Kritische Durchsicht
Für die Erstellung des Projektionsberichtes 2021 hat ein Forschungskonsortium im Auftrag des Umweltbundesamtes und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit ein Szenario für die Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland für den Zeitraum 2021 bis 2040 erarbeitet. Der Projektionsbericht ist mit den betroffenen Bundesministerien abgestimmt. Damit würden die Klimaziele der Bundesregierung verfehlt, so eine kritische Durchsicht, die das Öko-Institut mit weiteren Wissenschaftsinstitutionen durchgeführt hat.
Aus der Medienmitteilung des BMU
„Mit dem Projektionsbericht 2021 erfüllt die Bundesregierung eine europarechtliche Pflicht. Der Bericht orientiert sich weitestgehend an den von der EU-Kommission Mitte 2020 empfohlenen Rahmenparametern. Er berücksichtigt nur die bis zum 31.08.2020 beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen. Der Projektionsbericht beinhaltet insbesondere die Maßnahmen des am 03.12.2014 von der Bundesregierung beschlossenen „Aktionsprogramms Klimaschutz 2020“ inklusive der Maßnahmen des Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz (NAPE) und die Maßnahmen des Klimaschutzprogramms 2030, das am 09.10.2019 beschlossen worden war. Hinzu kommen einzelne zusätzliche Maßnahmen aus der am 18.12.2019 vom Bundeskabinett verabschiedeten Energieeffizienzstrategie 2050, die über das Klimaschutzprogramm 2030 hinausgehen, sowie die treibhausgasrelevanten Maßnahmen aus dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung vom 3. Juni 2020.
Projektionen können reale dynamische Entwicklungen nicht abbilden, sondern basieren methodisch bedingt auf Rahmendaten und Annahmen. Durch den frühen Stichtag Ende August 2020 ist daher die Aussagekraft des Projektionsberichts 2021 mit Blick auf 2030 eingeschränkt. Insbesondere sind seither im nationalen und internationalen Klimaschutz Beschlüsse von großer Tragweite gefasst worden, die der Bericht nicht abbilden kann.
Wesentliche Entwicklungen, die sich seit dem Berichts-Stichtag ergeben haben und im Projektionsbericht nicht mehr oder nur eingeschränkt berücksichtigt werden konnten, sind zum Beispiel der seit Anfang des Jahres stark gestiegene Zertifikate-Preis im Europäischen Emissionshandel ETS, der im Projektionsbericht im Basisszenario wie von der EU-Kommission empfohlen noch mit 30 Euro für das Jahr 2030 angenommen wird, der aber heute bereits bei rund 60 Euro steht. Hintergrund ist das Ende 2020 beschlossene EU-Klimagesetz mit dem erhöhten und verbindlichen EU-Klimaziel. Dessen Umsetzung in konkrete Maßnahmen (Fit for 55-Paket) wird derzeit verhandelt. Es wird darum ebenso wenig im Projektionsbericht abgebildet wie die Novelle des Klimaschutzgesetzes von 2021, mit der die Anhebung des deutschen Klimaziels bis 2030 auf 65 Prozent verabschiedet wurde, und die weitere Maßnahmen erforderlich machen wird.“
Öko-Institut: Klimaschutz stärken
Mit den Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung können die Treibhausgasemissionen in Deutschland um 49 Prozent bis 2030 und um 67 Prozent bis 2040 gegenüber 1990 sinken. Das Bundes-Klimaschutzgesetz schreibt jedoch Minderungsziele von 65 Prozent bis 2030 und 88 Prozent bis 2040 vor – Deutschland verfehlt damit seine Klimaschutzziele in den beiden kommenden Dekaden, sofern nicht zusätzliche Maßnahmen zur Senkung der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen getroffen werden.
Zu diesem Schluss kommt der jetzt veröffentlichte Projektionsbericht 2021 der Bundesregierung gemäß den Vorgaben der Europäischen Union, den das Öko-Institut mit weiteren Wissenschaftsinstitutionen durchgeführt hat. Darin werten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein sogenanntes „Mit-Maßnahmen-Szenario“ – also ein Szenario mit allen Klimaschutzmaßnahmen, die bis Ende August 2020 beschlossen wurden – im Zeitraum 2021 bis 2040 aus und beschreiben detailliert die Emissionsentwicklung in Deutschland.
Emissionsminderung nach Sektoren
Der Projektionsbericht zeigt, dass die Emissionen in den verschiedenen Sektoren unterschiedlich stark sinken. Hauptanteil an den Reduktionen hat die Energiewirtschaft mit dem Rückgang der Stromerzeugung aus Kohle, der CO2-Bepreisung im EU-Emissionshandel und dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Daneben trägt auch der abnehmende Wärmebedarf im Gebäudesektor durch Sanierungsmaßnahmen und der Ausbau der Elektromobilität zur Emissionsminderung bei.Die Entwicklung der Emissionen in den wichtigsten Sektoren im Detail:
- Energiewirtschaft: Die Emissionen sinken bis 2030 auf 193 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (Mio. t CO2e), bis 2040 auf 75 Mio. t CO2e. Das entspricht einer Minderung um 58 Prozent bis 2030 und 84 Prozent bis 2040 ggü. 1990 – statt der im Klimaschutzgesetz angestrebten 77 Prozent bis 2030 (108 Mio. t CO2e).
- Industrie: Die Emissionen sinken bis 2030 auf 155 Mio. t CO2e, bis 2040 auf 139 Mio. t CO2e. Das entspricht einer Minderung um 45 Prozent bis 2030 und 51 Prozent bis 2040 ggü. 1990 – statt der im Klimaschutzgesetz angestrebten 58 Prozent bis 2030 (118 Mio. t CO2e).
- Gebäude: Die Emissionen sinken bis 2030 auf 91 Mio. t CO2e, bis 2040 auf 50 Mio. t CO2e. Das entspricht einer Minderung um 57 Prozent bis 2030 und 76 Prozent bis 2040 ggü. 1990 – statt der im Klimaschutzgesetz angestrebten 68 Prozent bis 2030 (67 Mio. t CO2e).
- Verkehr: Die Emissionen sinken bis 2030 auf 126 Mio. t CO2e, bis 2040 auf 79 Mio. t CO2e. Das entspricht einer Minderung um 23 Prozent bis 2030 und 52 Prozent bis 2040 ggü. 1990 – statt der im Klimaschutzgesetz angestrebten 48 Prozent bis 2030 (85 Mio. t CO2e).
„Der Bericht zeigt deutlich, dass bestehende Instrumente nachgeschärft und neue entwickelt werden müssen, um die Klimaziele zu erreichen“, fasst Dr. Ralph O. Harthan, Senior Researcher im Institutsbereich Energie & Klimaschutz, zusammen.
Untersuchungsrahmen des Projektionsberichts
Der Projektionsbericht berücksichtigt bis Ende August 2020 beschlossene Klimaschutzmaßnahmen – also alle Maßnahmen des Klimaschutzprogramms 2030 sowie relevante Maßnahmen aus dem Corona-Konjunkturprogramm 2020. Änderungen in der Gesetzeslage durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2021 sowie aktualisierte Rahmendaten, wie die Preise für CO2-Verschmutzungsrechte, wurden aufgrund des zeitlichen Vorlaufs für die Modellierung nicht berücksichtigt.
Eine Sensitivitäts-Rechnung zeigt jedoch, dass bei deutlich höheren Preisen für CO2-Verschmutzungsrechte die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 51 Prozent gegenüber 1990 sinken. Dennoch wird selbst in diesem Fall das Minderungsziel von 65 Prozent deutlich verfehlt.
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