Von der Leyen: Kernkraft wird Teil der Taxonomie, weil „stabile Quelle“
Eine Einstufung von Kernenergie und Erdgas als nachhaltig wird immer wahrscheinlicher. Die Atomkraft-Befürworter in der EU könnten das Machtvakuum zwischen der alten und neuen Bundesregierung nutzen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat nach einer Sitzung in Brüssel am 25.10.2021 deutlich gemacht, dass die Kernenergie Teil der Taxonomieverordnung werden dürfte. Neben den erforderlichen Erneuerbaren werde auch „die Kernenergie als stabile Quelle“ benötigt, sagte von der Leyen mit Blick auf den Energiemix der Zukunft. Dazu werde darüber hinaus auch „übergangsweise Erdgas“ gehören.
Zehn EU-Länder haben die Kommission gedrängt, der Kernenergie im Rahmen der EU-Taxonomie für nachhaltige Finanzen, die als Leitfaden für klimafreundliche Investitionen dient, ein „grünes“ Label zu verleihen. Die Energieminister der Zehnergruppe unterstützten die Aufnahme der Kernenergie in die Taxonomie während einer außerordentlichen Sitzung des EU-Energierates am 26.10.2021, die als Reaktion auf die steigenden Energiepreise eilig einberufen wurde. Ein Vorschlag der Europäischen Kommission wird nun „bis zum Ende des Jahres“ erwartet, sagte EU-Energiekommissarin Kadri Simson.
Kohlenstoffrei und heimisch erzeugt – diese Eigenschaften sind laut von der Leyen vor dem Hintergrund von Klimaschutz und Unabhängigkeit wesentlich für den europäischen Energiemix der Zukunft. Entsprechend positiv äußerte sie sich bei der Pressekonferenz im Anschluss an die Tagung des Europäischen Rates über die erneuerbaren Energien. „Betrachtet man den Preis für die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen, so ist dieser erheblich gesunken. Solarenergie ist mittlerweile zehnmal billiger als noch vor zehn Jahren. Windenergie ist zwar sehr volatil, aber um 50 Prozent billiger als noch vor einem Jahrzehnt. Wir bewegen uns also in die richtige Richtung.“ Für Irritationen sorgte jedoch von der Leyens Perspektive auf die Nutzung von zwei weiteren, wenig erneuerbaren Energieträgern: „Darüber hinaus brauchen wir die Kernenergie als stabile Quelle — und natürlich übergangsweise Erdgas. Deshalb werden wir – wie wir bereits im April als Kommission erklärt haben – unsere Taxonomieverordnung vorlegen.“
Diese EU-Taxonomie ist ein neuer Standard für nachhaltige Investitionen, an dem die EU seit Monaten arbeitet. Entsprechend dürfte von der Leyens Aussage zufolge auch der Bau von AKW und Gaskraftwerken als nachhaltige Investitionen eingestuft werden. Eine Petition des Bündnis-Grünen MdEP Giegold richtet sich gegen diese Pläne. Giegold hat seine Petition an EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und EU-Kommissar Frans Timmermans gerichtet. Darin weist er darauf hin, dass die Einstufung als nachhaltige Investition immense Folgen hätte. Denn zum einen würden sich in Zukunft werden sich nicht nur Banken, Versicherungen und andere Finanzmarktakteure sowie Anleger bei ihren Investitionsentscheidungen nach diesem EU-Standard richten. Zum anderen würden Fördergelder, europäische und nationale Beihilfen und Steuergelder in Atom und Gas fließen, wenn diese Energiequellen das Nachhaltigkeitslabel bekommen. Der Grüne Bas Eikhout warnte genauso wie der EVP-Mann Peter Liese davor, Gas und Kernkraft in die EU-Taxonomieverordnung aufzunehmen
„Investitionen in Atomkraft und Gas bekämen also fast das gleiche Nachhaltigkeitslabel wie der Bau von Windrädern und Solaranlagen. Ein Super-Gau für die erneuerbaren Energie“, so Giegold. Mit der Taxonomie könnten bei Gas und Atomkraft nun schnell Fakten geschaffen werden, und das bevor eine neue Bundesregierung ihre Arbeit aufnehmen und diese Pläne stoppen könne. Für diesen Stopp sei unter den EU-Mitgliedsstaaten eine sogenannte qualifizierte Mehrheit notwendig, was Giegold als „praktisch aussichtslos“ bezeichnet. Mehr Hoffnung setzt er auf seine Petition. „Die Gewinnung von Strom aus Atomkraft und Gas ist nicht nachhaltig. Atom und Gas dürfen daher im Rahmen der EU-Taxonomie nicht als nachhaltige Investition eingestuft werden. Der EU-Vorschlag darf nicht vorgelegt werden, bevor die neue Bundesregierung im Amt ist“, so Giegold.
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