Beispielloser Anstieg von Hitzerekorden und Extremregen in Beobachtungsdaten
Die Häufigkeit von Hitzerekorden hat in den letzten zehn Jahren um das 90-fache zugenommen, im Vergleich zu 1951-1980. Das haben u.a. Forschende vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in Beobachtungsdaten festgestellt. Die monatlichen, sogenannten 3-Sigma-Ereignisse – Hitzewellen, die stark von dem abwichen, was in einer bestimmten Region normal sei – beträfen inzwischen im Durchschnitt etwa 9 Prozent der gesamten Landfläche. Auch Regenextreme hätten zugenommen; im Durchschnitt könne einer von vier rekordhohen Tagesniederschlägen im letzten Jahrzehnt auf den Klimawandel zurückgeführt werden. Schon heute seien Extremereignisse, die mit dem vom Menschen verursachten Klimawandel zusammenhingen, auf einem noch nie dagewesenen Niveau, erklären die Forschenden. Und sie erwarten eine weitere Zunahme der Wetterextreme.
„Noch stärker ist die Veränderung bei den Extremereignissen, die wir als 4-Sigma-Ereignisse bezeichnen, und die es vorher praktisch nicht gab – hier sehen wir sogar eine Zunahme um das 1000-fache im Vergleich zum Referenzzeitraum. Sie betrafen 2011-20 in jedem Monat etwa 3 Prozent der globalen Landfläche“, sagt der Hauptautor der Studie Alexander Robinson von der Complutense-Universität Madrid und dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Dies bestätigt frühere Ergebnisse, allerdings mit immer höheren Zahlen. Wir erleben jetzt Extreme, die ohne den Einfluss der menschgemachten globalen Erwärmung praktisch unmöglich wären.“ Der Begriff ‚Sigma‘ beziehe sich auf das, was Forschende eine Standardabweichung nennen.
Das Jahr 2020 habe zum Beispiel sowohl in Sibirien, als auch in Australien lang anhaltende Hitzewellen gebracht, die in beiden Regionen zu verheerenden Waldbränden führten. Beide Ereignisse hätten dazu geführt, dass ein lokaler Notstand ausgerufen werden musste. Im Jahr 2021 hätten die Temperaturen in Teilen der USA und Kanadas mit fast 50 °C lebensbedrohliche Werte erreicht. Weltweit hätten rekordstarke Hitzeextreme in den tropischen Regionen am meisten zugenommen, da die Tropen normalerweise eine geringe Variabilität der monatlichen Temperaturen aufweisen. Wo die Schwankungsbreite normalerweise gering sei, könnten schon vergleichsweise geringe Verschiebungen zu Rekorden führen. Weil die Temperaturen jedoch insgesamt weiter stiegen, würden Hitzerekorde durch den menschgemachten Klimawandel auch in nördlichen Regionen mit ihrer größeren natürlichen Variabilität immer häufiger auftreten, so die Forschenden.
Einer von vier Regenrekorden ist auf den Klimawandel zurückzuführen
Auch die täglichen Niederschlags-Spitzenwerte hätten zugenommen. Im Vergleich zu dem, was in einem Klima ohne globale Erwärmung zu erwarten wäre, sei die Zahl der Regenrekorde um etwa 30 Prozent gestiegen. Dies bedeute, dass einer von vier Rekorden bereits auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurückzuführen sei. Die Physik dahinter werde durch die Clausius-Clapeyron-Gleichung erklärt: Luft kann pro Grad Celsius Erwärmung 7 Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen.
Wichtig sei dabei, dass in bereits trockenen Regionen wie dem westlichen Nordamerika und Südafrika ein Rückgang rekordstarker Regenfälle zu verzeichnen sei, während in feuchten Regionen wie Mittel- und Nordeuropa eine starke Zunahme zu beobachten sei. Generell würden zunehmende Niederschlagsextreme Dürreprobleme nicht vermindern, warnen die Wissenschaftler.
Geringer Temperaturanstieg, unverhältnismäßig große Folgen
Vergleiche man die neuen Daten mit dem bereits ziemlich extremen vorangegangenen Jahrzehnt 2000-2010, so sehe man, dass sich die von Hitzeextremen der 3-Sigma-Kategorie betroffene Landfläche in etwa verdoppelt habe. Derart starke Abweichungen, die zuvor praktisch nie aufgetreten seien, – die 4-Sigma-Ereignisse -, tauchten in den Beobachtungen neu auf. Die Regenrekorde hätten 2011-2020 gegenüber 2000-2010 um 5 Prozentpunkte zugenommen. Die scheinbar geringe Erwärmung in den letzten zehn Jahren von nur 0,25°C habe also die Klimaextreme bereits erheblich ansteigen lassen, so die ernüchternde Erkenntnis der Studie.
„Diese Daten zeigen, dass die Extreme jetzt weit außerhalb der historischen Erfahrung liegen. Extreme Hitze und extremer Regen nehmen überproportional zu“, sagt Ko-Autor Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Unsere Analyse bestätigt einmal mehr, dass es bei den Auswirkungen der globalen Erwärmung auf uns Menschen wirklich auf jedes Zehntel Grad ankommt.“
Link zum Artikel:
Alexander Robinson, Jascha Lehmann, David Barriopedro, Stefan Rahmstorf, Dim Coumou (2021): Increasing heat and rainfall extremes now far outside the historical climate. npj climate and atmospheric science[doi: 10.1038/s41612-021-00202-w]
->Quelle: PIK-Potsdam.de/de/beispielloser-anstieg-von-hitzerekorden-und-extremregen-in-beobachtungsdaten