Beim Thema Wasserstoff drohen falsche Weichenstellungen
Wasserstoff kann eine wichtige Rolle für den Klimaschutz spielen, wird aber ein knapper und kostbarer Energieträger bleiben. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) empfiehlt in seiner am 23.06.2021 veröffentlichten Stellungnahme, alle Anstrengungen auf den Markthochlauf von grünem Wasserstoff aus Wind und Sonne zu konzentrieren. Auch übergangsweise sollte die Politik nicht auf fossil erzeugten Wasserstoff setzen.
Nach Auffassung des SRU drohen falsche Weichenstellungen: Derzeit werde diskutiert, massiv in Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen zu investieren. Die Herstellung verursache jedoch signifikante Treibhausgasemissionen – auch wenn Wasserstoff aus Erdgas in Kombination mit einer CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS) hergestellt werde. Bei der CO2-Speicherung bestünden zudem Umwelt- und Gesundheitsrisiken.
„Damit würde in Technologien und Infrastrukturen investiert, die in einer treibhausgasfreien und umweltfreundlichen Wirtschaft keinen Platz mehr haben“, sagt Prof. Claudia Kemfert, stellvertretende Vorsitzende des SRU. „Statt teurer Brückentechnologien brauchen wir Investitionen in die Zukunft.
“Eine zweite Fehlentwicklung droht bei der Nutzung von Wasserstoff: Nicht überall, wo grüner Wasserstoff und synthetische Energieträger eingesetzt werden könnten, ist dies ökonomisch und ökologisch sinnvoll. Wenn grüner Strom direkt genutzt werden kann – wie durch das E-Auto im Straßenverkehr oder die Wärmepumpe in der Wärmeversorgung –, ist das in der Regel preiswerter und umweltfreundlicher. Sinnvoll ist es, den Wasserstoff in Teilen der Industrie sowie im internationalen Schiffs- und Flugverkehr einzusetzen. In diesen Bereichen spielen Wasserstoff und synthetische Energieträger nach derzeitigem Wissensstand eine wichtige Rolle, um die Klimaziele zu erreichen“, so Kemfert.
Ein Zertifizierungssystem mit anspruchsvollen Nachhaltigkeitskriterien sei notwendig, damit die Herstellung von grünem Wasserstoff keine Umweltprobleme wie Flächen- oder Wasserknappheit verschärfe. Das gelte insbesondere für Importe. Bevor grüner Wasserstoff in großen Mengen importiert werde, sollten die inländischen Potenziale genutzt werden. Dazu müssten zunächst die Wind- und Sonnenenergie in Deutschland massiv ausgebaut werden.
„Beim Import muss sichergestellt werden, dass in den Herkunftsländern keine sozialen, ökologischen oder gesundheitlichen Probleme durch die Wasserstoffherstellung verschärft werden“, sagt die Vorsitzende des SRU Prof. Claudia Hornberg. „Der hohe Wasserverbrauch kann vor allem in trockenen Regionen gravierende Auswirkungen haben.“
Die Infrastrukturen von Wasserstoff, Erdgas und Strom sollten integriert geplant werden. Grundlage dafür müssten die Klimaziele sein. In der nächsten Legislaturperiode sollten Ausstiegspfade für Erdgas und Erdöl festgeschrieben werden, um Fehlinvestitionen in fossile Technologien zu vermeiden und die notwendige Transformation in allen Sektoren einzuleiten.
Langfristige Pläne fehlen
Die Regierungskoalition habe sich im begleitenden Sofortprogramm für das Klimaschutzgesetz, das in dieser Woche veröffentlicht wurde, lediglich auf höhere Ausbauziele für 2022 einigen können, schreibt Manuel Först am 24.06.2021 für das Portal energiezukunft. Die Ausschreibungsmengen bei der Windkraft an Land würden um 1,1 Gigawatt auf 4 GW angehoben, bei der Photovoltaik seien es zusätzliche 4,1 GW – insgesamt 6 GW. Das sei viel zu wenig, wie Experten mahnen. Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energieysysteme, erklärte via Twitter: „Für wirksamen Klimaschutz brauchen wir mind. 20 GW Photovoltaik und 7,5 GW Windkraft pro Jahr.“
Auch fehlten langfristige Pläne, wie etwa der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) kritisiert. „Die Kernaufgabe, um die neu festgelegten Klimaschutzziele zu erreichen, ist die Festlegung ambitionierter Ausbaupfade für die erneuerbaren Technologien bis zum Jahr 2030“, so BEE-Präsidentin Simone Peter. Die Verschiebung dieser Aufgabe in die nächste Legislaturperiode werde der Schlüsselrolle der Erneuerbaren Energien als Klimaschützer Nummer eins nicht gerecht.
Um den grünen Wasserstoffmarkt in Deutschland anzukurbeln, befreie die Bundesregierung künftig immerhin alle Erzeuger grünen Wasserstoffs vollständig von der Zahlung der EEG-Umlage für den genutzten Strom aus Erneuerbaren Energien, so Först weiter. Zugleich dürften die Elektrolyseure dann aber bis zu 6.000 Stunden im Jahr Wasserstoff aus Strom produzieren, der dann als ‚grün‘ eingestuft werde. Unter den aktuellen Gegebenheiten könnten Windkraft und Solarenergie Strom in einer solch hohen Stundenzahl nicht ausreichend zur Verfügung stellen. Lediglich fossile Kraftwerke könnten diesen Bedarf decken, warnen die Verbände der EE-Erzeuger.
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