COP26: Mit Recht schwache Erwartungen

Klimakonferenz in Glasgow – Lars Jaeger über unzureichende Voraussetzungen und bescheidene Zwischenergebnisse

Noch ist die 26. UN-Klimakonferenz 2021 in Glasgow, international bekannt als COP26 (oder auch CMP16 = 16. Treffen zum Kyoto-Protokoll), nicht beendet (sie geht bis zum 12.11.), doch die Urteile über sie wurden längst gefasst. Die Regierungschefs haben sich getroffen, nun befinden sich die jeweiligen Experten aus allen Ländern in der Diskussion über Details – sowie Interpretationen der Aussagen ihrer Regierungschefs.

Kommentare geben Meinung und Informationen der Kommentierenden wieder, nicht in jedem Fall die von Solarify.

Betrachten wir die wesentlichen Vorbedingungen und Vorbereitungen der Konferenz, so wird klar, dass die Erwartungen nicht zu hoch waren:

  • Ende Februar annoncierte das UN-Klimasekretariat nach der Auswertung 48 nationaler Klimapläne gemäß dem Pariser Abkommen, dass zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze großenteils sehr umfangreiche Nachbesserungen notwendig sind.
  • In einer zweitägigen virtuellen Gipfelkonferenz Ende April berieten auf Einladung von US-Präsident Joe Biden vierzig führende Politikerinnen und Politiker über Klimapolitik, darunter die Regierungschefs der 17 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Konkrete Vereinbarungen gab es keine, obwohl US-Präsident Biden umfassende und wortgewaltige Ankündigungen für sein eigenes Land machte.
  • Anfang Mai fand der 12. Petersberger Klimadialog mit Umweltministern und anderen Regierungsvertretern aus rund 40 Staaten statt. Es gab – wie immer wenig konkrete – Apelle zur Verstärkung vor allem der finanziellen Anstrengungen. Konkrete Vereinbarungen gab es jedoch wiederum keine.
  • Unmittelbar vor Beginn der COP26 fand in Rom der „G20“-Gipfel statt, mit der x-ten Verständigung der Teilnehmenden zur Wichtigkeit der 1,5-Grad-Grenze von Paris. Konkrete Maßnahmen wie ein Ausstieg aus der Stromerzeugung aus Kohle oder das Kappen oder gar Beenden von nationalen Subventionen von fossilen Brennstoffen wurden nicht erreicht.

Zwei der wichtigsten Regierungschefs, was das Klima angeht, der chinesische Präsident Xi Jinping und der russische Präsident Putin – China ist mit Abstand der größte nationale Treibhausgas-Emittent, Russlands Ökonomie ist komplett vom Export fossiler Brennstoffe abhängig – kamen erst gar nicht nach Glasgow (angeblich wegen Corona).

Wir sehen, die Voraussetzungen für eine erfolgreiche 26. Klimakonferenz waren alles andere als vielversprechend, und dies nach Veröffentlichung des ersten Teil des CMIP6-Reports des Weltklimarats (IPCC) Anfang August 2021 und den nahezu zeitgleich stattgefunden katastrophalen globalen Klimawochen

  • mit Überschwemmungen in Deutschland und der Schweiz,
  • extremer Hitze in Kanada und dem Nordwesten der USA,
  • Hitzerekorde n in Nord- und Südeuropa,
  • massiven Feuern in der Türkei, und
  • starken Überflutungen in China.

So reagierte die Klimaaktivistin Greta Thunberg auch bereits am 5. November:

„Dies ist nicht länger eine Klimakonferenz. Dies ist jetzt ein Greenwashing-Festival des globalen Nordens, eine zweiwöchige Feier des Business as usual und des Blablabla!“

In Sprechchören drückten sie und viele andere Jugendliche ihre Wut und Enttäuschung über den jahrzehntelang weltweit verschleppten Klimaschutz mit. Dagegen verkündete der Präsident der Konferenz, Alok Sharma, ein britischer Politiker der Tories, die Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow sei der Anfang vom Ende der Kohle. Doch wie stark kann man dieser Tage einem Politiker der Tories heute überhaupt noch Glauben schenken?

Doch tatsächlich wurde in Glasgow einiges konkret beschlossen (und von zahlreichen Ländern auch unterschrieben). Hier die wichtigsten Sachen:

  1. Von entwickelten Ländern wird verlangt, „bis 2030 aus der Kohle auszusteigen, und von allen anderen bis 2040 zu folgen“, sagte der britische Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng. De facto stehen dann aber im Abkommen nicht die festen Daten 2030 und 2040, sondern es heißt darin: „in den 2030er und 2040er Jahren“.
  2. 25 Länder verpflichteten sich dazu, bis Ende 2022 keine finanziellen Mittel mehr für die Finanzierung fossiler Energien bereitzustellen (bisher flossen Jahr für Jahr Hunderte Milliarden Dollar in Subventionen für Kohle, Gas und Öl).
  3. Repräsentanten von 100 Staaten unterzeichneten eine Absichtserklärung, nach der die globale Entwaldung (die insbesondere im tropischen Bereich stattfindet) bis zum Jahr 2030 gestoppt werden soll. Die Unterschreiber verfügen über ca. 85 % der Waldfläche in der Welt. Dafür sollen bis 2025 19.2 Mrd. US-Dollar zur Verfügung stehen.
  4. Mehr als 100 Teilnehmerstaaten folgten der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten und acht weiteren Staaten, die am 18.09.2021 eine „globale Methan-Verpflichtung“ (Global Methane Pledge) unterzeichnet hatten. Nach ihr wird bis zum Jahr 2030 eine Reduktion der globalen Methan-Emissionen um mindestens 30 % angestrebt (ausgehend vom Niveau 2020).

Doch leider haben die größten Emittenten von CO2, China, die USA, Indien und Australien, die ersten beiden Punkte gar nicht unterzeichnet (Indien verpflichtete sich, bis 2070 CO2-neutral zu werden). Polen, das noch immer stark von Kohlestrom abhängt, unterzeichnete zunächst, zog sich dann aber nur wenige Stunden später wieder davon zurück. Die drei größten Methan-Emittenten, Russland, Volksrepublik China und Indien, gehörten nicht zu den Unterzeichnern des dritten Punktes. Und Deutschland war leider nicht unter den Ländern, die den zweiten Punkt unterschrieben. Beim ersten hat sich das Land bereits lange vor der Konferenz gesetzlich auf den Ausstieg aus der Kohle für das Jahr 2038 (also weit nach 2030) festgelegt. Dies war leider wieder einmal eine typische deutsche Reaktion der letzten 16 Jahre unter der Regierung Angela Merkels.

Noch diskutieren die Experten aus allen Ländern untereinander, welche Klimaaktivitäten umgesetzt werden sollen, aber nach den Aussagen der Regierungschefs ist kaum mehr viel zu erwarten.

Der Autor: Lars Jaeger hat Physik, Mathematik, Philosophie und Geschichte studiert und mehrere Jahre in der Quantenphysik sowie Chaostheorie geforscht. Er lebt in der Nähe von Zürich, wo er zwei eigene Unternehmen aufgebaut hat, die institutionelle Finanzanleger beraten, und zugleich regelmäßige Blogs zum Thema Wissenschaft und Zeitgeschehen unterhält. Überdies unterrichtet er unter anderem an der European Business School im Rheingau. Die Begeisterung für die Naturwissenschaften und die Philosophie hat ihn nie losgelassen. Sein Denken und Schreiben kreist immer wieder um die Einflüsse der Naturwissenschaften auf unser Denken und Leben. Im Herbst erscheint sein neues Buch „Wege aus der Klimakatastrophe“ im Springer Verlag.

->Quelle: larsjaeger.ch/zur-26-un-klimakonferenz-in-glasgow-sehr-bescheidene-fortschritte