Messner zur aktualisierten Ausgabe 2021: „Aus umweltschädlichen Subventionen schrittweise sozial-ökologische Investitionen machen“
Der Abbau von Steuervergünstigungen für Pkw- und Agrardiesel, die private Nutzung fossiler Dienstwagen und landwirtschaftliche Fahrzeuge sowie bei der Entfernungspauschale würde der öffentlichen Hand Mehreinnahmen im zweistelligen Milliardenbereich bringen. Das zeigt die aktualisierte und am 28.10.2021 veröffentlichte Untersuchung des Umweltbundesamtes (UBA) umweltschädlicher Subventionen aus dem Jahr 2018. Die genannten Subventionen lassen sich national abschaffen. Weitere zwölf Milliarden Euro entfallen auf Steuervergünstigungen für Kerosin und die Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge. Dies müsste einer UBA-Medienmitteilung folgend allerdings auf europäischer Ebene angegangen werden.
Der Bericht gibt einen Überblick über die umweltschädlichen Subventionen in Deutschland und macht Vorschläge zu ihrer Reform bzw. ihrem Abbau. Es werden Subventionen in den Blick genommen, die negativ auf die Umweltgüter ?Klima?, Luft, Boden, Wasser, Artenvielfalt und Landschaft sowie auf Gesundheit und Rohstoffverbrauch wirken. Der Bericht analysiert Subventionen und ihre Umweltwirkungen in den Bereichen Energiebereitstellung und -nutzung, Verkehr, Bau- und Wohnungswesen sowie im Bereich Land- und Forstwirtschaft, Fischerei. Er konzentriert dabei sich auf die wichtigsten Subventionen des Bundes und betrachtet Förderprogramme auf Landes- und kommunaler Ebene nur am Rand.
Rund 65,4 Mrd. EUR umweltschädlich: Trotz dieses Handlungsdrucks ist Deutschland von einer nachhaltigen Haushaltspolitik, die den Umwelt-und Klimaschutz systematisch fördert und Umweltschutzbelange bei allen staatlichen Einnahme- und Ausgabeentscheidungen systematisch berücksichtigt, noch weit entfernt. Vielmehr zeigt sich ein eklatanter Widerspruch: Einerseits hat der Staat in den letzten Jahren die Finanzhilfen und Steuervergünstigungen für den Umwelt-und Klimaschutz massiv gesteigert. Laut dem jüngsten Subventionsbericht der Bundesregierung werden „zwei Drittel des Volumens der Finanzhilfen für klima-und umweltfreundliche Maßnahmen bereitgestellt: Für das Jahr 2021 weisen Finanzhilfen mit einem veranschlagten Finanzvolumen von insgesamt 16,2 MilliardenEuroeinen klaren Bezug zu den in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verankerten Umwelt-und Klimaschutzzielen auf. “Andererseits setzt der Staat über die Subventionspolitik in erheblichem Umfang ökonomische Anreize für umweltschäliche Aktivitäten. Wie der vorliegende Bericht zeigt, sind in Deutschland im Jahr 2018 Subventionen im Umfang von rund 65,4 Mrd. EUR als umweltschädlich einzustufen. Prominente Beispiele sind die Befreiung des gewerblichen Luftverkehrs von der Kerosinsteuer, die Energiesteuerermäßigungen für das produzierende Gewerbe und die Landwirtschaft, die Energiesteuerermäßigung von Dieselkraftstoff und die steuerliche Begünstigung von Dienstwagen.
UBA-Präsident Dirk Messner: „Es ist paradox, wenn der Staat mit vielen Milliarden den Klimaschutz fördert und gleichzeitig klimaschädliche Produktions- und Verhaltensweisen subventioniert. Beim Klimaschutz rennt uns bekanntlich die Zeit davon. Es ist daher wichtig, auch beim Abbau umweltschädlicher Subventionen schnell voranzukommen. Das entlastet die öffentlichen Haushalte und ermöglicht klimagerechte Investitionen, die mit Augenmaß für die sozialen und wirtschaftlichen Folgen erfolgen müssen“.
Insgesamt entfiel 2018 nahezu die Hälfte der vom UBA identifizierten umweltschädlichen Subventionen auf den Verkehrsbereich (47 Prozent), 39 Prozent auf Energiebereitstellung und -nutzung, neun Prozent auf die Land- und Forstwirtschaft sowie fünf Prozent auf Bau- und Wohnungswesen. Tatsächlich ist die Summe der umweltschädlichen Subventionen höher als die für 2018 insgesamt geschätzten 65,4 Milliarden Euro, da einige umweltschädliche Subventionen nicht quantifiziert werden können und die Studie vor allem die Bundesebene betrachtet.
Umweltschädliche Subventionen hemmen die Entwicklung und Marktdurchdringung umweltfreundlicher Produkte und gefährden die Umwelt- und Klimaziele. Außerdem verteuern sie den Umwelt- und Klimaschutz, weil der Staat beides stärker fördern muss, wenn er gleichzeitig umweltschädliche Produkte und Verfahren subventioniert. „Aktuell werden ökonomische Anreize in gegensätzliche Richtungen gesetzt – mal für, mal gegen den Umwelt- und Klimaschutz. Ein Beispiel dafür ist das unsinnige Nebeneinander von Dieselprivileg für Verbrenner und Kaufprämien für Elektroautos“, so Messner.
Einige wichtige umweltschädliche Subventionen lassen sich nur teilweise auf nationaler Ebene abbauen. Ein Beispiel ist die Kerosinsteuerbefreiung auf inner- und außereuropäische Flüge. Die aktuellen Pläne der EU-Kommission sehen vor, die Luft- und Schifffahrt schrittweise in die Energiebesteuerung einzubeziehen sowie Diesel und Benzin einheitlich entsprechend ihres Energiegehalts zu besteuern. Dies würde den Abbau deutlich voranbringen. „Die Bundesregierung sollte den Rückenwind aus Brüssel nutzen und sich für einen ambitionierten Abbau umweltschädlicher Subventionen auf EU-Ebene einsetzen“, so Dirk Messner. Durch internationale Vereinbarungen zur CO2-Bepreisung oder die Einführung von CO2-Grenzausgleichsmechanismen könnten auch solche Subventionen überflüssig werden, die einheimische Industrien bislang vor Umweltdumping schützen.
Vorschläge
Die UBA-Studie enthält Reformvorschläge, wie sich die Subventionen abbauen ließen. Im Wohnungswesen, bei den energiebezogenen Subventionen für die Wirtschaft oder in der Landwirtschaft geht nicht in erster Linie darum, das Subventionsvolumen insgesamt zu verringern. Vielmehr sind die Subventionen so umzubauen, dass sie Investitionen für die sozial-ökologische Transformation mobilisieren und ein umweltgerechtes Leben erleichtern.
In manchen Fällen ist der Abbau umweltschädlicher Subventionen schon sinnvoll, weil sie ineffizient sind und die ursprünglichen Förderziele ihren Sinn verloren haben – etwa die geringere Energiesteuer für Agrardiesel und die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge. Bei anderen umweltschädlichen Subventionen ist der Abbau auch aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit geboten. Ein Beispiel ist die private Nutzung von Dienstwagen, die der Staat mit mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr subventioniert. „Davon profitieren überwiegend Haushalte mit hohen Einkommen. Diese Subvention ist nicht nur umweltschädlich, sondern auch sozial ungerecht. Sie gehört abgeschafft“, so Messner.
Gelder, die durch den Abbau umweltschädlicher Subventionen freiwerden, müssen genutzt werden, um Unternehmen beim Umstieg auf treibhausgasneutrale Produktionsweisen zu helfen. Freiwerdende Gelder muss der Staat außerdem nutzen, um die privaten Haushalte zu entlasten. Bei einer Reform der Entfernungspauschale wäre etwa eine Lösung nötig, die sowohl die Sozialverträglichkeit sichert und die positive Umweltwirkung verstärkt. Besonders wichtig wäre eine Härtefallregelung für Fernpendler sowie der massive Ausbau des ÖPNV gerade auch auf dem Land. Auch der von UBA für ratsam gehaltene Abbau der niedrigen Mehrwertsteuer auf Fleisch und andere tierische Produkte müsste sozial flankiert und in eine umfassende Reform der Mehrwertsteuer eingebettet werden, die die Bürgerinnen und Bürger an anderer Stelle entlastet – etwa durch eine geringe Mehrwertsteuer für Obst, Gemüse und andere pflanzliche Nahrungsmittel sowie günstige Bus- und Bahntickets.
Damit der Abbau bzw. die Reform umweltschädlicher Subventionen künftig systematisch erfolgt und die Subventionspolitik effektiver und effizienter wird, formuliert die UBA-Studie Leitlinien für eine umweltorientierte Subventionspolitik und empfiehlt einen „Umweltcheck“ für alle Subventionen. Grundsätzlich sollten nur noch Subventionen gewährt werden, die in Einklang mit einer nachhaltigen Entwicklung stehen. Um dies zu gewährleisten, sollte künftig stets geprüft werden, ob es umweltfreundlichere Alternativen für die Subvention gibt.
Für den Abbau bzw. eine Umgestaltung umweltschädlicher Subventionen sprechen gleich mehrere Gründe:
- Umweltschädliche Subventionen laufen dem Verursacherprinzip zuwider und sind ungerecht: Sie führen dazu, dass in erhöhtem Maße Umweltkosten entstehen und die Verursacher diese nicht selbst tragen, sondern der Gesellschaft aufbürden. Dies ist ungerecht, zumal – wie etwa beim Klimaschutz – die Lasten oft nachfolgenden Generationen aufgebürdet werden.
- Umweltschädliche Subventionen konterkarieren die Instrumente und Maßnahmen der Umweltpolitik: Verbilligen umweltschädliche Subventionen fossile Energieträger, sinkt der Anreiz auf erneuerbare Energien umzusteigen oder Energie effizienter einzusetzen. Förderprogramme zum Energiesparen oder für die Nutzung erneuerbarer Energien werden dadurch weniger attraktiv.
- Umweltschädliche Subventionen verzerren den Wettbewerb zu Lasten umweltfreundlicher Produkte und Produktionsweisen: Dies hat zur Folge, dass die Marktkräfte nicht für, sondern gegen den Umweltschutz wirken. Ihr Abbau ist daher ein zentrales Element einer ökologischen Ordnungspolitik, die einen adäquaten Rahmen für nachhaltige Produktions-und Konsumentscheidungen setzt.
- Umweltschädliche Subventionen belasten massiv und auf vielfältige Weise die öffentlichen Haushalte: Erstens entstehen unmittelbar Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen in den öffentlichen Haushalten. Zweitens muss der Staat oft einen Teil der Kosten zur Beseitigung oder Verringerung der entstehenden Umweltschäden tragen. Und drittens muss der Staat umweltfreundliche Produkte und Techniken stärker fördern, wenn umweltschädliche Subventionen den Wettbewerb verzerren. All dies verringert den Finanzierungsspielraum des Staates für andere gesellschaftlich wichtige Aufgaben, etwa im sozialen Bereich, im Gesundheitswesen, bei der Bildung oder den Aufbau nachhaltiger Infrastrukturen.
- Umweltschädliche Subventionen haben in der Regel negative Verteilungswirkungen: Von umweltschädlichen Subventionen profitieren in den meisten Fällen Unternehmen und Haushalte mit hohen Einkommen. Zugleich leiden Haushalte mit niedrigem Einkommen unter den negativen Umweltwirkungen, die diese Subventionen hervorrufen, oft überdurchschnittlich. Dies gilt zum Beispiel für Lärm-und Schadstoffbelastungen an viel befahrenen Straßen.
- Umweltschädliche Subventionen gefährden die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland:Indem umweltschädliche Subventionen die Entwicklung und den Umstieg auf ressourcenschonende, klimafreundliche Produkte und Techniken hemmen, behindern sie die Entwicklung grüner Zukunftsmärkte, die für die Wettbewerbsfähigkeit von zentraler Bedeutung sein werden.
->Quellen und mehr: