Integration der CO2-Entfernung in das EU-ETS

Lesehinweis auf Policy and Practice Reviews-Artikel

In einem der zentralen Szenarien zur Erreichung eines EU-weiten Netto-Null-Treibhausgas (THG)-Emissionsziels bis 2050 wird die Emissionsobergrenze im Emissionshandelssystem der Europäischen Union (EU-ETS) netto negativ. Trotz dieses ehrgeizigen Ziels gibt es bis heute keinen Mechanismus, der die Aufnahme von CO2-Entfernungsgutschriften (CRCs) in das EU-ETS ermöglicht. Eine Änderung der EU-ETS-Gesetzgebung ist erforderlich, um die Voraussetzungen für eine netto-negative Obergrenze zu schaffen, fordert ein ausführlicher Artikel auf Frontiers in Climate – Negative Emissions Technologies.

Rauch und CO2 – Kohlekraftwerk Schkopau, Uniper – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Wilfried Rickels, Alexander Proelß, Oliver Geden, Julian Burhenne und Mathias Fridahl diskutieren in ihrem Artikel „Integrating Carbon Dioxide Removal Into European Emissions Trading“ auf Frontiers in Climate – Negative Emissions Technologies konzeptionell verschiedene ökonomische, rechtliche und politische Herausforderungen rund um die Integration von CRCs in das EU-ETS. Um Cap-and-Trade-Systeme zu analysieren, die negative Emissionen umfassen, führen wir die effektive (elastische) Obergrenze, die sich aus der Integration von CRCs ergibt, zusätzlich zur regulatorischen (unelastischen) Obergrenze ein, wobei letztere nur noch für die Nettoemissionen verbindlich ist.

Angesichts der aktuellen Kostenschätzungen für BECCS und DACCS wären Mindestmengen für die Nutzung von Removals, im Gegensatz zu Obergrenzen, wie sie derzeit diskutiert werden, erforderlich, um die kurzfristige Integration solcher Technologien zu fördern. Anstelle einer direkten Interaktion zwischen den am Emissionshandel beteiligten Unternehmen und den Anbietern von CRCs könnte die Regulierungsbehörde übergangsweise auch als Intermediär fungieren, indem sie CRCs kauft und diese wiederum in Abhängigkeit von beobachteten Zertifikatspreisen liefert, z.B. durch die Unterstützung eines (weichen) Preiscollars.

Im Gegensatz zu einem Preiscollar ohne dedizierte Unterstützung durch CRCs bleibt in diesem Fall die (Netto-)Einhaltung des Gesamt-Caps erhalten. Die EU-Gesetzgebung sieht bereits Schutzmaßnahmen für physische Kohlenstofflecks in Bezug auf CCS vor, so dass Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (BECCS) und direkte Luftabscheidung und -speicherung für die Aufnahme in das EU-ETS priorisiert sind. Darüber hinaus könnte eine besondere Chance für die Einbeziehung von BECCS-Anlagen gelten. Die Aufhebung der Bestimmung, dass Anlagen, die ausschließlich Biomasse nutzen, nicht unter die ETS-Richtlinie fallen, kombiniert mit einer freien Zuteilung von Zertifikaten für diese Anlagen, würde es den Betreibern von Biomasseanlagen ermöglichen, die durch den Einsatz von BECCS zur Verfügung gestellten Zertifikate zu verkaufen. Das Erreichen der Treibhausgasneutralität in der EU bis 2050 erfordert die Gestaltung geeigneter Anreizsysteme für die CO2-Entfernung, wozu auch die Option gehört, den EU-Emissionshandel für CRCs zu öffnen.

Derzeit werden etwa 17 % der globalen THG-Emissionen durch Emissionshandelssysteme abgedeckt, die entweder bereits implementiert sind oder deren Implementierung geplant ist. Das EU-Emissionshandelssystem ist eines der größten seiner Art weltweit, deckt etwa 40 % der THG-Emissionen der EU27 ab und gilt als das wichtigste klimapolitische Instrument der EU. Aufgrund eines jährlichen linearen Reduktionsfaktors (LRF) auf die Anzahl der ausgegebenen EU-Zertifikate (d. h. Genehmigungen zur Emission von 1 t CO2 oder einer äquivalenten Menge anderer Treibhausgase), kommen ab einem bestimmten Zeitpunkt keine neuen Zertifikate mehr auf den Markt. Die 2018 beschlossenen Regeln für die 4. Handelsperiode sahen einen LRF von 2,2 % p.a. ab 2021 vor, was zu einem Erreichen der Nulllinie irgendwann nach 2057 führen würde. Jüngste Entscheidungen zur Verschärfung der EU-weiten THG-Minderungsziele haben ein Netto-Null-Ziel für THG-Emissionen für 2050 mit einer Netto-Reduktion von 55 % zwischen 1990 und 2030 festgelegt. Es wird erwartet, dass die unter das ETS fallenden Emissionen bis 2045 netto null erreichen, wobei bis 2050 substanziell negative Werte erreicht werden sollen. Das EU-Parlament drängt derzeit im Rahmen der Verhandlungen zum EU-Klimagesetz auf die Aufnahme von Bestimmungen, die sich speziell mit der Notwendigkeit befassen, netto negative Emissionen nach 2050 zu erreichen. Solche Szenarien sind auch Teil der Vision der Europäischen Kommission für eine klimaneutrale EU. Dementsprechend steht die EU vor der zweifachen Herausforderung, ihr ETS zu organisieren, ohne neue Zertifikate auszugeben, und gleichzeitig neue Regeln aufzustellen, um CO2-Entfernungsaktivitäten zu lenken und zu integrieren…

->Quelle und vollständiger Artikel (engl.): Wilfried Rickels, Alexander Proelß, Oliver Geden, Julian Burhenne und Mathias Fridahl: Integrating Carbon Dioxide Removal Into European Emissions Trading, in: Frontiers in Climate – Negative Emissions Technologies, 24 June 2021; https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fclim.2021.690023/full; https://doi.org/10.3389/fclim.2021.690023Creative Commons Attribution License (CC BY)