VDE ETG stellt 7 Thesen zur Flexibilisierung des Energiesystems vor
Ein fundamentales Problem der Energiewende ist die Abkehr des „Erzeugung-folgt-Last“-Prinzips. Denn die Erzeugung elektrischer Energie aus volatilen erneuerbaren Energien führt zu immer größeren Schwankungen des Stromrestbedarfs (Residuallast). Heute gleichen die noch vorhandenen flexibel einsetzbaren (Kohle-)Kraftwerke die Differenz zwischen ungesteuerter Stromerzeugung und ungesteuertem Strombedarf aus. Aber mit dem Wegfall dieser Reserve steigt die Wahrscheinlichkeit von Netzengpässen. Die Energietechnische Gesellschaft im VDE (VDE ETG) hat am 10.06.2021 sieben Thesen aufgestellt und publiziert, wie eine Lastflexibilisierung sinnvoll zum Gelingen der Energiewende beitragen kann.
Die Flexibilisierung des Energiesektors sei „eine vielversprechende Lösung für dieses Problem “, erläutert VDE-ETG-Experte Prof. Martin Wolter von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Er spricht dabei Erzeugung und Bedarf an: Für ein möglichst kostengünstiges, sprich bezahlbares, Energiesystem der Zukunft müssten sowohl die erneuerbare Stromerzeugung als auch der Strombedarf flexibilisiert werden. Diese zweigleisige Flexibilisierung des Energiesektors könne mittels technischer und / oder wirtschaftlicher Anreize und/oder verpflichtender ordnungspolitischer Vorgaben erfolgen, so der VDE-Experte. Seine Arbeitsgruppe im Bereich „Übertragung und Verteilung elektrischer Energie“ hat die Thesen erarbeitet.
Ohne Investitionen und Anpassung des Rechtsrahmens geht es nicht
Flexibilisierung kostet Geld lautet die erste und wichtigste These. Heute werden Angebot und Nachfrage nahezu vollständig über den konventionellen Kraftwerkspark ausgeglichen. Diese Leistungsbilanzierung ist auch zukünftig ein Muss. Kann diese nicht mehr über den konventionellen Kraftwerkspark erfolgen, müssen die erneuerbare Erzeugung und die Last in den Ausgleich einbezogen werden. Hierzu ist der aber der Aufbau von zusätzlicher Technik (z.B. Abregelung von EE-Erzeugung bei negativer Residuallast, Speicher, leistungsfähigere Netze, Kommunikationsinfrastruktur, Regelungstechnik etc.) erforderlich. Gleichzeitig ist das Risiko von Komfortverlusten für die Verbraucher programmiert. Beides verursacht Kosten und birgt damit Risiken. Die siebte These und eine wichtige Botschaft an die Politik ist, dass die Flexibilität des Energiesektors einen entsprechend angepassten Regulierungsrahmen erfordert. „Der Markt wird es nicht regeln. Ohne verlässlichen Rechtsrahmen keine verlässliche Steuerung durch den Netzbetreiber“, so das Fazit der VDE ETG-Arbeitsgruppe.
Call for Experts: Neue Task Force soll weiterarbeiten
Mit dem Thesenpapier ist die Arbeit jedoch noch nicht abgeschlossen. „In vielen bisherigen Analysen wird das Vorhandensein von Lastverschiebepotenzial und die dafür erforderliche Technik in einem zukünftigen Energiesystem einfach vorausgesetzt“, fährt Wolter fort. „Das erscheint uns jedoch etwas zu optimistisch“, denn es sei durchaus nicht sichergestellt, dass insbesondere im privaten Bereich, beispielsweise mit Blick auf die Elektromobilität, das volle Lastverschiebepotenzial auch dauerhaft und über längere Zeiträume zur Verfügung steht. Mit dieser und weiteren Fragestellungen soll sich deshalb eine neue VDE ETG-Task Force beschäftigen. „Wir brauchen weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Wer in der Task Force mitarbeiten möchte, wendet sich an die VDE ETG Geschäftsstelle etg@vde.com“, bittet Wolter.
Die 7 Thesen im Überblick
- These: Flexibilisierung kostet (ggf. viel) Geld.
- These: Flexibilisierung ist kein planerisches Instrument zum Ersatz von Netzausbau, sondern ein betriebliches Werkzeug für Übergangszeiträume.
- These: Verhaltensvariabilität lässt sich auch weiterhin sinnvoll über Gleichzeitigkeitsfaktoren abbilden.
- These: Für die Überbrückung von Perioden mit geringem EE-Erzeugungspotenzial (sog. Dunkelflauten) sind flexible Erzeugungsanlagen erforderlich – hierfür kommen auch geeignete Speicher (Langzeitspeicher) in Frage.
- These: Lastflexibilisierung mit dem Ziel der Anpassung an eine stochastische regenerative Erzeugung ist aus Sicht der Nutzungseffizienz und damit der Ökologie vorteilhaft.
- These: Flexibilisierung braucht Flexibilitäten.
- These: Flexibilität erfordert einen entsprechenden Regulierungsrahmen.
These 1: „Flexibilisierung kostet (ggf. viel) Geld“ – Was bedeutet die These?
Das klassische Energiesystem, wie wir es heute kennen, ist geprägt von einer weitgehend unbeeinflussten und unbeeinflussbaren – also in Summe unelastischen – Versorgungsaufgabe auf der Nachfrageseite und auf der Angebotsseite einem in Summe hochflexiblen konventionellen Kraftwerkspark sowie einer zunehmend bedeutsamen, dargebotsabhängigen regenerativen Stromerzeugung, die aufgrund ihres Einspeisevorrangs ebenfalls als unelastisch eingestuft werden darf. Technisch werden also heute Angebot und Nachfrage nahezu vollständig über den konventionellen Kraftwerkspark ausgeglichen. Heute vorhandene oder bekannte Speichersysteme wie Pumpspeicherkraftwerke (PSW) und Batteriespeicher spielen dabei aufgrund der im Vergleich zum Kraftwerkspark kleinen Leistungen und Kapazitäten eine untergeordnete Rolle. Die Leistungsbilanzierung ist auch zukünftig erforderlich. Wenn dieser nun nicht mehr vollumfänglich über den konventionellen Kraftwerkspark erfolgen kann, müssen die regenerative Erzeugung und die Last in den Ausgleich einbezogen werden. Dies erfordert einerseits den Aufbau von zusätzlicher Technik (z. B. Abregelung von EE-Erzeugung bei negativer Residuallast, Speicher, leistungsfähigere Netze, Kommu-nikationsinfrastruktur, Regelungstechnik etc.); andererseits birgt es das Risiko von Komfortverlusten. Beides verursacht Kosten.
Warum vertreten wir diese Position?
Selbst wenn Lastverschiebepotenzial im Einzelfall konstruktiv gegeben ist und damit sozusagen kostenlos entsteht (z. B. bei thermischen Energiespeichern wie Kühlhäusern oder Fußbodenheizungen), muss die Möglichkeit der netzseitigen Ansteuerung zusätzlich installiert werden. In allen anderen Fällen muss die Möglichkeit der Flexibilisierung durch zusätzliche Hardware (z. B. in Form von Batteriespeichern) erst geschaffen werden. Würde die Hälfte aller deutschen Haushalte einen Heimspeicher installieren, so käme ein höherer zweistelliger Milliardenbetrag an Anschaffungskosten zustande, dies – aufgrund der begrenzen Batterielebensdauer – jeweils alle 5-8 Jahre neu. Zudem sind natürliche und juristische Personen nicht bereit, einen verbleibenden Komfortverlust durch Fremdsteuerung gratis verfügbar zu machen. Er müsste also vergütet werden; im Einzelfall („1 EUR pro Waschvorgang“) mit einem Vielfachen des Strompreises.
Grundsätzlich ist dieses Problem aus der Vergangenheit bekannt und umfänglich untersucht (z. B. größere Rohgasspeicher bei Biogasanlagen), so dass es weniger eines Nachweises bedarf als der Abschätzung, in welcher Relation diese Kosten zu anderen Systemkosten stehen. Wir gehen ohne nähere Betrachtung davon aus, dass diese Kosten – insbesondere im Zusammenhang mit der notwendigen Regelungstechnik nebst all ihren Risiken – hoch sind.
Könnte man auch zu anderen Schlüssen kommen und was würde dann geschehen?
Es gibt zwei wesentliche Angriffspunkte gegen diese Sichtweise: Einerseits wird die Meinung vertreten, die aus der Flexibilisierung resultierende Regelungstechnik sei in einem zukünftigen regenerativen Energiesystem grundsätzlich sowieso notwendig („Eh-da-Kosten“) und insofern nicht gesondert zu betrachten. Der Effekt dieser Ansicht auf die These ist nicht unerheblich (wenn auch nur auf die Netzseite bezogen), vernachlässigt aber Alternativen wie den Aufbau weiterhin regelbarer zukünftiger wasserstoff- oder auf synthetischem Methan basierender Gaskraftwerke, deren Brennstoff aus Überschussregionen importiert würde: In diesem Fall könnte das Gesamtsystem ähnlich dem heutigen bleiben; eine Angleichung der Nachfrageseite an das regenerative Binnenangebot hätte lediglich einen (zweifelsfrei wertvollen, aber preislich nicht abbildbaren) Wirkungsgradvorteil in der Energienutzung (siehe dazu These 5).
Die zweite Ansicht ist, dass die notwendigen Anpassungen von den Stromkunden entweder komfortschädlich aber kostenneutral oder komfortneutral aber mit Zusatzkosten hinzunehmen seien. In jedem Fall müsste mittels ordnungspolitischer Vorgaben ein allgemeinverbindliches Regelwerk geschaffen werden (siehe These 7). In beiden Fällen besteht zudem die Wahrscheinlichkeit einer Verteuerung der Energiedienstleistung; im ersten Fall durch private Investitionen z. B. in Speichertechnik, um dem drohenden Komfortverlust entgegen zu wirken, im zweiten Fall durch vermutlich steigende Umlagen in Anlehnung an die Verordnung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten (Verordnung zu abschaltbaren Lasten – AbLaV), mit der die Flexibilitätsdienstleistung vergütet wird. Damit widerspricht diese Ansicht nicht der These, zeigt aber den drohenden Akzeptanzverlust der Bevölkerung für die Energiewende auf.
Einem weiteren Ansatz, nämlich, dass all das „die Märkte allein schon regeln“ und „sicherlich viele neue innovative Produkte rund um das Thema Flexibilisierung entstehen“ würden, fehlt aus unserer Sicht der Tiefgang. Wir werten das als vielleicht mögliche, aber keineswegs heute prognostizierbare Entwicklungen.
These 2: „Flexibilisierung ist kein planerisches Instrument zum Ersatz von Netzausbau, sondern ein betriebliches Werkzeug für Übergangszeiträume.“ Was bedeutet die These?
Ein Energieversorgungssystem, das in Zukunft überwiegend auf volatilen, fluktuierenden, erneuerbaren Energien basiert, wird ein aktives Engpassmanagement benötigen, um den Ausgleich zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch zu jeder Zeit zu ermöglichen und damit eine stabile und sichere Energieversorgung zu gewährleisten. Um ein aktives Engpassmanagement und eine effiziente Versorgungssicherheit bereit zu stellen, ist eine Flexibilisierung der Akteure im System notwendig.
Mit Flexibilisierung ist hier die Möglichkeit der Steuerung, für z. B. eine Reaktion des Netzbetreibers auf einen Netzengpass oder eine Bezugsenergieoptimierung von Einspeiseanbietern und Energiekunden gemeint. Flexibilisierungsinstrumente können das Einspeisemanagement von erneuerbaren Energien, als auch das Lastmanagement von abschaltbaren Lasten wie z. B. Wärmepumpen oder Ladesäulen sein.
Planungsgrundsätze beschreiben den Handlungsrahmen und die Handlungsoptionen für die Entwicklung (Erneuerung / Ausbau) des zukünftigen effizienten, stabilen und sicheren Energienetzes. Im Rahmen dieser Planungsgrundsätze werden die Bausteine, Werkzeuge und Instrumente für die langfristige Auslegung und Ausrichtung der Netze für die zukünftige Versorgungsaufgabe beschrieben. Hierzu gehören z. B. Festlegungen von Standards und Vorgaben zu Belastungsgrenzen für Betriebsmittel, Prognosetools für z. B. die Lastentwicklung, die Anwendung von Gleichzeitigkeitsfaktoren sowie Vorgaben zum Einsatz von regelbaren Ortsnetztransformatoren.
Im Rahmen der Betriebsgrundsätze wird der Handlungsrahmen und die Handlungsoptionen für einen effizienten, stabilen und sicheren Betrieb der Energienetze beschrieben. Hier werden im Gegensatz zu den Planungsgrundsätzen Bausteine, Werkzeuge und Instrumente beschrieben, die z. B. kurzfristig im Rahmen eines Netzengpasses zum Einsatz kommen wie z. B. Einsatz der Spitzenkappung oder Vorgaben zur (verlust-)optimierten Betriebsfahrweise.
Flexibilisierung ist kein planerisches Instrument zum Ersatz von Netzausbau, da in das Energieversorgungsnetz keine dauerhaften und langfristigen Netzengpässe durch absehbare Last- oder Einspeiseentwicklungen eingeplant werden sollen. Das würde bedeuten, dass bewusst eine Netzengpassbewirtschaftung notwendig würde. Eine solche Planung würde dem Anspruch an ein stabiles, sicheres Energienetz widersprechen. Flexibilitäten können aber sehr wohl im Rahmen von Übergangszeiten z. B. bis zur Erneuerung für die Bewirtschaftung eines Netzengpasses eingesetzt werden. Hiermit würde der Anspruch an ein kostengünstiges und effizientes Netz gestärkt.
Warum vertreten wir diese Position?
Im Rahmen der langfristigen Erneuerungs- und Ausbauplanung der Energienetze gilt es eine leistungsfähige, effiziente und kostengünstige Infrastruktur für die zukünftige Versorgungsaufgabe zu entwickeln. Bei der Beschreibung der zukünftigen Versorgungsaufgaben werden Prognosen für die Last- und Einspeiseentwicklung erstellt. Diese haben von Natur aus schon große Unsicherheiten, je langfristiger sie sind. Flexibilitäten dieser Lasten und Einspeisungen langfristig zu prognostizieren und insbesondere den Einsatz solcher Flexibilitäten in langfristig prognostizierten Netzengpässen sicher zu stellen, ist mit einer noch größeren Unsicherheit behaftet. Aus diesem Grund sollten daher Netzengpässe nicht bewusst und vorsätzlich bei der Planung berücksichtigt werden.
Die Anpassung (Erneuerung/Ausbau) der Energienetze an die veränderten Versorgungsaufgaben, wie beispielsweise der Ausbau volatiler Einspeisungen, der Rückbau von Grundlastkraftwerken, neue Lasten aus den Sektoren Verkehr und Wärme, kann aufgrund der Umsetzungszeiten und notwendigen Optimierung der Re-Investitionskosten nicht kurzfristig erfolgen. Daher ist es legitim, in der Übergangszeit, in denen Netzengpässe nicht zeitgerecht oder wirtschaftlich durch Erneuerungs- und Erweiterungsmaßnahmen behoben werden können, diese mit Hilfe von bedarfsgerecht eingesetzten Flexibilitäten zu überbrücken. Netzdienliche Flexibilitäten sollten somit gesamthaft in die „gelbe Phase“ der „Netzampel“ und damit als betriebliches Werkzeug eingeordnet werden.
Könnte man auch zu anderen Schlüssen kommen und was würde dann geschehen?
Langfristig planbare und sicher einsetzbare Flexibilitäten wie z. B. die Nutzung einer sicher verfügbaren Kundenerzeugung zur Bezugsoptimierung an den Übergabepunkten zwischen VNB/ÜNB könnten aus Sicht der Netzplanung zum Zweck der Kostenoptimierung bzw. einer effizienteren Nutzung der dezentral installierten EE-Anlagen eingesetzt bzw. als planerisches Instrument verwendet werden.
These 3: „Verhaltensvariabilität lässt sich auch weiterhin sinnvoll über Gleichzeitigkeitsfaktoren abbilden.“ Was bedeutet die These?
Individuelles und somit durchmischtes und ungleiches Verhalten ist Voraussetzung für die Auslegung von Kunden- und Netzanlagen und werden über Gleichzeitigkeitsfaktoren abgebildet. Die Belastungstabelle nach DIN 18015-1 (Kurve 1 und 2) bietet z. B. Installateuren und Netzbetreibern für dieses statistische Verhalten eine einheitliche Bewertungsgrundlage der Leistungsbedarfskurven in Abhängigkeit der Anzahl der Wohneinheiten und Art der Warmwasserbereitung (mit/ohne elektrische Warmwasserbereitung). Unter Beachtung dieser Planungsansätze werden die Parameter der Spannungsqualität (z. B. max. zulässiger Spannungsfall, …) und Anlagensicherheit (max. zulässiger Strom) gewährleistet.
Synchronisierende Effekte, die bei größeren Kollektiven von Verbrauchsgeräten zeitlich unkontrolliert zu höheren Leistungswerten als nach DIN führen – bzw. für die die Netze und Kundenanlagen ausgelegt wurden – sind stets vorab hinsichtlich der technischen Zulässigkeit zu bewerten.
Derzeit werden die Leistungsbedarfe der Ladeinfrastruktur mittels Gleichzeitigkeitsfaktoren bewertet und zunächst noch auf die nach DIN 18015-1 ermittelte Bestandslast addiert. Hierbei wird mit einer Gleichzeitigkeit von 1 (Absicherung zur sicheren Seite hin) zwischen diesen Lasten gerechnet. Perspektivisch wird Ladeinfrastruktur zu neuen Leistungsbedarfen und Gleichzeitigkeitsfaktoren führen. Da derzeit aber die Netzdurchdringung von Ladepunkten noch sehr gering ist, lassen sich noch keine statistisch belastbaren Leistungsbedarfe und Faktoren angeben.
Warum vertreten wir diese Position?
Erfahrungen aus der Vergangenheit (z. B. bei Durchlauferhitzern) oder jüngere Entwicklungen in der Elektromobilität zeigen, dass auch bei zu erwartendem sehr ähnlichem Nutzungsverhalten dennoch über die Menge an Nutzern und geringen Benutzungsstundenzahlen der einzelnen Verbrauchsgeräte eine große zeitlichen Durchmischung und somit Ungleichheit in der Netznutzung entsteht. So werden beispielsweise über private Ladeinfrastruktur mit einer Leistung von 11 kW rund 2.000 kWh/a bezogen. Das entspricht ca. 180 Volllaststunden pro Jahr, also rund 2 %. Dies muss planerisch berücksichtigt und für den Ausbau der Stromnetzinfrastruktur genutzt werden (siehe Beispiel Lastanalyse Fuhrpark Berliner Wasserbetriebe).
Jede Beeinflussung des Nutzers von außen (z. B. durch Flexibilisierungsoptionen, Strompreisfenster, …) wirken aus Netzsicht eher negativ auf die planerischen Gleichzeitigkeitsfaktoren. Die Anlagen wurden für Gleichzeitigkeitsfaktoren zum Hochlastzeitpunkt gemäß DIN ausgelegt, höhere Gleichzeitigkeitsfaktoren sind somit nicht ohne vorherige Überprüfung der örtlichen Situation zulässig.
Optional bietet der Netzbetreiber reduzierte Netznutzungsentgelte an, wenn der Kunde im Gegenzug das Netz mit definierten Verbrauchsgeräten außerhalb des Hochlastzeitfensters nutzt. Dieses Peak-Load-Shifting ist somit für beide Seiten vorteilhaft. In diesem Fall stellt sich eine höhere Gleichzeitigkeit für diese Verbrauchsgerätegruppe ein, allerdings zu Zeitbereichen mit geringerer Allgemeinlast, so dass keine höhere Lastspitze entsteht, jedoch das Netz effizienter ausgenutzt werden kann und Schwachlastzeiträume aufgefüllt werden.
Gleiches gilt, wenn der Kunde kundenseitig ein Lastmanagementsystem errichtet, um den zusätzlichen Leistungsbedarf mit der bestehenden Kundenanlage und Netzanschlusskonstellation abdecken zu können. Aus Sicht des Kunden sollten steuernde Eingriffe von außen erst die letzte Option sein.
Belastungstabellen nach DIN 18015-1 müssten zu gegebener Zeit auch Lastverhältnisse mit Ladeinfrastruktur berücksichtigen und wie in der Vergangenheit an die sich ändernden Nutzungsverhältnisse adaptiert werden.
Könnte man auch zu anderen Schlüssen kommen und was würde dann geschehen?
Zahlreiche Studien stellen die These auf, dass eine netzdienliche Steuerungsmöglichkeit die möglicherweise auftretenden zusätzlichen Netzausbaukosten reduzieren kann (Position BDEW).
Unter Berücksichtigung der Unsicherheiten der zukünftigen Entwicklung der Ladeinfrastruktur ist die netzdienliche Steuerungsmöglichkeit sicherlich ein nachvollziehbares Instrument.
Der heutige Durchdringungsgrad mit Ladeinfrastruktur lässt noch keine finale Festlegung weder hinsichtlich neuer Belastungstabellen nach DIN 18015-1 noch der zwingenden Erfordernisse zur Steuerung zu.
- Netzbetreiber bewerten daher derzeit die noch freie Netzkapazität im Netz und setzen auf Erfahrungswerte hinsichtlich der Gleichzeitigkeiten der Ladeinfrastruktur.
- Parallel wird die netzdienliche Steuerungsoption seitens der Netzbetreiber hinsichtlich verbindlicher regulatorischer Vorgabe diskutiert.
Synchronisierende Effekte, die diese natürlich durchmischten Nutzungsverhalten grundsätzlich stören, können zu Netzüberlastungen führen und erzeugen letztendlich einen Mehrbedarf an Netzausbau.
These 4: „Für die Überbrückung von Perioden mit geringem EE-Erzeugungspotenzial (sog. Dunkelflauten) sind flexible Erzeugungsanlagen erforderlich – hierfür kommen auch geeignete Speicher (Langzeitspeicher) in Frage.“ Was bedeutet die These?
In Mitteleuropa kommt es immer wieder zu Situationen, bei denen großflächig – auch über mehrere Nachbarländer hinweg und bis zu einer Dauer von mehreren Tagen – nur ein eingeschränktes Erzeugungspotenzial aus Wind und Sonne zur Verfügung steht. Da auch während dieser Perioden immer noch ein gewisses EE-Erzeugungspotenzial vorhanden ist, wird sich die Situation bei dem geforderten EE-Ausbau etwas entschärfen, sofern nicht gleichzeitig auch unflexible Lasten entsprechend ausgebaut werden.
Die Beherrschung dieser sog. „Dunkelflauten“ benötigt flexibel einsetzbare Strom-Erzeugungsoptionen, welche die verbleibende positive Residuallast während dieser Zeitbereiche abdecken können. Klassische Speicheroptionen, wie z. B. Pumpspeicherkraftwerke oder Batterien kommen hierfür nicht in Frage, da diese üblicherweise nur einen Zeitbereich bis zu mehreren Stunden abdecken können (Kurzzeitspeicher). Für die Überbrückung von Dunkelflauten wer-den jedoch Energiespeicher benötigt, die eine ausreichend große Kapazität besitzen, um mehrere Tage – bei gleich-zeitig hoher Netzlast in den Wintermonaten – überbrücken zu können (Langzeitspeicher).
Bislang wird diese Aufgabe von flexibel einsetzbaren Kraftwerken wahrgenommen. Neben Wasserkraftwerken mit ausreichend großen Speicherseen, z. B. in den Alpen (Saisonspeicher), sind dies heute insbesondere fossil gefeuerte thermische Kraftwerke. Auch dabei wird auf „Energiespeicher“ zurückgegriffen, die jedoch in der Regel nicht als solche wahrgenommen werden. Die vorhandenen Kohlehalden, Öllager (Tanks oder Kavernen) oder Gasspeicher (Aquifer-, Poren- oder Salzkavernenspeicher) bieten ausreichende Speicherkapazitäten, um sogar den Bedarf für mehrere Monate abdecken zu können.
Bei Szenarien mit CO2-Einsparzielen bis etwa 80 % gegenüber dem Referenzjahr 1990 ist noch ein geringer Anteil fossiler Energieträger, insbesondere Erdgas, für die Stromerzeugung zulässig. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass die dann noch zulässigen Erdgasmengen für eine Speicherung zur Überbrückung von Dunkelflauten ausreichen würden. Darüber hinaus könnten auch biogene Gase für diese Notsituationen gespeichert werden, an-statt sie – wie heute noch üblich – ungesteuert für die Stromerzeugung (KWK) einzusetzen. Aufgrund der erforderlichen Flexibilität – bei gleichzeitig begrenzter Einsatzdauer – kommen als Erzeugungseinheiten insbesondere Gasturbinen (Open Cycle) oder Gasmotoren in Frage (ggf. auch als KWK-Anlagen).
Erst in Szenarien mit noch anspruchsvolleren CO2-Reduktionszielen, insbesondere in vollständig klimaneutralen Szenarien, muss auf die Nutzung – und somit auch auf die Speicherung – fossiler Energieträger komplett verzichtet werden. Für die dann erforderliche Langzeitspeicherung müssten also gut speicherbare gasförmige oder flüssige Energieträger aus erneuerbaren Energien hergestellt werden. Dies ist prinzipiell durch die Elektrolyse von Wasser möglich. Dabei entsteht Wasserstoff, der z. B. unter Druck in Salzkavernen in ausreichender Menge gespeichert werden kann. Für die Rückverstromung kommen spezielle, für Wasserstoff geeignete Gasturbinen-Kraftwerke, Gasmotoren oder Brennstoffzellen-Systeme in Frage. Der Wasserstoff ist gleichzeitig auch das Ausgangsprodukt für die Herstellung weiterer synthetischer gasförmiger (z. B. synthetisches Methan) oder flüssiger Energieträger sowie für chemische Produkte.
Eine Umwandlung von elektrischer Energie in einen chemischen Energieträger mittels Elektrolyse macht nur dann Sinn, wenn hierzu sog. Überschussstrom aus erneuerbaren Energien verwendet wird – also Strom, der nicht direkt zur Substitution fossiler Energieträger bei der Stromerzeugung oder in anderen Sektoren (z. B. Wärme, Mobilität) eingesetzt werden kann. Andernfalls würde z. B. Strom aus einem Kraftwerk, das mit fossilem Erdgas betrieben wird, zur Elektrolyse verwendet werden, um daraus wieder Gas herzustellen. Überschusssituationen, die für eine Erzeugung von Wasserstoff genutzt werden könnten, sind heute noch sehr selten und in der Regel lokal begrenzt, da der Leitungsausbau gegenüber dem Ausbau der erneuerbaren Energien hinterherhinkt. Mit den damit auf absehbare Zeit begrenzten Überschussmengen werden sich Elektrolyseure nicht wirtschaftlich betreiben lassen.
Um den Ausbaubedarf für flexibel einsetzbare Stromerzeugungsanlagen zu begrenzen, wird davon ausgegangen, dass zusätzliche Lasten, die im Rahmen von Sektorenkopplung dazu kommen werden, möglichst flexibel eingesetzt werden können und sich somit – insbesondere während der Perioden mit geringem EE-Erzeugungspotenzial – dem EE-Dargebot anpassen können. Dies gilt insbesondere für den Betrieb von Elektrolyseuren, da der erzeugte Wasserstoff üblicherweise in einen ausreichend großen Speicher eingespeichert wird, um Produktionsausfälle von einigen Tagen überbrücken zu können.
Warum vertreten wir diese Position?
Für die Gewährleistung einer sicheren Stromversorgung ist die Beherrschung von Dunkelflauten in Zentraleuropa ein Muss. Ein Import von Strom aus nicht betroffenen Nachbarländern ist aufgrund der regionalen Ausdehnung der betroffenen EE-Erzeugung nur sehr eingeschränkt möglich (Mangel sowohl an Übertragungskapazität als auch Erzeugungskapazität). Daher muss auf eine regionale Speicherung von Energieträgern in dem erforderlichen Umfang zurückgegriffen werden, die dann bei Bedarf für die Deckung der EE-Strom-Erzeugungslücke eingesetzt werden können. Die Infrastruktur für eine Speicherung fossiler Energieträger (in Zukunft überwiegend Erdgas) ist in Deutschland vorhanden und die Nutzung von Erdgas für diese seltenen Fälle ? unterstützt durch gespeicherte biogene Gase – ist auch bei Szenarien mit CO2-Einsparzielen bis etwa 80 % zulässig, sofern in anderen Sektoren die Reduzierung fossiler Energieträger ebenfalls nachhaltig umgesetzt wird.
Könnte man auch zu anderen Schlüssen kommen und was würde dann geschehen?
Es ist bislang noch nicht absehbar, ob der Ausbau von EE-Anlagen in Deutschland in einem Umfang möglich ist, der für eine Erreichung von CO2-Einsparungen mit mehr als 80 % erforderlich wäre (Kosten, Flächenverbrauch, Akzeptanz, etc.). Daher wird in den meisten Szenarien davon ausgegangen, dass Wasserstoff im Ausland (Nordafrika, Golfstaaten, etc.) kostengünstiger hergestellt und nach Deutschland importiert werden kann. Aber auch in diesen Szenarien wird von einer Gasspeicherung mit den genannten Optionen zur Rückverstromung ausgegangen.
These 5: „Lastflexibilisierung mit dem Ziel der Anpassung an eine stochastische regenerative Erzeugung ist aus Sicht der Nutzungseffizienz und damit der Ökologie vorteilhaft.“ Was bedeutet die These?
Die Orientierung des vormals unelastischen Verbrauchs an der dargebotsabhängigen, erneuerbaren Erzeugung maximiert deren Nutzung. Dies trägt zur Reduktion des CO2-Ausstoßes bei und verkürzt im Idealfall auch die Transport-strecken zwischen Erzeugung und Verbrauch. Schlussendlich kann der Einsatz flexibler Lasten dazu beitragen, die im Rahmen des Einspeisemanagements einzusenkende EE-Erzeugung zu minimieren.
Warum vertreten wir diese Position?
Die Erneuerbaren Energien sind in den vergangenen Jahren intensiv ausgebaut worden. Die räumliche Verteilung der Stromerzeugungsanlagen ist jedoch nicht mehr auf Lastzentren wie Großstädte angepasst, sondern richtet sich nach dem Wind- oder Sonnenpotenzial und den verfügbaren Freiflächen einzelner Standorte.
In den Städten, wo viele Verbraucher auf engem Raum angesiedelt sind, besteht weniger Potenzial für neue Erzeugungsanlagen, da der Platz knapp ist. Analog dazu sind Standorte mit guten Windverhältnissen tendenziell strukturschwach. Dadurch entstehen längere Transportwege von der Stromerzeugung bis zu den Endverbrauchern. Hinzu addieren sich die Offshore-Windparks, die an den Küstenregionen derzeit vermehrt errichtet werden und noch weitere Entfernungen zu den Lastzentren aufweisen. Der somit entstehende Bedarf für weiteren Netzausbau sowie die mit den größeren Transportstrecken einhergehenden größeren Netzverlusten könnten verringert werden, indem die elektrische Energie, an Standorten wo es möglich ist, näher am Erzeugungsort verbraucht wird. Die hier großskalig beschriebene Überlegung für das Übertragungsnetz gilt genauso im Kleinen in der Verteilnetzebene.
Eine weitere Herausforderung der Stromerzeugung aus regenerativen Quellen ist die zeitliche Entkopplung von Einspeisung und Verbrauch. Durch Lastflexibilisierung können kurz- bis mittelfristige Bilanzabweichungen abgefedert werden, ohne kostspielige Speicher installieren zu müssen. Langfristige Abweichungen z. B. bei sog. „Dunkelflauten“ (siehe These 4) sind ohne Großspeicher nicht beherrschbar.
Bisher bleibt dieses Potenzial der Lastflexibilität überwiegend ungenutzt, da die kommunikationstechnischen Anbindungen fehlen, um auf externe Signale zu reagieren. Um dieses Potenzial noch zu erhöhen, könnten in Zukunft Elemente der Sektorenkopplung vermehrt Verwendung finden. Dadurch könnte das bestehende Gasnetz als Speicher verwendet werden, in dem in Zeiten mit viel Einspeisung Strom in Gas umgewandelt wird und in Zeiten mit mehr Last als Einspeisung das Gas wieder in Strom zurück überführt wird. Während die Effizienz in aktuellen Batteriespeichern im Bereich von 80 % liegt, beträgt die Effizienz der gesamten Umwandlungskette von Strom-Gas-Strom (Power-to-Gas-to-Power) weniger als 40 %. Darüber hinaus erfordern derartige Systeme aufgrund sehr hoher Investitionskosten hohe Volllaststunden bei der Nutzung von Überschüssen aus erneuerbaren Energien, die auf absehbare Zeit nicht gegeben sind. Auch die zunehmende Elektrifizierung des Verkehrs kann in Zukunft mehr Lastflexibilität liefern, indem jedes Elektroauto als Speicher betrachtet wird.
Ein weiteres Potenzial liegt in der Power-to-Heat Technologie. Der Ausbau von steuerbaren elektrischen Wärmepumpen in Verbindung mit Wärmespeichern (Umwelt, Erdboden, Grundwasser, separate Speicher) eröffnet zukünftig ein weiteres Flexibilisierungspotenzial. Darüber hinaus kann insbesondere bei der Bereitstellung des saisonal mehr oder weniger konstanten Warmwasserbedarfs in Hybridsystemen (kostengünstiger Heizwiderstand in Kombination mit einem vorhandenen konventionellen Heizkessel und Wasserspeicher) eine Komforteinbuße beim Kunden vermieden werden.
Eine Anpassung des Bedarfs reduziert somit Investitionen in Speicher. Dies kann auch ökologisch vorteilhaft sein, da z. B. bei der Herstellung von den aktuell am häufigsten in der Energiebranche verwendeten Lithium-Ionen-Batterien CO2 ausgestoßen wird und seltene Rohstoffe benötigt und abgebaut werden.
Könnte man auch zu anderen Schlüssen kommen und was würde dann geschehen?
Durch eine Lastflexibilisierung werden in vielen Fällen Komforteinbußen für die Endverbraucher entstehen. Dabei stellt sich die Frage, ob in diesem Fall die Kunden bereit wären, ihre Flexibilität auch gegen Vergütung tatsächlich zur Verfügung zu stellen. Hierdurch wird wohl niemals das komplette Potenzial an flexiblen Lasten gehoben werden können.
Die Lastflexibilisierung fordert ein hohes Maß an Automatisierung, um die Lasten zur richtigen Zeit anzusteuern. Dies verursacht hohe Kosten und einen großen kommunikationstechnischen Aufwand. Dabei stellt sich die Frage, wer diese Kosten tragen sollte, da mehrere Akteure involviert sind. Wenn die Kosten für die Netzbetreiber anfallen, könnten diese sich auch für einen weiteren Netzausbau entscheiden, der durch regulatorische Rahmenbedingungen ggf. günstiger ausfallen kann und mehr Sicherheit bietet.
Durch eine Flexibilisierung der Lasten müssen die Netze nicht für jeden möglichen Engpassfall ausgebaut werden. Besonders in Zeiten hoher gleichzeitiger Erzeugungsleistungen können durch Lastverschiebungen die ansonsten resultierenden Abregelungen von erneuerbaren Energien vermieden werden. Die Ausschöpfung dieses Potenzials führt somit zu einem effizienteren Gesamtsystem mit geringerem Netzausbaubedarf.
These 6: „Flexibilisierung braucht Flexibilitäten.“ Was bedeutet die These?
Diese These besagt, dass die Flexibilitäten, wenn sie in Zukunft verfügbar sein sollen, auch aufgebaut werden und nutzbar sein müssen. In der Fachdiskussion findet sich – z. B. in den Themenfeldern Heimspeicher, Elektromobilität oder Wärmepumpen – häufig der Ansatz, diese zukünftig in großer Anzahl vorhandenen Technologien würden dann ja auch flexibel sein. Dies ignoriert sowohl den Nutzerwillen als auch das Kundenverhalten, denn die primäre Motivation hinter der Installation z. B. eines Heimspeichers ist nicht, das Gesamtsystem stabil zu halten, sondern der persönliche wirtschaftliche, technologische oder ideelle Mehrwert. Dennoch wird immer wieder behauptet, zukünftige Technologien würden eben diese regelbaren Reserven quasi automatisch mitbringen und dem Energiesystem idealerweise gratis und umfänglich verfügbar machen. Dem ist vermutlich nicht so. Insofern bedeutet die These, dass umfassend zu betrachten ist, warum für unterschiedliche Geräteklassen Flexibilitäten aufgebaut werden müssen, wie das geschehen kann, warum das aus Verbraucher- oder Erzeugersicht vorteilhaft ist und wie es um die Nutzbarkeit bestellt ist. Ein Elektroauto lädt netto nur einige Stunden des Jahres. Es ist daher nicht sichergestellt, dass es über längere Zeiträume verlässlich als Flexibilitätsoption zur Verfügung steht. Es sind also regional kohärente Alternativen einzubeziehen, die zusammen in Anlehnung an den konventionellen Kraftwerkspark eine Art „gesicherte Flexibilität“ bereitstellen, mit der das Operativpersonal planen kann.
Warum vertreten wir diese Position?
Im engeren Sinne ist diese These trivial und hat damit eher erinnernden Charakter – wie schon die Definition gezeigt hat, sind Flexibilitäten das Ergebnis einer Flexibilisierung des Energiesystems.
Könnte man auch zu anderen Schlüssen kommen und was würde dann geschehen?
Nein, definitionsgemäß sind keine anderen Schlüsse möglich.
These 7: „Flexibilität erfordert einen entsprechenden Regulierungsrahmen.“ Was bedeutet die These?
Im Zuge der Energiewende und auch der Sektorenkopplung werden zunehmend neue Verbrauchseinrichtungen (Lasten) an das Stromverteilungsnetz angeschlossen. Dies betrifft maßgeblich Wärmepumpen, Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge und Stromspeicher. Die Anzahl dieser Einrichtungen innerhalb von Kundenanlagen wird in den nächsten Jahren zunehmen. Damit werden höhere Leistungsanforderungen, insbesondere bei gleichzeitigen Inanspruchnahmen, an das Netz gestellt, wobei hohe Gleichzeitigkeiten insbesondere auf Basis marktlicher Impulse befürchtet werden und in diesem Fall eine besondere Herausforderung für die Niederspannungsnetze darstellen.
Der energierechtliche Rahmen enthält aktuell keine Regelungen, die die Nutzung der Flexibilitäten dieser Lasten zur besseren Auslastung der Netze und zur Vermeidung von Netzengpässen verlässlich ermöglicht.
Eine solche verlässliche Regelung ist aber entscheidend, damit der Netzbetreiber die technische Umsetzung in den Kundenanlagen vornehmen kann. Die Freiwilligkeit der Teilnahme des Netzkunden am bisherigen §14a-System des EnWG in Verbindung mit der niedrigen Elastizität des Strompreises, gewährleisten die erforderliche Verlässlichkeit derzeit nicht und machen eine Novellierung der bisherigen Systematik zwingend notwendig. Die Findung von sachgerechten Netzentgelten, die der Inanspruchnahme von Leistungen zu definierten Zeiten entspricht und zusätzlich die Komponente der Leistungsbeeinflussung durch den Netzbetreiber beinhaltet, ist äußerst Komplex und von diversen Interessenlagen (Strommarkt, VDA, BDEW, etc.) geprägt.
Warum vertreten wir diese Position?
Die Steuerung von Verbrauchsgeräten ist im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) verankert. Der Referentenentwurf zum Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz (SteuVerG) sah eine Weiterentwicklung des §14a-Systems des EnWG vor. Das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat den Gesetzentwurf Ende Januar 2021 überraschenderweise zurückgezogen. Das Ministerium will mit den Verbänden der Fahrzeughersteller und Netzbetreiber weitere Gespräche führen und einen neuen Vorschlag vorlegen.
Dies zeigt, dass bei detaillierter Gestaltung der Rahmenbedingungen zur Steuerung die Interessenlagen anscheinend deutlich auseinander liegen und überwiegend annahmenbasiert diskutiert wird. Inwieweit sich gerade die Ladeinfrastruktur als Flexibilität ausprägen lässt, wird sich erst noch zeigen müssen. Große Teile der öffentlichen Ladeeinrichtungen werden für den 24/7-Betrieb ausgelegt sein müssen. Auch private Ladeeinrichtungen von Logistikzentren und des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) werden eher für einen Betrieb, der rund um die Uhr laufen muss, ausgelegt sein. Lediglich die privaten Ladeeinrichtungen im Ein- und Mehrfamilienbereich könnten eher zeitvariabel gestaltet werden, wenn der Rechtsrahmen hierfür dementsprechend definiert ist, um Eingriffe durch den Netzbetreiber, in die Nutzung des Netzes durch die Kunden, zu gestalten.
Aber gerade in diesem Einfamilien- und Mehrfamilienhaus-Segment wird ein sehr heterogenes Nutzungsverhalten der Ladeinfrastruktur zu sehen sein. Erste Untersuchungen zeigen, dass die statistische Streuung sehr groß ist:
- Häufigkeit (Verteilung der Tage): Im Durchschnitt 10 Mal pro Monat für durchschnittlich 7,5 Stun- den Stecker am Fahrzeug
- Uhrzeit (Verteilung der Ladestunden): Morgens, tagsüber, abends, nachts
- Leistung (Verteilung der Ladeleistung): 3,7 / 7,2 / 11 / 22 kVA
- Dauer (Verteilung der Ladedauer): Ladekurve, Konditionieren (Abhängig von Temperatur, Ladezu- stand, Abfahrwunsch, etc.)
Die Ladevorgänge erfahren damit bereits bei kleineren Anzahlen (z. B. 10 x 22 kVA LP) sehr schnell kleine Gleichzeitigkeitsfaktoren (GZF der Wallboxen untereinander). Auf einem Niederspannungskabelstrang (kleinste mögliche Betrachtungseinheit) ist die größte zeitgleiche Nutzung der Wallboxen i.d.R. 50 %. Diese gleichzeitige Nutzung besitzt jedoch nur eine kurze zeitliche Überlappung im Minutenbereich. Zwischen den Kabelabgängen der Ortsnetzstationen treten somit kaum Überlagerungen der Lastspitzen auf. Zusätzlich variieren die Zeitpunkte der maximalen Leistung der Ladepunkte, sowie auch die Zeitpunkte der Höchstlast der Grundlast, so dass auch zwischen der Leistung der Ladepunkte und Grundlast Zeitungleichheiten bestehen und die Leistung der Ladepunkte nur anteilig einen Höchstlastbeitrag an den einzelnen Netzebenen leistet.
Die energiewirtschaftliche Diskussion zur Spitzenglättung für das gemeinsame Ziel der schnellen, sicheren und kosteneffizienten Integration der Elektromobilität kann an manchen Stellen nicht erforderlich werden, z. B. in Einfamilienhaussiedlungen. An anderen Stellen ist sie erforderlich (z. B. High Power Charging, HPC), kann aber nicht umgesetzt werden, da die Ladeinfrastruktur stets (auch zur Hochlastzeit des Netzbetreibers) verfügbar sein muss. Nicht jeder Ladepunkt wird Marktpotenzial aufweisen können. Das Potenzial der Ladeinfrastruktur als marktliche Flexibilität ist sehr differenziert zu betrachten.
Könnte man auch zu anderen Schlüssen kommen und was würde dann geschehen?
Ohne verlässlichen Rechtsrahmen keine verlässliche Steuerung durch den Netzbetreiber. Andererseits bedeutet dies nicht, dass ohne Steuerung der Netzbetreiber die heterogene Last der zukünftigen Ladeinfrastruktur z. B. in Einfamilienhaussiedlungen bzw. die Ladeinfrastrukturen, die einer 24/7-Verfügbarkeit bedürfen, nicht versorgen kann.
->Quellen: