Luftverschmutzung größtes umweltbedingtes Gesundheitsrisiko

Ärztezeitung: Bereits wenige Luftschadstoffe steigern Infarktrisiko

Wissenschaftler wissen es längst: Feinstaub, Stickoxide, Ruß und Ozon begünstigen schon in kleinen Mengen Schlaganfälle und koronare Herzkrankheiten, so die Ärztezeitung am 19.09.2021 – kurz bevor die WHO neue Grenzwerte für die Luftverschmutzung verkünden will. Klimawandel und Luftverschmutzung haben gemeinsame Ursachen und schaden damit mehrfach der Gesundheit, so die Deutsche Allianz Klimwandel und Gesundheit (KLUG), die eine HZM-Studie zitiert.

Dampf, Rauch und CO2 im Berliner Nordwesten – Müllverbrennung und Kraftwerk Reuter West (laut UBA pro Jahr 2,5 Mio. t CO2, 2.000 t NOx, 57 t Feinstaub, 32 kg Arsenverbindungen, 13,6 kg Hg)  – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Verbrennung fossiler Energien beförderten nicht nur die Erderwärmung, sondern auch schlechte Luftqualität, so die Allianz. Vorzeitige Todesfällen, eine Zunahme von Herz-Kreislauf-, Atemwegs- und Krebserkrankungen seien die Folge. Emissionen aus der Industriellen Landwirtschaft und Tierhaltung tragen ebenfalls zur Krankheitslast bei.

Forschende des Helmholtz Zentrums München (HZM) und des Karolinska Instituts in Schweden haben gemeinsam mit einem europäischen Team in einer großen Studie nachgewiesen, dass Luftverschmutzung am Wohnort mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfall und  (KHK) verbunden sein kann, selbst wenn die Werte unter den von der Europäischen Union und der Weltgesundheitsorganisation festgelegten Grenzwerten liegen.

„Unsere Ergebnisse zeigen auf, dass die derzeitigen Luftqualitätsrichtlinien keinen ausreichenden Schutz bieten“, sagt Annette Peters, Direktorin am Institut für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München, Leiterin einer in Lancet publizierten Studie auf deutscher Seite.

Die Studie, eine große europäische Zusammenarbeit, umfasst mehr als 137.000 Teilnehmende aus sechs verschiedenen Kohorten in Schweden, Dänemark, den Niederlanden und Deutschland, die durchschnittlich 17 Jahre lang beobachtet wurden. Die Forschenden untersuchten, ob ein Zusammenhang zwischen Schlaganfall oder akuter koronarer Herzkrankheit und einer längeren Exposition gegenüber Feinstaub (Partikel mit einer Masse von weniger als 2,5 Mikrometern Durchmesser, PM2,5), Stickstoffdioxid (NO2), Ruß und Ozon (O3) besteht.

„Wir haben festgestellt, dass das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, mit jedem Anstieg von 5 Mikrogramm pro Kubikmeter (Feinstaub) in der Luft an Ihrem Wohnort um 10 Prozent zunimmt. Unsere Studie zeigt, dass dies bedeutet, dass die Luftverschmutzung in städtischen Gebieten zum Schlaganfallrisiko beiträgt, selbst wenn man den Lärm berücksichtigt“, sagt Kathrin Wolf, die Erstautorin der Studie.

Ein solcher Zusammenhang wurde auch für Stickstoffdioxid und Ruß beobachtet. Zu dem führte jede langfristige Erhöhung des Stickstoffdioxidgehalts in der Luft um 10 Mikrogramm pro Kubikmeter μg/m3 führte zu einem Anstieg des Risikos für koronare Herzkrankheiten um 4 Prozent.

Die Forschenden konnten keine sicheren Schwellenwerte ermitteln, unterhalb derer die Luftverschmutzung für die Herz-Kreislauf-Gesundheit unschädlich ist. Die negativen Auswirkungen von Feinstaub und Stickstoffdioxid wurden auch dann festgestellt, wenn die Analysen auf Teilnehmende beschränkt wurden, die Werten unterhalb der von der WHO und der EU festgelegten Grenzwerte ausgesetzt waren (10 bzw. 25 μg/m³ für PM2,5 und 40 μg/m³ für NO2). „Dies ist besorgniserregend und zeigt, wie wichtig gute Luftqualität ist, da sie Krankheiten mit nachhaltigen Folgen für die Lebensqualität wie einen Schlaganfall verhindern kann“, sagt Annette Peters.

70.000 – 125.000 vorzeitige Todesfälle jährlich

In Deutschland, Europa und global ist Luftverschmutzung das größte umweltbedingte Risiko für die Gesundheit. Laut Schätzungen führt schlechte Luftqualität in Deutschland zu 70.000 – 125.000 vorzeitigen Todesfällen jährlich. Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sterben jedes Jahr 7 Millionen Menschen weltweit durch Feinstaub und andere Luftschadstoffe.

Neue Studien zeigen Gesundheitsschäden bei Kindern auch bei niedrigen Schadstoffkonzentrationen und verweisen auf Schäden für die gesunde Entwicklung von Kindern, die bereits im Mutterleib beginnen können. Die Folgen zeigen sich oft erst Jahrzehnte später und bedingen ein lebenslang erhöhtes Risiko für chronische Krankheiten. Dabei sei diese Gesundheitslast durch menschenverursachte Luftverschmutzung weitgehend vermeidbar.

Immer mehr Gesundheitsorganisationen und -experten weisen auf den Zusammenhang zwischen Klimakrise, Luftverschmutzung und Gesundheitsauswirkungen hin. Das Positionspapier der KLUG-AG Saubere Luft leitet aus diesen Zusammenhängen Handlungsempfehlungen ab, die Gesundheit, Luftverschmutzung, Umweltkrise und Klimaschutz in Ihren Wechselbeziehungen adressieren. Angesichts der bedrohlichen Krisen und ihrer Risiken für die Gesundheit haben Ärzte und der Gesundheitssektor eine gesellschaftliche und berufliche Verantwortung für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und intakter Ökosysteme (planetare Gesundheit), von denen Gesundheit, Wohlergehen und wirtschaftliche Prosperität entscheidend abhängen und die von der Klima- und Umweltkrise existenziell bedroht sind.

WHO plant neue Leitlinie zur Luftqualität

Die Forscher konnten keine sicheren Schwellenwerte ermitteln, unterhalb derer die Luftverschmutzung für die Herz-Kreislauf-Gesundheit unschädlich ist. Die negativen Auswirkungen von Feinstaub und Stickstoffdioxid wurden auch dann festgestellt, wenn die Analysen auf Teilnehmende beschränkt wurden, die Werten unterhalb der von der WHO und der EU festgelegten Grenzwerte ausgesetzt waren (10 bzw. 25 μg/m³ für PM2,5 und 40 μg/m³ für NO2).

„Dies ist besorgniserregend und zeigt, wie wichtig gute Luftqualität ist, da sie Krankheiten mit nachhaltigen Folgen für die Lebensqualität wie einen Schlaganfall verhindern kann“, sagt Peters. Die WHO wird in Kürze neue Leitlinien für die Luftqualität vorlegen.

->Quellen: