Post-Karlsruher Aktionismus
Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung verschickte am 12.05.2021 Medienmitteilungen dreier Ministerien (Umwelt, Ernährung und Wirtschaft) zur Verabschiedung des neuen Klimaschutzgesetzes im Bundeskabinett und eine Erklärung zum Klimapakt: „Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes will die Bundesregierung die Klimaschutzvorgaben verschärfen und das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 verankern. Das hat das Bundeskabinett heute beschlossen.“ Umweltministerin Schulze: „„Das Klimaschutzgesetz setzt den Rahmen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte“. Begleitend zum Gesetzentwurf kündigte die Bundesregierung ein Sofortprogramm an, um die ambitionierten Ziele zu unterstützen. Solarify dokumentiert.
„Deutschlands Weg zur Klimaneutralität ist im Klimaschutzgesetz vorgezeichnet. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und mit Blick auf das neue europäische Klimaziel 2030 hat die Bundesregierung nun ein Klimaschutzgesetz 2021 vorgelegt. Der Beschluss des Gerichts verpflichtet den Staat, aktiv vorzubeugen, so dass es in Zukunft nicht zu unverhältnismäßigen Einschränkungen der Freiheitsgrundrechte der heute jüngeren Menschen kommt. Das Bundeskabinett begegnet mit dem neuen Klimaschutzgesetz den besonderen Herausforderungen, die mit dem Klimawandel verbunden sind.
Höheres Klimaziel bis 2030
Die Gesetzesänderung sieht vor, die Zielvorgaben für weniger CO2-Emissionen anzuheben. Das Minderungsziel für 2030 steigt um 10 Prozentpunkte auf mindestens 65 Prozent. Das heißt, Deutschland soll bis zum Ende des Jahrzehnts seinen Treibhausgas-Ausstoß um 65 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 verringern. Die höheren Ambitionen wirken sich auch auf die CO2-Minderungsziele in den einzelnen Sektoren wie der Energiewirtschaft, dem Verkehr oder dem Gebäudebereich bis zum Jahr 2030 aus.
Treibhausgasneutralität bis 2045
Für das Jahr 2040 gilt ein Minderungsziel von mindestens 88 Prozent. Auf dem Weg dorthin sieht das Gesetz in den 2030er Jahren konkrete jährliche Minderungsziele vor. Bis zum Jahr 2045 soll Deutschland Treibhausgasneutralität erreichen: Es muss dann also ein Gleichgewicht zwischen Treibhausgas-Emissionen und deren Abbau herrschen. Nach dem Jahr 2050 strebt die Bundesregierung negative Emissionen an. Dann soll Deutschland mehr Treibhausgase in natürlichen Senken einbinden, als es ausstößt.
Natürliche Senken stärken
Der Gesetzentwurf betont den Beitrag natürlicher Ökosysteme zum Klimaschutz. Wälder und Moore sind Kohlenstoffspeicher, sogenannte natürliche Senken. Sie sind wichtig, um unvermeidbare Restemissionen von Treibhausgasen zu binden. Die Bundesregierung macht deshalb konkrete Zielvorgaben, um dieCO2-Bindungswirkung natürlicher Senken zu verbessern.
Sofortprogramm für mehr Klimaschutz
Begleitend zur Novelle des Klimaschutzgesetzes hat die Bundesregierung eine Erklärung zum „Klimapakt Deutschland“ verabschiedet1. Um die mit dem Klimaschutzgesetz 2021 beschlossenen Ziele erreichen zu können, sind zahlreiche unterstützende Maßnahmen in den verschiedenen Sektoren notwendig. Die Bundesregierung wird hierzu ein Sofortprogramm vorlegen. Schwerpunkte der Maßnahmen liegen in den Bereichen Industrie, klimafreundliche Mobilität, Landwirtschaft und im Gebäudebereich. Ein zusätzliches Fördervolumen im Umfang von bis zu 8 Milliarden Euro ist dafür vorgesehen.
Klimaschutz europäisch abstimmen
Auf europäischer Ebene stehen konkrete Vorschläge der EU-Kommission zu Maßnahmen für mehr Klimaschutz noch aus. Folgerichtig sieht das novellierte Klimaschutzgesetz daher eine Evaluierung im Jahr 2022 nach den europäischen Vorgaben vor. Ziel muss ein gut koordinierter Instrumentenmix auf europäischer und nationaler Ebene sein.
Weg zur Klimaneutralität
Die Bundesregierung will mit dem novellierten Klimaschutzgesetz nicht nur mehr Generationengerechtigkeit, sondern auch mehr Planungssicherheit schaffen. Der Weg zur Klimaneutralität ist nun noch detaillierter festgelegt. Die Meilensteine im Überblick:
- Kabinettsbeschluss vom 12.05.2021: Anhebung der jährlichen Minderungsziele pro Sektor für die Jahre 2023 bis 2030 und gesetzliche Festlegung der jährlichen Minderungsziele für die Jahre 2031 bis 2040
- 2024: Festlegung der jährlichen Minderungsziele pro Sektor für die Jahre 2031 bis 2040
- Spätestens 2032: Festlegung der jährlichen Minderungsziele für die Jahre 2041 bis 2045
- 2034: Festlegung der jährlichen Minderungsziele pro Sektor für die letzte Phase bis zur Treibhausgasneutralität von 2041 bis 2045
->Quellen und weitere Informationen:
- Klimapakt Deutschland
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: BMU: Novelle des Klimaschutzgesetzes
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Bundeskabinett beschließt neues Klimaschutzgesetz
- Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Bundesminister Altmaier zum Klimaschutzgesetz
1 Erklärung zum Klimapakt Deutschland
„Die Bundesregierung hat den Weg zur Klimaneutralität im Klimaschutzgesetz 2019 vorgezeichnet. In Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und mit Blick auf das neue europäische Klimaziel 2030 legt die Bundesregierung jetzt ein Klimaschutzgesetz 2021 vor, in dem die Klimaschutzziele substanziell angehoben werden. Auch die Sektorziele werden anspruchsvoll angepasst. Damit wird den besonderen Gefahren begegnet, die mit dem Klimawandel verbunden sind und die den Staat verpflichten, aktiv gegen diese Entwicklungen vorzugehen, so dass es nach 2030 nicht zu unverhältnismäßigen Einschränkungen der Freiheitsgrundrechte der heute jüngeren Menschen führt. Das Minderungsziel für 2030 wird um 10 Prozentpunkte auf mindestens 65% angehoben, das Minderungsziel für 2040 auf mindestens 88% und Klimaneutralität wird bis 2045 festgelegt. Die Sektorziele werden an dieses höhere Ambitionsniveau angepasst. Dieser Transformationsprozess wird mit weiteren Maßnahmen des Bundes zu unterstützen sein, um die mit dem Klimaschutzgesetz 2021 beschlossenen Ziele erreichen zu können. Zu den Maßnahmen gehören in einer ausgewogenen Kombination Anreize, Regeln und Förderung aus dem Bundeshaushalt.
Ein wichtiges Instrument, um Klimaschutz zu betreiben, ist die bereits zum Jahresanfang begonnene CO2-Bepreisung. CO2-Preise setzen Anreize, in klimafreundliche Technologien zu investieren. Gleichwohl dürfen insbesondere Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen nicht überlastet werden. Unternehmen, die von der CO2-Bepreisung betroffen sind, müssen dabei vor Carbon Leakage geschützt werden. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung werden genutzt, um durch eine Entlastung bei den Stromkosten durch die Absenkung der EEG-Umlage die Elektrifizierung in allen Sektoren voranzutreiben.
Gleichzeitig ist es erforderlich, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen und dabei auch die Planung, die Genehmigung und die Umsetzungsverfahren auf allen staatlichen Ebenen für klimafreundliche Infrastruktur zu ermöglichen. Die Bundesregierung befürwortet eigene Energieinfrastruktursenate beim Bundesverwaltungsgericht.
Auf europäischer Ebene wird die Kommission voraussichtlich im Juli konkrete Vorschläge zu europäischen Maßnahmen für mehr Klimaschutz machen, die jedoch frühestens Ende des Jahres 2021 finalisiert werden. Folgerichtig sieht das novellierte Klimaschutzgesetz daher eine Evaluierung im Jahr 2022 vor.
Zur Zielerreichung ist jedoch in jedem Falle ein Bündel von unterstützenden Maßnahmen in den Sektoren Energie, Verkehr, Industrie, Gebäude und Landwirtschaft erforderlich. Die Schwerpunkte müssen dabei sein:
- Investitionspakt mit der Industrie für ‚klimafreundliche Produktion in Deutschland‘, insbesondere zur Transformation klassischer Industrien mit hohen Prozessemissionen, wie u.a. der Stahlindustrie, der Chemischen Industrie und der Zementindustrie. Um grüne Leitmärkte für klimaneutrale und recycelte Grundstoffe anzureizen, wird die Bundesregierung ein ausbalanciertes Konzept vorlegen, dass die Möglichkeiten für moderate, schrittweise ansteigende Quoten für klimafreundliche Produkte darstellt und konkrete Umsetzungsvorschläge enthält.
- Beschleunigter Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft durch Vorziehen der Planungen für die Bereitstellung und den Einsatz von Wasserstoff in allen geeigneten Bereichen mit dem Ziel umwelt- und klimagerechter Energiegewinnung. Ein besonderer Fokus wird auf Offshore-Wasserstofferzeugung und die erforderliche Infrastruktur gelegt.
- Konzertierte Aktion klimafreundliche Mobilität mit Ländern, Kommunen, Industrie und Energiewirtschaft zur Beschleunigung des Flottenaustauschs. Dazu gehören: Fortschreibung der CO2-Flottengrenzwerte auf Basis der Beratungen der Konzertierten Aktion Mobilität (Booster für Ladeinfrastruktur), die CO2-Differenzierung der KFZ-Steuer und der Ausbau der Schieneninfrastruktur (Bahn, ÖPNV).
- Im Bereich Landwirtschaft durch Schaffung von Rechts- und Planungssicherheit zum tierwohlorientierten Umbau der Tierhaltung. Darüber hinaus Nutzung der Potentiale von natürlichen Senken für mehr Klimaschutz, insbesondere durch Humusaufbau landwirtschaftlich genutzter Böden, durch eine Honorierung von Ökosystemleistungen der Wälder sowie Erhaltung und Wiedervernässung von Mooren.
- Im Gebäudesektor stärkere Einbindung von erneuerbaren Energien und Sanierungsoffensive mit attraktiven Fördermaßnahmen (v.a. für den sozialen Wohnungsbau) und weiteren Anreizen. Neubaustandards werden angehoben. Heizungen, die ausschließlich mit fossilen Brennstoffen betrieben werden können, werden nicht mehr gefördert. Die Kosten des nationalen CO2-Preises werden zu 50% von den Vermietern getragen.
- Zur Finanzierung eines Teils der Ausgaben für den Klimaschutz wird der Abbau klimaschädlicher Subventionen geprüft.
Die Bundesregierung wird hierzu in den nächsten Wochen ein Sofortprogramm 2022 vorlegen, das jenseits weitergehender struktureller Instrumente schnell wirksame und hoch effiziente Maßnahmen in den Fokus nimmt. Dabei wollen wir der Logik des Klimaschutzprogramms 2030 folgen, wonach die kurzfristig attraktive finanzielle Förderung des Umstiegs auf klimafreundliche Technologien schrittweise von Anreizen und Regeln abgelöst wird. Die Dynamik des Transformationsprozesses soll damit noch zu Beginn des Jahrzehnts signifikant erhöht werden. Mit Klimaschutzprogramm und Konjunkturprogramm wurden bereits mehr als 80 Mrd. Euro für Klimaschutzmaßnahmen bereitgestellt. Vorrangiges Ziel muss es nun sein, dass die bereitgestellten Mittel auch kurzfristig investiert werden. Die Bundesregierung wird darüber hinaus im weiteren Haushaltsaufstellungsverfahren für 2022 ff. bis zu 8 Mrd. Euro zur Finanzierung weiterer Maßnahmen unter Einbeziehung der aus den Vorjahren erwirtschafteten Rücklagen des Energie- und Klimafonds zur Verfügung stellen.Soweit in der Haushalts- und Finanzplanung konkrete haushaltsrelevante Maßnahmen oder Schwerpunktsetzungen zu berücksichtigen sind, erfolgt dies mit der Aufstellung des Regierungsentwurfs zum HH 2022 und zum Finanzplan bis 2025 im Juni 2021.“ (Fettungen im Original)