COP26 soll neue Phase internationaler Klima-Zusammenarbeit einleiten

Regierung: „Ambition, Implementation, Finalisierung des Pariser Regelwerks“

Am 31.10.2021 begann in Glasgow die 26. Weltklimakonferenz COP 26. Unter Vorsitz von Großbritannien verhandeln dort Regierungsvertreter aus 197 Ländern. Am 1. und 2. November findet ein Treffen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs statt, an dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnimmt.  Bis zum geplanten Ende der Konferenz am 12.11.2021 soll sich die Weltgemeinschaft zu den letzten noch offenen Fragen des Regelwerks zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens einigen. COP- Veteranin ist Bundeskanzlerin Merkel: Sie leitete 1995 als Bundesumweltministerin die erste Vertragsstaatenkonferenz, damals in Berlin. Ausschnitte aus Merkels Rede und mehr.

Merkel: „Wir sind nicht da, wo wir hinmüssen“

Merkel bei COP26-Eröffnungs-Plenum – Screenshot © unfccc-cop26.streamworld.de_webcast

„Es stellt sich natürlich die Frage: Wo stehen wir heute? Wir haben eine Vielzahl an Beschlüssen gefasst, gerade gestern wieder bei der G20 in Rom. Wir haben vor allen Dingen als unsere Leitmarkierung das Abkommen von Paris aus dem Jahr 2015. Aber – und das haben wir in der Eröffnungssitzung schon gehört – wir sind nicht da, wo wir hinmüssen. Die von den Vertragsstaaten abgelieferten Reduktionsziele, die NDCs, ergeben zusammen nicht das, was wir in Paris vereinbart haben.

Die Welt hofft natürlich darauf – und ich unterstreiche das –, dass wir am Ende dieser Glasgower Konferenz besser dastehen. Dabei geht es einmal um verbesserte Ziele. Aber es geht vor allen Dingen in den nächsten Tagen um die technischen Fragen. Wie können wir unsere Zielerreichung verbindlicher messen und ein einheitliches Maß entwickeln? Dass die Auswirkungen des Klimawandels verheerend sind, wissen wir. Wir müssen – und ich sage auch: wir können – das Pariser Abkommen umsetzen; und das nicht erst im Laufe dieses Jahrhunderts, sondern, wie wir als G20 gesagt haben, in der Mitte dieses 21. Jahrhunderts. Wir wissen, dass in besonderer Weise die Industrieländer Verantwortung tragen. Das betrifft natürlich auch die Bundesrepublik Deutschland. Deshalb haben wir unsere Klimaziele noch einmal verschärft. Wir wollen bis 2030 gegenüber 1990 65 Prozent unserer Emissionen einsparen und bis 2045 klimaneutral sein.

Essenziell für Glaubwürdigkeit der Industrieländer: Finanzierung

Essenziell für die Glaubwürdigkeit der Industrieländer ist die Finanzierung. Deutschland und Kanada haben sich noch einmal den Delivery Plan angeschaut. Wir müssen zugeben, dass wir die Finanzierung in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar erst 2023 erreichen – verspätet, aber immerhin können wir sie erreichen. Das ist ein wichtiges Signal. Wir leisten von deutscher Seite einen beträchtlichen Beitrag und werden diesen bis 2025 auf sechs Milliarden Euro erhöhen.

Klimaneutralität zu erreichen, ist auf der einen Seite die Zielsetzung. Auf der anderen Seite sind es die konkreten Maßnahmen. Neben unseren nationalen Anstrengungen versuchen wir natürlich an verschiedenen Stellen Beiträge zu leisten. Mit der ‚Glasgow Leaders’ Declaration on Forests and Land Use‘ stärken wir den Schutz von Wäldern. Für mich ist wichtig, dass wir bis 2030 den Waldverlust global stoppen. Wir haben eine erfolgreiche Partnerschaft mit Kolumbien, mit der wir gemeinsam mit Norwegen und dem Vereinigten Königreich den Schutz der Wälder voranbringen.

Deutschland wird auch Teil einer Initiative sein, von der ich glaube, dass sie besonders interessant ist. Mit der „Just Energy Transition Partnership“ mit Südafrika zeigen wir, wie wir aus der Nutzung von Kohle aussteigen können. Ich glaube, das wird ein Pilotprojekt für viele afrikanische Länder sein. Die Wahrheit ist natürlich sehr konkret. Dass wir gestern im Rahmen der G20 verabredet haben, die internationale Finanzierung von Kohlekraftwerken zu stoppen – und zwar jetzt –, ist sehr wichtig.

Plädoyer für die Bepreisung von CO2-Emissionen

Wir werden allein mit staatlichen Aktivitäten nicht vorankommen. Denn es geht um eine umfassende Transformation unseres Lebens, Arbeitens und Wirtschaftens. Deshalb will ich hier ein klares Plädoyer für die Bepreisung von Kohlenstoffemissionen, von CO2-Emissionen ablegen. Mit einer solchen Bepreisung, die wir in der Europäischen Union schon haben, die in China eingeführt wird und die mit vielen anderen zusammen weltweit entwickelt werden muss, können wir unsere Industrie, unsere Wirtschaft dazu bringen, die technologisch besten und effizientesten Wege zu finden, um zur Klimaneutralität zu kommen. Es geht darum zu wissen, wie wir CO2-freie Mobilität, CO2-freie Industrie und CO2-freie Prozesse in unseren Lebensweisen am besten arrangieren können. Mein klares Plädoyer ist, in der Dekade des Handelns, in der Dekade, in der wir jetzt leben, national ambitionierter zu sein, aber global Instrumente zu finden, die nicht nur Steuergelder einsetzen, sondern auch wirtschaftlich vernünftig sind. Und das ist für mich die CO2-Bepreisung.“

Schulze: „Die Welt ist noch lange nicht auf 1,5 Grad-Kurs“

Bundesumweltministerin Svenja Schulze meinte in einer Medienmitteilung, in Glasgow könne und müsse „die Weltgemeinschaft die noch offenen Fragen zu den Regeln der internationalen Zusammenarbeit beim Klimaschutz abschließend klären“. Wenn das gelinge, könne 2Glasgow eine neue Phase der internationalen Klima-Zusammenarbeit einleiten, mit Schwerpunkt auf die konkrete Umsetzung“. Schulze. „Die Welt ist noch lange nicht auf 1,5 Grad-Kurs“. Die Europäische Union hat sich darum ein neues, ehrgeiziges Klimaziel gesetzt und an die Vereinten Nationen gemeldet, die USA und viele andere sind gefolgt. Diese Dynamik ist der Weltklimakonferenz zu verdanken, auch wenn sie schon lange vor dem Gipfel von Glasgow begonnen hat. Denn sie zeigt: Die große Mehrheit der Staaten nimmt das Versprechen von Paris ernst, sich alle fünf Jahre neue, bessere Ziele zu setzen. Einige große Volkswirtschaften müssen noch folgen und ebenfalls ehrgeizigere Pläne verkünden. Die Auftritte der Staats- und Regierungschefs zu Beginn der Konferenz in Glasgow wären eine gute Gelegenheit dafür.“

Müller: „Die weltweite Klimakatastrophe lässt sich verhindern“

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller: „Die weltweite Klimakatastrophe lässt sich verhindern. Wir haben die Technologie und das Wissen, allein entscheidend ist der weltweite Wille zum entschlossenen Handeln. Die Industriestaaten tragen die Hauptverantwortung einer ökologisch, sozialen weltweiten Wachstumswende. Allein die G20 sind für 80 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Das Bekenntnis zum Umdenken und einer neuen Verantwortungsethik muss die Staaten- und Wirtschaftslenker auf einen neuen Kurs führen, weltweites Wachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln und an die ökologischen Grenzen zu binden. Zudem muss die Weltklimakonferenz einen Schutzschirm für die Ärmsten und Verwundbarsten aufspannen. Sie leiden schon heute besonders unter den Folgen des Klimawandels. Die Industrieländer müssen ihre Zusagen einhalten, jedes Jahr 100 Milliarden Euro für internationale Klimafinanzierung bereitzustellen. Die bislang noch fehlenden Mittel sollten vorrangig eine globale Energiewende vorantreiben und Entwicklungsländer besser vor den Klimafolgen schützen.“

Erste Stufe des sogenannten Ambitionssteigerungsmechanismus

Die Weltklimakonferenz von Glasgow markiert die erste Stufe des sogenannten Ambitionssteigerungsmechanismus, der 2015 in Paris vereinbart wurde. Demnach sollen die Staaten alle fünf Jahre prüfen, ob sie ihre Klimaziele erhöhen können, um dem gemeinsamen Ziel näher zu kommen, die Erderhitzung auf deutlich unter 2, möglichst 1,5 Grad zu begrenzen. Die Europäische Union hat darum schon im Dezember 2020 unter deutscher Ratspräsidentschaft ihr Klimaziel für 2030 von bislang 40 auf 55 Prozent Treibhausgasreduzierung gegenüber 1990 erhöht und an die Vereinten Nationen gemeldet. Deutschland hat sein Klimaziel von 55 auf 65 Prozent Minderung erhöht, Klimaneutralität bis 2045 festgelegt und beides durch das Klimaschutzgesetz rechtsverbindlich gemacht.

Inzwischen haben insgesamt 143 Staaten aktualisierte Klimaziele eingereicht. Allerdings führen diese Ziele in der Summe nach Berechnungen des UN-Klimasekretariats zu einer Erderhitzung von etwa 2,7 Grad. Das liegt unter anderem daran, dass sich einige große Volkswirtschaften noch keine neuen Klimaziele gesetzt haben. Die Weltgemeinschaft ist damit in der Summe noch deutlich entfernt vom 1,5-Grad-Ziel. Ohne den Prozess der jährlichen Weltklimakonferenzen und das Pariser Klimaabkommen hätte der Welt allerdings eine Erderhitzung von 5 bis 6 Grad gedroht.

Marktmechanismen und „Glasgow Breakthroughs“

Auf der Tagesordnung der Konferenz in Glasgow stehen unter anderem die sogenannten Marktmechanismen nach Artikel 6 des Pariser Abkommens. Dabei geht es darum, wie Staaten oder andere Akteure – wie Kommunen oder Unternehmen – zusätzlich erreichte Emissionsminderungen anrechnen können, die durch internationale Zusammenarbeit erreicht wurden. Deutschland und die EU bestehen hier auf einem System ohne Schlupflöcher und Doppelanrechnungen. Die EU hat bereits festgelegt, ihr neues Klimaziel ohne Anrechnung ausländischer Minderungen zu erreichen.  Weitere Verhandlungsthemen betreffen die Berichtspflichten der Länder zu ihren Klima-Fortschritten sowie gemeinsame Regeln zu den Laufzeiten und der Vergleichbarkeit der nationalen Klimaziele.

Neben dem Regelwerk soll es zu Beginn der Konferenz auch Beschlüsse zu Umsetzungsthemen geben, die sogenannten „Glasgow Breakthroughs“. Diese soll Vorreiter-Koalitionen zu vier gemeinsamen Anliegen bis 2030 schaffen: Erstens soll emissionsfreie Energie die bezahlbarste und verlässlichste Option für alle Länder werden. Zweitens sollen emissionsfreie Fahrzeuge auf der ganzen Welt „das neue Normal“ werden. Drittens soll nahezu emissionsfreier Stahl auf den globalen Märkten erste Wahl werden. Und viertens soll Wasserstoff als Klimaschutz-Option global bezahlbar und verfügbar werden. Bei den „Durchbrüchen“ zu Stahl und Wasserstoff handelt es sich um Kompromissformulierungen – Deutschland will mit einem deutlicheren Fokus auf grünen Wasserstoff auf Basis erneuerbarer Energien hier weitergehen.

Zentrales Thema wird auch die Klimafinanzierung, also die Unterstützung der Entwicklungsländer im Kampf gegen den Klimawandel durch öffentliche und private Mittel aus Industrieländern. Die Industrieländer hatten bereits in Kopenhagen 2009 versprochen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar zu mobilisieren. 2019 waren allerdings erst 80 Milliarden Dollar erreicht. Für Glasgow werden daher weitere Zusagen erwartet. Deutschland geht hier voran- die  internationale Klimafinanzierung wurde seit 2014 mehr als verdoppelt. Die Bundesregierung hat zudem bereits beim G7-Gipfel im Sommer angekündigt, ihre Klimafinanzierung aus Haushaltsmittel bis 2025 von derzeit vier auf sechs Milliarden Euro zu erhöhen. Die Summe aus öffentlichen und privaten Mitteln ließe sich so von derzeit knapp acht auf deutlich über 10 Milliarden Euro erhöhen.

Nach dem sogenannten „World Leaders Segment“ am 1. und 2. November folgt eine Phase der Verhandlungen auf Expertenebene. Zum Ende der Konferenz sollen noch offene Fragen dann auf Ebene der Ministerinnen und Minister geklärt werden.

Hans-Josef Fell: „Das Abgleiten der Menschheit in ihre eigene Auslöschung wird nicht verhindert“

„Am Ende wird das Ergebnis so dürftig bleiben, wie bisher auf allen UN-Klimakonferenzen und auch im nationalen Regierungshandeln fast aller Regierungen der Welt: Klimaschutz, so wie ihn die Welt bräuchte, wird nicht organisiert. Das Abgleiten der Menschheit in ihre eigene Auslöschung wird nicht verhindert, sondern im Gegenteil mit neuen Emissionen sogar beschleunigt.“ (hans-josef-fell.de/klimakonferenz-in-glasgow)

BUND: Nur grundlegender Wandel kann das Schlimmste noch verhindern

„‘Wir sind nicht da, wo wir hin müssen‘, hat Kanzlerin Merkel bei der Weltklimakonferenz gesagt. Vor 26 Jahren leitete sie als Umweltministerin die erste Klimakonferenz. Seither ist erschreckend wenig passiert. So ging es am Wochenende weiter: Die G20-Staaten haben es versäumt, ein starkes Signal für den Klimaschutz Richtung Glasgow zu senden. Es hat lediglich zu einer lahmen Bekräftigung des 1,5-Grad-Ziels gereicht. Umso mehr Verantwortung lastet nun auf der Klimakonferenz. Die Teilnehmenden müssen sich auf klare Strategien und Maßnahmen einigen. Die Länder mit dem größten CO2-Ausstoß müssen ihren fairen Beitrag leisten – auch Deutschland. Doch unsere eigenen Klimaschutzmaßnahmen sind noch lange nicht ‚Paris-kompatibel‘. Die nächste Koalition muss daher umgehend die notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit die verheerendsten Auswirkungen für Deutschland und die Welt noch abgewendet werden können. Neben dem Kohleausstieg bis 2030 sind ein naturverträglicher Ausbau erneuerbarer Energien, deutliche Fortschritte bei Gebäuden und Industrie und eine echte Agrar- und Verkehrswende zwingend. Es braucht mit Merkels Worten eine ‚umfassende Transformation‘ unserer Lebens- und Wirtschaftsweise.“ (www.bund.net/)

->Quellen: