Eine Recherche von Lobby Control
Es klingt irgendwie bekannt*: Das Recherche-Netzwerk Correctiv weist auf eine Untersuchung von Lobby Control (LC) hin, die zeige, wie der PR-Verband „Zukunft Gas“ systematisch darauf hinwirke, Gas als sauberen Energieträger zu positionieren. Mit einem Budget von zehn Millionen Euro im Jahr und besten Verbindungen in die Politik sei der Verband „ein mächtiger Player“. So habe Zukunft Gas bereits erreicht, dass die Bundesregierung mit Flüssiggas betriebene Lkw subventioniere, obwohl es starke Zweifel am Klimanutzen aufgrund des CO2-Ausstoßes gebe.
*Schon am 04.10.2020 publizierte Investigate Europe (u.a. im Berliner Tagesspiegel) eine ausführliche Recherche von Nico Schmidt und Harald Schumann: Der Ausbau der Erdgas-Infrastruktur gefährde die europäischen Klimaziele und verschwende Milliarden Euro an Steuergeldern. Ursache sei die enge Verflechtung von Politik und Industrie. Die Kommission habe mehrfach den Bedarf an Gas überschätzt, rügte der Europäische Rechnungshof (Quelle: solarify.eu/geschaeftsinteressen-vor-gemeinwohl-und-klimaschutz).
Über 130 Mitglieder aus der Gasbranche, ein Budget von 10 Mio Euro jährlich, enge Verbindungen in die Politik – „Zukunft Gas“ ist laut LC ein PR-Verband, der im Auftrag der Gasindustrie die vermeintlich positive Rolle des fossilen Brennstoffs in der Klimapolitik bewirbt. Seine Arbeit zahle sich für die Branche aus: „Wie Lastkraftwagen in Zukunft möglichst CO2-frei über die Autobahnen rollen sollen, ist umstritten. Wasserstoff, Batterie, Oberleitungen? Hier scheiden sich noch die Geister. Fürs erste jedenfalls subventioniert die Bundesregierung verflüssigtes Erdgas (Liquid Natural Gas oder LNG genannt) als eine Antriebsvariante für Lkw. Der Bundestag hat im Frühjahr 2020 dafür gestimmt, dass LNG-betriebene Lkw von der Autobahnmaut befreit werden.“
Aber der Klimanutzen von LNG als Lkw-Treibstoff ist unter Fachleuten zweifelhaft. Dem UBA oder der NGO Transport & Environment zufolge lohne sich die Subventionierung von LNG für Lkw nicht, weil es nur geringfügig klimafreundlicher sei als Diesel. Das UBA habe dementsprechend auch empfohlen, die Mautbefreiung auslaufen zu lassen. Der Empfehlung sei aber nicht gefolgt worden. Auch sei das LNG deshalb umstritten, weil es sich häufig um besonders teures und umweltschädliches Fracking-Gas aus den USA handle.
LC: „Warum kam es trotzdem zu dieser Entscheidung? Die Gasindustrie hat sie selbst mit aus der Taufe gehoben. Und sie profitiert massiv: Eigenen Angaben zufolge hat sich der Absatz des Kraftstoffs von 2019 bis 2020 verdreifacht. Eine wichtige Rolle spielt dabei der PR-Lobbyverband der Gasindustrie ‚Zukunft Gas‘, der mehr als 130 Unternehmen der Gaswirtschaft hinter sich vereint.“ Um dessen Entstehung nachzuvollziehen, müsse man einige Jahre zurück gehen: 2010 verlängerte die Bundesregierung die Laufzeiten für die Atomkraftwerke und wies ihnen die Rolle als „Brückentechnologie“ ins Zeitalter der erneuerbaren Energien zu. „Dazu ist es bekanntlich nicht gekommen. Eine andere Branche sah sich jedoch damals in den Energiekonzepten der Bundesregierung außen vor: Die Gaswirtschaft.“
Die sah sich damals „in die Schmuddelecke gedrängt“. Um die Interessen der verschiedenen Gasunternehmen zu bündeln, wurde 2013 die Initiative Zukunft Erdgas (heute: Zukunft Gas) aus der Taufe gehoben: Das Image von (Erd-)Gas sollte als grün und nachhaltig geprägt werden, indem entsprechender Einfluss auf die Ausrichtung der Energiewende ausgeübt wurde. Die Sorge um die Zukunft ihres fossilen Geschäftsmodells trieb die Gaswirtschaft dabei nicht nur in Deutschland um. In den vergangenen Jahren wurden in Brüssel zahlreiche Gas- und Wasserstoffverbände gegründet, PR-Agenturen haben dabei eine wichtige Rolle gespielt.
Zukunft Gas: „ein hochprofessioneller PR-Verband“
Diese PR-Agenturen hätten der Gasbranche „einen kräftigen grünen Anstrich verpasst“. Die habe denn auch in den vergangenen zehn Jahren in Brüssel, Deutschland und anderen EU-Staaten vom Stiefkind am Katzentisch einen steilen Aufstieg hingelegt. Mittels professioneller Lobbyarbeit will sie mit angeblich „klimaneutralen Gasen“ zur dritten Säule der Energiewende werden. Lobby Control: „Im BMWi ist sie mit dieser Strategie auf offene Ohren gestoßen. Das Ministerium ist bekannt dafür, den Ausbau der erneuerbaren Energien auszubremsen. Zugleich hat es die Gasindustrie entscheidend unterstützt: Mit der Gasstrategie 2030 bescheinigte Peter Altmaier Deutschland einen steigenden Gasbedarf und forderte den Ausbau von Gasinfrastruktur. Dabei stützte er sich Recherchen der Deutschen Umwelthilfe zufolge auf eine Studie im Auftrag der Nord Stream 2 AG. Bei der Wasserstoffstrategie wollte sein Ministerium blauen und grünen Wasserstoff (hier mehr zur Wasserstoff-Farbenlehre) gemeinsam als CO2-frei gleichstellen und ihn in möglichst allen Bereichen einsetzen – ganz wie die Gasindustrie dies fordert.“
Kernaufgaben von Zukunft Gas seien werbewirksame Greenwashing-Nachrichten über Gas. So lege Zukunft Gas Kampagnen auf oder gebe Studien in Auftrag, und betreibt direkt an an Verbraucher oder Heiztechnik-Hersteller gerichtete Kampagnen. Im Herbst 2016 habe Zukunft Gas eine Kampagne zu den Klimazielen 2020 lanciert. LC: „Das Bild: Der Bundestag vom Meer umspült und in dunkle Wolken gehüllt. Die Botschaft: Ohne Gas erreichen wir die Klimaziele 2020 nicht. Die Politik dürfe nicht länger die immensen Potenziale ignorieren, die Erdgas für eine erfolgreiche Energiewende biete, z.B. als effiziente Heizenergie oder als Kraftstoff für PKW und LKW. Ein LNG-Truck fuhr durchs politische Berlin und machte diese Botschaft überall bekannt, auch auf Plakaten und Anzeigen wurde geworben.“
Der Verband wirbt inzwischen massiv für die Rolle von Wasserstoff im Klimawandel. Die nationale Wasserstoffstrategie bezeichnet er als entscheidenden Wendepunkt der deutschen Energiepolitik,allerdings für blauen Wasserstoff. Dessen angebliche Klimaneutralität ist aber inzwischen mehr als umstritten, so dass die Regierung sich inzwischen davon abgewandt hat. Dessen ungeachtet macht Zukunft Gas weiter Druck für die Produktion von aus Erdgas hergestelltem blauen Wasserstoff, bei der das CO2 abgetrennt und auf Dauer im Untergrund gelagert werden soll (CCS). LC: „Ohne diese Förderung, so droht Zukunft Gas, würden Investitionen in die Wasserstoffproduktion aus Wettbewerbsgründen ins Ausland verlagert, wo derlei Technologiebeschränkungen nicht bestehen. Derartige Drohszenarien sind eine häufig genutzte Lobbystrategie. Auch will Zukunft Gas Wasserstoff möglichst überall einsetzen, auch für das Heizen in privaten Wohnungen oder eben im Verkehr. Dies schlug sich ebenfalls im ersten Entwurf des BMWi für eine nationale Wasserstoffstrategie nieder. Dabei betonen Experten wie der Sachverständigenrat für Umweltfragen – ein wissenschaftliches Beratungsorgan der Bundesregierung – dass Wasserstoff wegen seiner Ineffizienz auf Branchen beschränkt werden sollte, in denen der Einsatz langfristig erforderlich ist, wie die chemische Industrie oder die Stahlindustrie. Die Bundesregierung hatte das eigentlich in ihrer Wasserstoffstrategie anerkannt, aber die Gasindustrie lässt nicht locker. Derzeit läuft bei Zukunft Gas die Veranstaltungsreihe ‚Bei Wasserstoff voll aufdrehen‘.
Unterstützung von „wissenschaftlichen“ Studien
Um das Bild vom sauberen Gas zu belegen, gibt Zukunft Gas Untersuchungen in Auftrag. Ein Beispiel: Besonders umstritten sei eine solche Studie der DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH in Auftrag von Zukunft Erdgas aus dem Jahr 2016 gewesen, die den CO2-Fußabdruck von Erdgas für den Zeitraum 2015 – 2018 errechnete. Sie kam auf deutlich niedrigere Werte als eine Studie im Auftrag der EU-Kommission aus dem Jahr 2015. Als Quelle für die Methan-Leckagen aus Russland wurde dabei der russische Energiekonzern Gazprom vom DBI benannt (!).
->Quelle und weiterlesen:
- lobbycontrol.de/wie-ein-pr-lobbyverband-der-gasindustrie-die-deutsche-klimapolitik-verwaessert
- zukunft-erdgas.mynewsdesk.com/streitthema-blauer-wasserstoff-mehrheit-der-deutschen-wirtschaftsentscheider-unterstuetzt-temporaeren-einsatz
- zukunft-erdgas.mynewsdesk.com/ipcc-bericht-brancheninitiative-zukunft-gas-fordert-schnelleren-kohleausstieg