interviews mit Fachleuten aus Wirtschaft, NGOs und Gesellschaft sowie knapp 80 Wasserstoffdemonstrationsprojekten in Deutschland macht deutlich, dass Energieversorger schon heute eine zentrale Rolle in Projekten zur Erzeugung von grünem Wasserstoff einnehmen und sich somit für die Zukunft positionieren.
Zudem sieht die Mehrheit der befragten Fachleute Energieversorger als zentrale Stakeholder eines Wasserstoffmarktes. Weil sie in der Erzeugung und im Handel von Strom erfahren sind und häufig ein breit gestreutes Portfolio in der Erzeugung haben, könnten sie bei der Produktion von grünem Wasserstoff Vorteile im Wettbewerb haben und so den Druck auf die chemische Industrie und Industriegashersteller erhöhen. Ein Wettbewerbsvorteil der Energieversorger könnten zum Beispiel bestehende Windparks sein, die mit Elektrolyseuren gekoppelt werden könnten.
„Staatliche Markteingriffe mit ‚Exitstrategie‘“
„Der Markthochlauf von Wasserstoff gelingt kurzfristig nur durch staatliche Markteingriffe. Denn grüner Wasserstoff wird zwar bald von vielen Unternehmen und Sektoren nachgefragt, aber zu Beginn nur begrenzt verfügbar sein“, sagt EWI-Manager Simon Schulte, der Analyse und Policy Brief gemeinsam mit Tobias Sprenger und David Schlund geschrieben hat. „Deshalb muss die Verteilung von Fördermitteln als politische Priorisierung der Sektoren verstanden werden. Um eine kosteneffiziente Verteilung knappen Wasserstoffs im Sinne des Klimaschutzes sicherzustellen, sollten insbesondere Kriterien wie CO2-Vermeidungskosten als Verteilungsschlüssel herangezogen werden.“ Fördermittel seien notwendig, da grüner Wasserstoff, verglichen mit konventionellen Energieträgern, noch nicht wirtschaftlich sei.
„Darüber hinaus hat sich die Politik mit den Zielsetzungen in der Nationalen Wasserstoffstrategie entschieden, im Markthochlauf von Wasserstoff auch industrie- bzw. entwicklungspolitische Ziele zu verfolgen”, so Schulte. „Wichtig ist, dass diese in objektive und messbare Größen übersetzt werden.”
„Noch ist offen, wie ein Markt aussehen könnte, der langfristig ohne staatliche Subventionen und Marktbarrieren funktioniert“, sagt Schulte. „Mittel- bis langfristig sollte sich die Politik auf marktliche Lösungen konzentrieren und von Anfang an mit einer ,Exitstrategie’ für Fördermaßnahmen vorsorgen. Langfristig marktverzerrende Instrumente – etwa unterschiedliche Besteuerung und Umlagen – sollten abgebaut und CO2-Preissignale in allen Endverbrauchssektoren gestärkt werden.“
->Quelle: ewi.uni-koeln.de/h2-stakeholder-analyse