Photokatalysator aus Aerogel
ETH-Forschende haben einen neuen Photokatalysator aus einem Aerogel entwickelt, der eine effizientere Wasserstoffherstellung ermöglichen könnte. Möglich wird das durch eine raffinierte Vorbehandlung des Materials – schreibt Peter Rüegg am 29.11.2021 auf der Webseite der Eidgenössischen Technischen Hochschule. Aerogele sind außergewöhnliche Materialien, die es mit über einem Dutzend Einträgen ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft haben, unter anderem als leichteste Feststoffe der Welt.
Seit längerem arbeitet auch ETH-Professor Markus Niederberger vom Labor für Multifunktionsmaterialien mit diesen besonderen Stoffen. Die Spezialität seines Labors sind Aerogele aus kristallinen Halbleiter-Nanopartikeln. „Wir sind die einzige Gruppe weltweit, die solche Aerogele in so hoher Qualität herstellen können“. Auf Nanopartikeln basierende Aerogele dienen beispielsweise als Photokatalysatoren. Sie werden dann eingesetzt, wenn eine chemische Reaktion mithilfe von Sonnenlicht ermöglicht oder beschleunigt werden soll, etwa bei der Herstellung von Wasserstoff.
Als Material der Wahl für Photokatalysatoren gilt das Halbleitermaterial Titandioxid (TiO2). Doch dieses hat einen großen Nachteil: Es kann aus dem Spektrum des Tageslichts nur den UV-Anteil absorbieren, und dieser beträgt nur rund 5 Prozent. Soll die Photokatalyse jedoch effizient und industriell nutzbar sein, muss ein solcher Katalysator ein breiteres Spektrum nutzen können.
Spektrum mit Stickstoffdotierung erweitern
Niederbergers Doktorandin Junggou Kwon hat deshalb nach einem neuen Weg gesucht, wie ein Aerogel aus TiO2-Nanopartikeln optimiert werden kann, sodass es ein breiteres Lichtspektrum ausnützen kann. Und sie hatte eine zündende Idee: Wird das TiO2-Nanopartikel-Aerogel mit Stickstoff geimpft (oder in der Fachsprache: dotiert), sodass im Material einzelne Sauerstoff-Atome durch Stickstoff-Atome ersetzt werden, kann das Aerogel auch weitere Anteile des sichtbaren Lichts absorbieren. Dabei wird die Porenstruktur nicht zerstört. Die Studie ist soeben in der Fachzeitschrift Applied Materials & Interfaces erschienen.
Kwon stellte zuerst das Aerogel mit TiO2-Nanopartikeln und geringen Mengen des Edelmetalls Palladium her. Letzteres ist für die photokatalytische Herstellung von Wasserstoff wichtig. Danach leitete sie in einem Reaktor Ammoniakgas durch das Aerogel hindurch. Das führte dazu, dass sich einzelne Stickstoffatome in der Kristallstruktur der TiO2-Nanopartikel einbetteten.
Verändertes Aerogel macht Reaktion effizienter
Um zu prüfen, ob das so veränderte Aerogel eine gewünschte chemische Reaktion – in dem Fall die Herstellung von Wasserstoff aus Methanol und Wasser – tatsächlich effizienter macht, entwickelte Kwon einen speziellen Reaktor, in dem sie das Aerogel direkt als ein ganzes Stück (Monolith) einsetzte. Danach leitete sie ein Gasgemisch aus Wasser- und Methanoldampf durch das sich im Reaktor befindende Aerogel, das mit zwei LED-Leuchten bestrahlt wurde. Das Gasgemisch diffundiert durch den Porenraum des Aerogels, wo es an der Oberfläche der TiO2– und Palladium-Nanopartikel in den gewünschten Wasserstoff umgesetzt wird.
Die Reaktion lief in diesem Testsystem stabil und kontinuierlich, ehe die Forscherin den Versuch nach fünf Tagen abbrach. „Wahrscheinlich wäre der Vorgang länger stabil gewesen“, sagt Niederberger. „Gerade im Hinblick auf industrielle Anwendungen ist es wichtig, dass der Prozess möglichst lange stabil ist.“ Auch mit der Ausbeute sind die Forschenden zufrieden. Das Edelmetall Palladium erhöhte die Umwandlungseffizienz zudem deutlich: In Aerogelen mit Palladium entstand bis zu 70-mal mehr Wasserstoff als in solchen ohne.
Gasfluss vergrößern
Dieses Experiment diente den Forschenden vor allem als Machbarkeitsstudie. Photokatalysatoren aus Aerogelen stellen eine neue Klasse von Photokatalysatoren dar, die eine außergewöhnliche dreidimensionale Struktur anbieten und neben der Wasserstoffherstellung auch für viele andere interessante Gasphasenreaktionen in Frage kommen. Gegenüber der heute üblichen Elektrolyse haben Photokatalysatoren den Vorteil, dass sich mit ihnen der Wasserstoff nur mit Licht und ohne Elektrizität herstellen ließe.
Ob das von Niederbergers Gruppe entwickelte Aerogel jemals im großen Maßstab zum Einsatz kommt, ist noch ungewiss. Ungeklärt ist beispielsweise die Frage, wie der Gasfluss durch das Aerogel beschleunigt werden kann. Derzeit behindern die extrem kleinen Poren den Gasfluss zu stark. „Um ein solches System in industriellen Massstab betreiben zu können, müssen wir erst den Gasdurchfluss vergrößern und auch die Bestrahlung der Aerogele verbessern“, sagt Niederberger, Leitautor des Artikels „Gas-Phase Nitrogen Doping of Monolithic TiO2 Nanoparticle-Based Aerogels for Efficient Visible Light-Driven Photocatalytic H2 Production“ (Stickstoffdotierung monolithischer Aerogele auf der Basis von TiO2-Nanopartikeln in der Gasphase für eine effiziente, durch sichtbares Licht angetriebene photokatalytische H2-Produktion) in ACS Applied Materials and Interfaces. Mit seiner Gruppe arbeitet er bereits an diesen Fragestellungen.
Ein Material wie „gefrorener Rauch“
Aerogele sind außergewöhnliche Materialien. Sind extrem leicht und porös, und sie trumpfen mit einer riesigen Oberfläche auf: ein Gramm des Materials kann eine Oberfläche von bis zu 1200 Quadratmeter haben. Aerogele erscheinen aufgrund ihrer Transparenz wie „gefrorener Rauch“. Sie sind hervorragende Wärmeisolatoren und werden deshalb in der Raumfahrt eingesetzt. Zunehmend kommen sie auch für die Wärmedämmung von Gebäuden zum Zug. Allerdings ist ihre Herstellung nach wie vor energieaufwändig. Dementsprechend sind die Materialien teuer. Das erste Aerogel stellte der Chemiker Samuel Kistler 1931 aus Kieselerde her.
->Quellen:
- ethz.ch/uftig-und-effizient
- Originalpublikation: Junggou Kwon, Kyoungjun Choi, Murielle Schreck, Tian Liu, Elena Tervoort, and Markus Niederberger: Gas-Phase Nitrogen Doping of Monolithic TiO2 Nanoparticle-Based Aerogels for Efficient Visible Light-Driven Photocatalytic H2 Production. ACS Applied Materials & Interfaces 2021 13 (45), 53691-53701. DOI: 10.1021/acsami.1c12579