Energiepolitik in der Kritik

Öffentliche Anhörung im Bundestags-Ausschuss für Wirtschaft und Energie

Aktuelle energiepolitische Vorhaben sind bei einer Anhörung im Bundestags-Ausschuss für Wirtschaft und Energie mit kritischen Anmerkungen versehen worden – so der parlamentseigene Pressedienst heute im bundestag. Der Sitzung unter der Leitung von Klaus Ernst (Die Linke) lagen eine Verordnung der Bundesregierung zur Umsetzung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (19/29793), ein Entwurf von Bündnis 90/Die Grünen für ein EEG-Sofortmaßnahmegesetz (19/29288) sowie ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht (19/27453) zugrunde.

Ausschusssaal – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Carsten Rolle vom BDI befasste sich mit den Anforderungskriterien an grünen Wasserstoff, wie sie in einem Vorschlag des BMWi zur EEG-Verordnung enthalten sind. Die Befreiung der EEG-Umlage für Elektrolyseure sei eine entscheidende Maßnahme, um die Kosten für die Produktion des grünen Wasserstoffs auf der Angebotsseite zu entlasten und somit einen wettbewerbsfähigen Markt für Wasserstoff zu unterstützen. Entscheidend seien aber auch die Anforderungen, die an seine Produktion geknüpft sein sollten.

Sandra Rosteck (Hauptstadtbüro Bioenergie) ging auf den Regierungsentwurf einer Verordnung zur Anschlussregelung für kleine Gülleanlagen ein. Damit werde kein Beitrag zur Umsetzung der im Klimaschutzprogramm 2020 beschlossenen Maßnahmen geleistet, die Vergärung von Gülle in Biogasanlagen auf 70 Prozent auszuweiten. Das Ziel werde sogar konterkariert, indem die Stilllegung von Biogasanlagen vorangetrieben werde. Dadurch entständen zusätzliche Emissionen. Die Deckelung des Vergütungsanspruchs müsse deutlich angehoben werden, um einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb zu ermöglichen.

Hans-Jürgen Brick, Geschäftsführer der Amprion GmbH, nannte als zentralen Punkt, die erneuerbaren Energien in das Energiesystem zu integrieren. Er rief dazu auf, den Markthochlauf mit einem Technologiehochlauf zu verknüpfen. Das sei eine dringende Maßnahme. Die Frage, wie der Klimaschutz zu erreichen sei, müsse verbunden werden mit Überlegungen, dabei die Kosteneffizienz nicht aus den Augen zu verlieren.

Laut Alexander Götz, VKU, müssen die Gesetzes- und Verordnungsvorhaben konsequenter auf den Markthochlauf von Wasserstoff ausgerichtet werden. Dazu dürften die Kriterien für grünen Wasserstoff nicht zu eng gefasst werden. Dies gelte sowohl für die Kriterien zum Strombezug als auch für die Technologie zur Wasserstofferzeugung. Gas- und Wasserstoffnetze sollten einheitlich reguliert werden. Eine Parallelstruktur („zwei Rohre in einer Straße“) könne dadurch vermieden werden.

Für Carsten Pfeiffer (Bundesverband Neue Energiewirtschaft) gehen die vorgeschlagenen Änderungen im Energiewirtschaftsrecht zwar insgesamt in die richtige Richtung. Sie reichten aber nicht aus, um die klima- und energiepolitischen Ziele abzubilden. Er verwies darauf, dass auch das Klimaschutzgesetz auf höhere Klimaziele ausgerichtet werden solle. Daher wäre es folgerichtig, die Ausbauziele für erneuerbare Energien auf die neuen Ziele auszurichten.

Frank Hennig, Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung, befand, die Auswirkungen des massenhaften Ausbaus an Wind- und Solarenergieerzeugern seien noch unzureichend untersucht. Von Umweltneutralität könne nicht die Rede sein. Unklar sei, wo die zusätzlich zu errichtenden Anlagen gebaut werden sollten, und ob der zusätzlich erzeugte Strom systemkostenverträglich abtransportiert werden könne. Der Gesetzentwurf gehe nicht auf Stromspeicher ein – und auch nicht darauf, dass die neuen Kapazitäten durch ein hundertprozentiges Backup durch konventionelle Kraftwerke abgesichert werden müssten.

Hans-Jörg Preisigke, VCI, verwies auf die grundlegende Bedeutung der beabsichtigten Anforderungen an den Wasserstoff für einen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. Das übereilte Verfahren werde dieser Tragweite in keiner Weise gerecht. Zentrales Ziel der Wasserstoffwirtschaft müsse die Vermeidung von Treibhausgasemissionen sein. Restriktionen, die diesem Ziel entgegenstehen, müssten unterbleiben. Stattdessen seien pragmatische Ansätze zu wählen.

Claudia Kemfert (DIW-Berlin) befand, die angepeilten Ausbauziele reichten nicht aus. Der in den 2020er Jahren bestehende Bedarf, die erneuerbaren Energien weiter auszubauen, werde zumeist unterschätzt. So steige der Strombedarf umso stärker, je ambitionierter auch die Bereiche Mobilität und Wärmeversorgung elektrifiziert würden. Zudem bedeute der Einstieg in die inländische Wasserstoffproduktion zusätzlichen Ausbaubedarf von erneuerbaren Energien, da ansonsten nicht-klimafreundliche Infrastrukturen für fossilen Wasserstoff entstünden. Die aktuell vorgesehenen Ausbaupfade berücksichtigten diesen Bedarf nicht adäquat.

Kerstin Andreae (BDEW) sagte, vor dem Hintergrund der Neuausrichtung der europäischen Klimaschutzpolitik sowie der aktuellen Novelle des Klimaschutzgesetzes müssten die Ausbaupfade im EEG 2021 umfassend erhöht werden. Für die Nutzung von Wind oder Photovoltaik seien Projekte vorhanden. Bei ihrer Umsetzung gebe es allerdings oft Probleme durch Planungsrecht oder lange Genehmigungsverfahren sowie bei der Beschaffung der nötigen Freiflächen. Dabei sei die rasche Umsetzung ein ganz großes Konjunkturprogramm, sagte Andreae.

Finn-Christopher Brüning (Deutscher Städte- und Gemeindebund) begrüßte die im Verordnungsentwurf beabsichtigte EEG-Umlagebefreiung für grünen Wasserstoff, um den Markthochlauf für Wasserstoff auch in den Kommunen und vor allem das Ziel der Klimaneutralität nicht zu gefährden. Überdies setzten sich die kommunalen Spitzenverbände weiter für die Ausweitung der finanziellen Wertschöpfungsbeteiligung der Gemeinden an Photovoltaik-Freiflächenanlagen ein.

VKU-Chef Ingbert Liebing: „Anhörung bestätigt: Nur mit einem gemeinsamen Regulierungsrahmen und technologieoffenem Wasserstoffbegriff kommen wir beim Wasserstoff zügig voran“

VKU-Chef Ingbert Liebing zur Anhörung: „Das erfreuliche Ergebnis der heutigen Anhörung: Die meisten Sachverständigen haben die vom VKU vertretene Forderung nach einer einheitlichen Wasserstoffregulierung bestätigt, die sich mit einem technologieoffenen Wasserstoffbegriff verbindet. Daher darf es auch keine Verengung auf Elektrolyse als dominante Erzeugungsform von grünem Wasserstoff geben. Jetzt geht es darum, auf dieser Basis Wasserstoff unter Beteiligung dezentraler kommunaler Projekten breit voranzubringen.

Denn Wasserstoff kann das zentrale Bindeglied zwischen den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr werden, weil es als CO2-neutrale und speicherbare Energiequelle über die bestehenden Gasverteilnetze in der Fläche nutzbar gemacht und produziert werden kann. Das ist eine enorme Chance. Kommunale Netzbetreiber können die künftigen Wasserstoffnetze organisch aus der bestehenden (Erd-)Gasinfrastruktur entwickeln. Für Wasserstoff müssen wir zumeist kein neues Netz erfinden: Es reicht, wenn unser bewährtes Netz ein Upgrade bekommt. Das ist zwar ein milliardenschweres Investment, wäre aber schneller zu haben und bedeutend günstiger als auf das Experiment zu setzen, eine neue separate H2-Infrastruktur aufzubauen.

Für ein solches pragmatisches Infrastruktur-Upgrade brauchen kommunale Netzbetreiber Rechts-, Planungs- und damit Investitionssicherheit. Ein gemeinsamer Regulierungsrahmen für Gas- und Wasserstoffnetze – einfach umzusetzen mit einer Erweiterung des Gasbegriffes in der aktuellen Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes – ist hierfür eine wichtige Weichenstellung. Eine regulatorische Trennung von Wasserstoff- und Gasnetzen löst ansonsten unweigerlich eine Investitionszurückhaltung bei den Netzbetreibern aus.“ Mindestens aber sollte jetzt das Ziel einer integrierten Lösung gesetzlich verankert und von Deutschland gegenüber der EU für die anstehende europäische Regulierung geltend gemacht werden.

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