Zulieferindustrie stärken, Fertigungs- und Qualitätssicherungsverfahren für Brennstoffzellen entwickeln
Die Stuttgarter Landesregierung unterstützt mit dem Forschungsprojekt „HyFab Baden-Württemberg“ Vorhaben von Wissenschaft, Industrie und Politik, Brennstoffzellenprodukte serientauglich und damit günstiger zu machen. Das Land verspricht sich darüber hinaus wichtige Erkenntnisse für die Mobilitätswende und für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Automobilwirtschaft. Das Projekt „HyFaB-Baden-Württemberg – Forschungsfabrik für Brennstoffzellen und Wasserstoff“ soll die Zulieferindustrie stärken und ein offenes, flexibles Angebot schaffen, um automatisierte Fertigungs- und Qualitätssicherungsverfahren für Brennstoffzellen entwickeln und erproben zu können.
Hochleistungsbrennstoffzellen-Stacks sind komplexe Konstruktionen: hunderte von Einzelzellen, bestehend aus Membran-Elektroden-Einheiten (MEAs) mit 10 Mikrometer dünnen Membranen, müssen mit Bipolarplatten mit knapp 1 Millimeter Bauhöhe und filigranen Gasverteilerstrukturen plus den Gasdiffusionslagen aus porösem Kohlefaservlies aufeinander abgestimmt und zu einem Stapel zusammengefügt werden. Im Projekt HyFaB soll die für die Großserienproduktion notwendige, neue und automatisierte Fertigungstechnologie entwickelt werden. Die Schaffung der dazugehörigen, standardisierten Qualitätsmethoden ist wesentlich für den Aufbau einer schlagkräftigen Zulieferindustrie und eines kompetenten Maschinenbaus. Auch die Ausbildung von Fachkräften wird ein wichtiger Bestandteil des Projektes sein.
Um die Mobilität von morgen klimaneutral und möglichst emissionsfrei zu gestalten, will das Land aber nicht ausschließlich auf batterieelektrische Fahrzeuge setzen. Der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie wird insbesondere bei Zügen, Bussen, Transportern und im LKW-Verkehr eine tragende Rolle zukommen. Außerdem lassen sich Fahrzeuge nicht nur schneller auftanken, sondern erreichen auch noch höhere Reichweiten.
In Zusammenarbeit mit Ekpo Fuel Cell Technologies realisiert das ZSW aktuell einen generischen Brennstoffzellenstack als vorwettbewerbliche und herstellerunabhängige Entwicklungsplattform. Größe, Design und Leistungsdichte werden den heute im Automobilbereich eingesetzten Brennstoffzellensystemen entsprechen. Seine Komponenten sollen ab Mitte 2022 für Forschungsprojekte und für Unternehmen verfügbar sein. „Brennstoffzellen standen schon vor zwanzig Jahren kurz vor der Markteinführung. Sie sind damals jedoch primär an der Verfügbarkeit von Wasserstoff gescheitert. Das ändert sich jetzt mit dem European Green Deal und der Deutschen Wasserstoffstrategie grundlegend“, sagt Markus Hölzle, ZSW-Vorstand und Leiter des Geschäftsbereichs Elektrochemische Energietechnologien in Ulm. Nun muss auch die Brennstoffzelle schnell industrialisiert werden, damit sie in großen Stückzahlen bei geringen Kosten im Markt verfügbar wird. Das ist das Ziel des neuen ZSW-Projekts im Rahmen von HyFaB. „Mit dem ‚generischen Brennstoffzellenstack‘ entsteht eine Art Universalwerkzeug für die technologische Weiterentwicklung der Brennstoffzelle. Zusätzlich können wir mittelständischen Unternehmen dann auch Komponenten oder ganze Brennstoffzellen für ihre eigene Produktentwicklung in die Hand geben“, so Hölzle.
Der Grund für das vorwettbewerbliche Angebot an die Industrie: Die Entwickler von kommerziellen Brennstoffzellensystemen legen ihre Betriebsdaten oder Materialzusammensetzungen in der Regel nicht offen und stellen auch keine Brennstoffzellenkomponenten zur Verfügung. Dies erschwert jedoch den Markteintritt für die meist mittelständischen Zulieferer. Mit dem generischen Brennstoffzellenstack wird dieser Engpass behoben, da Betriebsdaten und Komponenten für alle Interessenten verfügbar sein werden. Wie dieser für alle nutzbare Stack aussehen soll, hat das ZSW in einem Vorprojekt mit dem Forschungsverbund Verbrennungskraftmaschinen (FVV) in einem Arbeitskreis mit Fachleuten aus der Automobil- und Zulieferindustrie erarbeitet.
Von der Skizze zur Hardware
Das Stack-Konzept ist bis zu einer maximalen Leistung von 150 Kilowatt ausgelegt. Hierfür bedarf es 500 Einzelzellen mit jeweils zwei Bipolarplatten aus Metall, um diesen generischen Brennstoffzellenstack aufzubauen. Der Vorteil von metallischen Bipolarplatten liegt darin, dass sie mit umformenden Produktionsverfahren herstellbar sind und dadurch hohe Stückzahlen bei geringen Taktzeiten ermöglichen. Produktionstechnisch herausfordernd sind allerdings die dünnen Wandstärken von nur einem Zehntel Millimeter bei einer Länge von über 40 Zentimetern pro Platte.
Die Bipolarplatten sind entscheidende Bauteile einer Brennstoffzelle: Auf den beiden Außenseiten, der sog. Kathode und Anode, sorgen sie für die gleichmäßige Verteilung von Wasserstoff und Luftsauerstoff. Parallel wird über die Innenseite der Platten das Kühlwasser geleitet. Dies erfolgt über äußerst filigrane Kanal- und Steggeometrien sowie ein Verteiler- und Dichtungskonzept. Diese Strukturen werden mittels numerischer Strömungsmechanik (CFD) simuliert und optimiert.
„Die Teilnahme in diesem Leuchtturmprojekt, der enge Kontakt zu institutioneller Forschung mit dem ZSW und das damit gewonnene Wissen zu Serienproduktionsprozessen bietet einen echten Mehrwert für uns. Vor allem das hochinteressante Netzwerk von HyFaB zur Brennstoffzellenstackfertigung, beispielsweise mit dem ZSW oder eben auch mit dem Fraunhofer Institut ISE in Freiburg mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung in der Brennstoffzellenforschung, ist enorm wichtig für die Automobil- und Industriestandorte Baden-Württemberg, Deutschland und Europa. Die enge Zusammenarbeit mit den an der HyFaB mitwirkenden Anlagenbauern eröffnet uns spannende neue Chancen“, so Ekpo-CCO Julien Etienne.
Umweltministerium fördert Projekt mit 7,9 Millionen Euro
Um die Forschungsfabrik HyFab in Ulm verwirklichen zu können, ist ein Investitionsvolumen von etwa 74 Millionen Euro nötig. Das Umweltministerium fördert das Projekt mit knapp 7,9 Millionen Euro im Rahmen des Strategiedialogs Automobilwirtschaft Baden-Württemberg. Insgesamt wird die Landesregierung bis zu 18,5 Millionen Euro bereitstellen. Die Förderung wird zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium aufgeteilt. Die Industrie soll mit etwa 20 Millionen Euro einsteigen, auch der Bund will sich an der Anteilsfinanzierung beteiligen. Projektträger sind das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg (ZSW) und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE). Am 10. Februar 2021 fand der Spatenstich für die Errichtung des Gebäudes der künftigen Forschungsfabrik statt.
->Quellen:
- zsw-bw.de/ueber-uns/standorte.html#c583
- zsw-bw.de/projekt/h2-und-brennstoffzellen/hyfab-forschungsfabrik-fuer-brennstoffzellen.html
- erneuerbareenergien.de/offene-plattform-fuer-die-industrie-entwickelt-brennstoffzellenstack
- solarify.eu/hyfab-forschungsprojekt-fuer-brennstoffzellenproduktion-im-grossmassstab