Empa beschreibt „besten Weg“
Die Weltklimakonferenz in Glasgow hat keine Antwort auf die Frage gefunden, ob die Erderwärmung noch auf 1,5°C begrenzt werden kann. In einer Modellrechnung zeigen Harald Desing und Rolf Widmer, Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa), auf, wie die Energiewende mit den geringstmöglichen kumulierten Emissionen gelingen könnte: Statt die Emissionen langsam zurückzufahren, sollten wir den Umbau auf Solarenergie rasch vorantreiben und dafür die fossilen Kraftwerke ein letztes Mal voll auslasten, schreibt Rainer Klose auf der Empa-Webseite.
„Wer würde in ein Flugzeug steigen, das nur mit 50-prozentiger Sicherheit am Ziel ankommt?“, fragen Desing und Widmer gleich eingangs ihrer Veröffentlichung. Auf unserer Reise in die Zukunft mit dem Raumschiff Erde haben wir nicht die Wahl ein- oder auszusteigen. Umso erstaunlicher ist daher, dass selbst bei optimistischen Transitionspfaden des Weltklimarats IPCC die Chancen, die Erderwärmung auf 1,5° C zu begrenzen, nur bei 50 Prozent liegen.
Radikal vereinfachter Ansatz
Wir müssen also mehr tun, um die Chancen auf eine sichere Zukunft zu erhöhen, überlegten sich die beiden Empa-Forscher. Und begannen zu rechnen, um die physikalische Grenze zur Beschleunigung der Energiewende zu finden. Mit Hilfe eines Modells, das speziell dafür in der Empa-Forschungsabteilung „Technologie und Gesellschaft“ entwickelt wurde, vereinfachten sie die Weltwirtschaft zu einem radikalen, klaren Bild: Eine „fossile Maschine“ fasst alle heutigen, nicht erneuerbaren Energiesysteme zusammen und wandelt fossile Treibstoffe in Elektrizität um – und eine „solare Maschine“, die Elektrizität aus Sonnenlicht erzeugt.
Da die Solarpotenziale auf den ohnehin bereits versiegelten Dächern, Fassaden, Parkplätze und anderer Infrastruktur für die Wende ausreichen, braucht es weder Solarparks auf der grünen Wiese, noch riesige Windparks. Ganz klar: Die fossile Maschine müssen wir sobald möglich abschalten, die andere, solare aufbauen und in Gang setzen. Der Bau der solaren Maschine braucht zunächst einmal Energie, die zu Beginn der Energiewende nur aus der fossilen Maschine kommen kann. Wie schaffen wir das mit den geringstmöglichen kumulierten Emissionen? Denn die Temperatur der Atmosphäre hängt nicht von den momentanen, sondern den gesamten – also auch den vergangenen – Emissionen ab.
Vollgas geben, dann hart bremsen
Die beiden Forscher rechneten mehrere Szenarien durch und kamen zu einem klaren Ergebnis: Wir müssten jetzt alle fossilen Kraftwerke möglichst voll auslasten und die dadurch zusätzlich gewonnene Energie in den Aufbau der solaren Maschine stecken. „Unsere Simulation zeigt, dass der schnellstmögliche Umbau der Energiewirtschaft den geringsten kumulierten CO2-Ausstoß generiert“, so Desing. Das bedeutet paradoxerweise, dass die fossilen Emissionen während der Transition um bis zu 40% steigen, jedoch einzig mit dem Ziel, solare Infrastruktur aufzubauen. Damit könnte die Energiewende binnen fünf Jahren abgeschlossen sein, was zu den geringsten kumulierten Emissionen führt. Anschließend kann die fossile Maschine für immer abgestellt werden.
Doch selbst die schnellstmögliche Energiewende führt immer noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent dazu, dass die 1,5°-Grenze überschritten wird. Darunter geht es nicht mehr, dafür ist es schon zu spät. Und jedes Jahr, das wir zuwarten, erhöht diese Wahrscheinlichkeit weiter.
Fazit: Theoretisch wäre es noch möglich, die Wahrscheinlichkeit, die Klimagrenze von 1.5° C zu überschreiten, unter 50% zu drücken – allerdings nur, wenn wir nun bei der Energiewende Gas geben.
->Quelle: empa.energiewende