COP26: Einstieg in den Ausstieg?

Fossile seit Glasgow auf Auslaufliste

Die UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow hat nach (schon üblicher) Verlängerung mit einem teils als historisch gefeierten Beschluss den weltweiten Abschied von der Kohleverbrennung eingeläutet. Erstmals in der 26jährigen  Geschichte der Klimagipfel gab es einen, wenn auch in letzter Minute abgeschwächten Konsens unter den rund 200 Staaten zum Verzicht auf einen Energieträger: die Kohle. Der am Abend des 13.11.2021 gebilligte „Klimapakt von Glasgow“ enthält zudem die Aufforderung, „ineffiziente“ Subventionen für Öl, Gas und Kohle zu streichen. (Foto: COP26-Konferenzgebäude SEC-Armadillo-Building, Glasgow – © Ross Goodman, ursprüngl, geposted auf Flickr als DSC_6974, CC BY 2.0, commons.wikimedia.org)

COP26: SEC-Armadillo-Building, Glasgow – Foto © Ross Goodman, ursprüngl, geposted auf Flickr als DSC_6974, CC BY 2.0, commons.wikimedia.org

Statt von einem angestrebten Kohleausstieg („phase out“) ist auf Druck der Kohleverstromer-Länder China und Indien im Schlussdokument nur noch von einem allmählichen Herunterfahren der Kohle („phase down“) die Rede – nicht mehr von Komplettausstieg. Mehrere Staaten reagierten enttäuscht auf die Änderung. Um die Verabschiedung des gesamten Pakets, den „Glasgow Climate Pact“, nicht zu gefährden, seien sie aber bereit gewesen, „diese bittere Pille zu schlucken“, sagte die Vertreterin von Liechtenstein.

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) lobte den Deal dennoch: Das fossile Zeitalter gehe zu Ende, die Energiewende werde weltweit zum Leitbild. Der US-Klimabeauftragte John Kerry sagte, in Verhandlungen dürfe das vermeintlich Perfekte nie dem Guten im Wege stehen. „Und das hier ist gut.“ Greta Thunberg zog hingegen auf Twitter eine vernichtende Bilanz: „Die COP26 ist vorbei. Hier ist eine kurze Zusammenfassung: Bla, bla, bla“. Sie hatte zur Halbzeit des Gipfels zusammen mit Zehntausenden Demonstranten demonstriert. Auch der UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich ernüchtert: „Es ist ein wichtiger Schritt, aber es ist nicht genug. Es ist Zeit, in den Notfallmodus zu gehen.“

Der britische COP26-Präsident Alok Sharma kämpfte mit den Tränen, nachdem sich einige Staaten bitter über die Verwässerung kurz vor der Schlussabstimmung beschwerten: „Ich bitte um Verzeihung für die Art, wie das gelaufen ist.“ Schulze tröstete ihn mit der Feststellung, mit dem Kohlebeschluss sei „etwas wirklich Weltbewegendes gelungen“.

Abschlusserklärung – beschlossen wurde:

  • Die Länder bekennen sich gemeinsam zur 1,5 Grad-Grenze. Dazu sollen sie (freiwillig!) bis Ende 2022 – drei Jahre früher als vorgesehen – ihre (bislang unzureichenden) Klimaschutzpläne (NDCs) für dieses Jahrzehnt nachschärfen
  • Der Synthesebericht, der die Ziele auf ihre Folgen für die Erderwärmung überprüft, soll künftig jedes Jahr erscheinen.
  • Zudem wird gefordert, dass die Treibhausgasemissionen weltweit noch in diesem Jahrzehnt um 45 Prozent sinken müssen, wenn das 1,5-Grad-Limit erreichbar bleiben soll.
  • Bis 2025 sollen die Finanzhilfen für arme Staaten verdoppelt werden – von aktuell jährlich 17,5 auf dann 35 Milliarden Euro – damit sie die fatalen Folgen der Klimakrise besser  überstehen können. Denn zig Millionen Menschen leiden schon jetzt unter Unwettern, Dürren, Hitzewellen, Stürmen, Überschwemmungen und Sturmfluten, weil sich die Erderhitzung beschleunigt.
  • Dazu wird erstmals der jahrelangen Forderung der armen Staaten folgend ein Hilfsfonds für Schäden und Verluste (etwa Zerstörungen oder erzwungene Umsiedlungen nach Dürren, Sturmfluten oder Wirbelstürmen) eingerichtet. Die Reichen sollen dafür Geld einzahlen, ohne dass konkrete Summen dafür genannt werden.

– Der Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig nannte es „bitter, dass wieder einmal die von der Klimakrise besonders betroffenen, ärmeren Länder des Globalen Südens an den Rand gedrängt wurden“.
– Genauso bewertete es Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU): „Aus Sicht der Entwicklungsländer sind die Ergebnisse absolut unzureichend, zu kleinteilig und zu langsam“.
– Der deutsche Verhandlungsführer Flasbarth lobte die Beschlüsse zum sogenannten Regelbuch von COP21, in dem seit langem noch Punkte offen waren. Das „Geröll der Rechtsverhandlungen“ aus dem Weg zu räumen, „ist alles gelungen“, sagte Flasbarth – etwa, dass künftig Klimaschutzziele für fünf Jahre vorgelegt werden und nach einheitlichen Standards berichtet wird. Weiter einigte man sich darauf, wie künftig Emissionsminderungen zwischen Staaten gehandelt werden können. Es sei gelungen, Schlupflöcher zu schließen – auch nach Ansicht von Umweltorganisationen.

Art. 6.2 des Pariser Abkommens regelt den allgemeinen Rahmen. Hier wird u.a. klargestellt, dass es keine Doppelzählung geben darf, und welche grundsätzlichen Anforderungen an Berechnung, Handel und Transfer von Emissionsminderungsgutschriften zu stellen sind.
Art. 6.4 stellt die Regeln für einen UNFCCC-überwachten Projekt-Mechanismus auf, in dem Minderungsgutschriften generiert werden können.  Hier ist im Detail die gesamte Administration geregelt, von der Beantragung über die Berechnungsmethoden bis zum Register. Auch ein unabhängiger Beschwerdemechanismus wurde etabliert.
Im Register wird stehen, für welche Verwendungen das Land, in dem Klimaschutzinvestitionen erfolgen, die jeweiligen Gutschriften freigegeben hat. Es gibt auch an, ob diese mit der Bilanz dieses Landes verrechnet wurde, und dann für andere NDCs, für das Ausgleichssystem der Luftfahrt „CORSIA“ oder für Treibhausgas-Kompensation im freiwilligen Markt verwendet werden kann, oder ob die Emissionsminderung einer Maßnahme im eigenen Land angerechnet und deshalb nicht für CORSIA, auf nationale Klimaschutzziele angerechnet werden dürfen. Letztere sollten vom freiwilligen Markt auch nicht für Kompensation genutzt werden.

– Greenpeace-Chef Kaiser sieht nach Glasgow nun die geplante Ampel-Koalition in der Pflicht, Sofortmaßnahmen zu ergreifen. „So ist der Kohleausstieg bis 2030 zwingend notwendig. Ab heute dürfen unsere Steuergelder nicht mehr für Kohle, Öl und Gas eingesetzt werden.“

Susanne Ehlerding im Tagesspiegel: All „das hört sich erst einmal nicht nach harten Zwangsmaßnahmen an, aber die gibt es im UN-Klimaprozess ohnehin nicht. Das einzige Mittel bleibt weiterhin das Naming and Shaming, das Mit-dem-Finger-Zeigen auf Bremser und Nachzügler. Mit der Abschlusserklärung der Klimakonferenz in Glasgow gibt es für die Öffentlichkeit und für die besonders vom Klimawandel betroffenen Länder nun ein paar Möglichkeiten mehr, Klimasünder an den Pranger zu stellen.“

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