Fraunhofer-Institute legen bundesländer-übergreifenden Bericht für Ostdeutschland vor
Die Fraunhofer-Institute IEG, ISI und IKTS haben einen „Wasserstoff-Masterplan für Ostdeutschland“ vorgelegt. Zu den Standortvorteilen gehört Strom aus Photovoltaik und Wind, dessen erschließbares Potenzial in allen neuen Bundesländern die heutige Nachfrage überschreitet – schreibt Petra Hannen am 21.05.2021 auf pv magazine. Der Bericht identifiziert „große Potenziale für neue Wertschöpfung mit Wasserstoff in Ostdeutschland“. Die Wasserstoff-Nachfrage in Verkehr und Industrie steigt bis 2030 auf rund 17,3 TWh und bis 2050 auf 49 TWh. Eine (zu gründende) „Wasserstoffagentur Ostdeutschland“ könnte die länderübergreifende Zusammenarbeit koordinieren. Für erfolgreichen Wasserstoff-Markthochlauf machen die Institute mehr als 50 konkrete Vorschläge.
In einem bundesländer-übergreifenden Bericht für Ostdeutschland haben die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG, das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI sowie das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS das Potenzial einer ostdeutschen Wasserstoffwirtschaft skizziert. Die Forscher haben dabei mehr als 660 Akteure in verschiedenen Bereichen der Wertschöpfungskette identifiziert und für jedes Bundesland detaillierte Stärken- und Schwächenprofile entwickelt. Der Bericht zeigt den Autoren zufolge zudem mit konkreten Fallstudien Nachfrage- und Wertschöpfungspotenziale auf, die bereits bis 2030 und darüber hinaus realisiert werden könnten.
„Die Umstellung auf den Energieträger Wasserstoff bietet die große Chance, die sich ergänzenden ostdeutschen Stärken durch koordiniertes länderübergreifendes Handeln von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu bündeln. Genau hier setzt der ›Wasserstoff-Masterplan für Ostdeutschland‹ an, welcher auf den Erkenntnissen der bekannten ›Fraunhofer Wasserstoff-Roadmap für Deutschland‹ aufbaut“, unterstreicht Prof. Mario Ragwitz, Leiter des Fraunhofer IEG und Sprecher des Wasserstoffnetzwerkes der Fraunhofer-Gesellschaft. „Energiewirtschaft, Grundstoffindustrien, Fahrzeug- und Anlagenbau leisten einen sehr wichtigen Beitrag für den Aufbau einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft in Ostdeutschland. Mit konkreten Fallstudien zeigen wir im Masterplan erstmals Nachfrage- und Wertschöpfungspotenziale auf – die bereits bis 2030 und darüber hinaus realisiert werden könnten“.
Konkrete Ergebnisse des Wasserstoff-Masterplans für Ostdeutschland
Vielfältige Akteurslandschaft entlang der Wasserstoff-Wertschöpfungskette identifiziert: Bisher konzentrierten sich Studien zur Wasserstoffwertschöpfung in Ostdeutschland auf regional eng begrenzte Räume oder einzelne Bundesländer. Ein umfassendes Bild über Unternehmen, die in Ostdeutschland entlang der Wasserstoff-Wertschöpfungskette aktiv sind, fehlte. Im Masterplan wurde nun erstmals eine gesamtheitliche Betrachtung der ostdeutschen unternehmerischen Akteurslandschaft vorgenommen. Diese umfassende Darstellung wird eine Vernetzung zwischen den einzelnen Akteuren vereinfachen, Synergien schaffen und den Aufbau von Doppelstrukturen oder gar Kannibalisierungseffekte zwischen einzelnen Regionen verhindern.
Die Bundesländer besitzen komplementäre Stärken: Detaillierte Stärken- und Schwächenprofile machen deutlich, dass die Profile einander komplementär ergänzen und ein hervorragendes Fundament für eine bundesländer-übergreifende Zusammenarbeit bieten. Vor allem Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg können große Mengen nachhaltigen Stroms bereitstellen. Beide Länder können zudem fundierte Erfahrungen im Bereich der Kraftwerkstechnik einbringen. In Sachsen-Anhalt existiert eine breite Expertise in der chemischen Industrie und eine hervorragend ausgebaute Gasspeicherinfrastruktur. In Sachsen findet sich eine hohe Kompetenz im Bereich des Anlagen- und Maschinenbaus und in Thüringen in der Sicherheits- sowie Mess-, Steuer- und Regelungstechnik.
Erstmals konkretes Wasserstoff-Nachfragepotenzial für Ostdeutschland prognostiziert: Auf Basis des ostdeutschen Akteursnetzwerks, der Stärken- und Schwächenprofile und eines Simulationsmodells des Fraunhofer ISI wurden drei länderübergreifende Fallstudien entwickelt. Dadurch ist es erstmals gelungen, für alle ostdeutschen Bundesländer konkrete Wasserstoffnachfragepotenziale in der Industrie sowie im Verkehr quantitativ und bei möglichen Systemdienstleistungen qualitativ zu ermitteln.
Kurz- bis mittelfristig wird in der ostdeutschen Industrie ein Nachfragepotenzial von rund 15 Terawattstunden (TWh) insbesondere bei Raffinerien, der Basischemie und der Stahlproduktion gesehen. Weitere 2,3 TWh könnten durch den Einsatz im Verkehrsbereich erschlossen werden. Bis 2050 wird für den Verkehrsbereich ein Gesamtpotenzial von 12 TWh und für den Einsatz in der Industrie ein Bedarf von 37 TWh prognostiziert. Zum Vergleich: Für das Jahr 2030 erwartet die Bundesregierung auf Basis der nationalen Wasserstoffstrategie einen Wasserstoffbedarf von ca. 90 bis 110 TWh deutschlandweit.
Mehr als 50 Maßnahmenvorschläge sollen für erfolgreichen Wasserstoff-Markthochlauf sorgen.
Um diese Wertschöpfungs- und Nachfragepotenziale schnellstmöglich anzureizen und auch erfolgreich auszuschöpfen, wird den ostdeutschen Landesregierungen die Umsetzung von mehr als 50 konkreten Maßnahmen empfohlen. Diese reichen von der Entwicklung spezifischer Genehmigungs- und Zulassungsverfahren, über die Veränderung von Beschaffungsrichtlinien bis zur Etablierung konkreter Bildungsangebote.
Um die länderübergreifende Zusammenarbeit bei Themen der Wasserstoffwirtschaft nachhaltig zu fördern, wird im Masterplan auch die Gründung einer ostdeutschen Wasserstoffagentur vorgeschlagen. Dadurch könnte eine stetige politische Koordination über die Grenzen der Bundesländer hinweg gewährleistet und die Verzahnung zwischen Unternehmen, Wissenschaft und Politik sichergestellt werden. Ziel der Wasserstoffagentur ist es zudem, die Unternehmen der unterschiedlichen Sektoren und Wertschöpfungsstufen zusammenzuführen und eng zu begleiten. Dadurch soll es gelingen, entsprechend große unternehmerische Vorhaben bis zur Umsetzung zu führen.
„Eine erfolgreiche Dekarbonisierung der Gesellschaft braucht den Einsatz von klimaneutralem Wasserstoff in den verschiedenen Sektoren. Wichtig ist dabei, dass der Markthochlauf von Wasserstoff möglichst sektorübergreifend gedacht wird und flächendeckend erfolgt. Als ostdeutsches Unternehmen begrüßen wir die Vorschläge des Expertenteams aus den Fraunhofer-Instituten, welches konkrete Ansätze gefunden hat, wie man das Ziel der Dekarbonisierung durch die Entwicklung einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft mit einer möglichst hohen Wertschöpfung in Ostdeutschland verbinden kann“, so Ulf Heitmüller, CEO der Leipziger VNG AG, die die Entwicklung des Masterplans bei der Fraunhofer-Gesellschaft beauftragt hat.
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