Doppelt einfach bauen

Dank Infrarotheizung und Flatrate-Miete

Zur Komplexitätreduktion in der Bestandssanierung von Mehrfamilienhäusern wirbt der Publizist und Energieberater Timo Leukefeld, Honorarprofessor der Technischen Universität Bergakademie Freiberg und Teil des „Autarkieteams“, für Einfachheit und „maximale Intransparenz“ als Ausweg aus dem Regulierungsdschungel. Cornelia Lichner stellte am 10.09.2021 im Portal pv magazine eines seiner Projekte und das dazugehörige Geschäftsmodell vor.

Vorbereitung zur Dämmung, Glaswolle für energetische Sanierung – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Bei teuren und wenig erprobten technische Lösungen besteht eine gewisse Gefahr, dass sie als Fehlschlag enden. Der Einbau erneuerbarer Heizsysteme in Mehrfamilienhaus-Bestandgebäude ist ein solcher Fall. Technisch können kaskadierende Wärmepumpen in Verbindung mit Photovoltaik und Spitzenlastkesseln oder Fernwärme zur Absicherung sehr komplex werden. Und auch das Geschäftsmodell mit verschiedenen Standbeinen aus dem Wärmeverkauf, Mieterstrom und Solarstrom-Vermarktung ist kompliziert. Leukefeld befürchtet, dass allein durch die Komplexität Gebäudeeigentümer bei der Entscheidungsfindung blockiert sind und es auch die Finanzierung ihrer Vorhaben erschwert. Wenn solche Lösungen dennoch gebaut würden, drohten fehlerhafte Installationen durch überforderte Handwerker und spätere Probleme bei Reparaturen oder der Wartung, so Leukefeld.

Warum „maximale Intransparenz“?

Er bezieht das vor allem auf Flüssigkeitsheizungen wie beispielsweise Wärmepumpen oder Hybridsysteme, die nach seiner Ansicht wartungsintensiv sind und bei der Erstinstallation durch die Verlegung von Heizungsrohren, Verteilerkästen, hydraulischem Abgleich und aufwändigen Steuerungen hohe Anschaffungskosten verursachen und durch die Komplexität sehr störanfällig sind.

In seinen Bauprojekten mit Immobilienunternehmen und Banken geht er diese Schwierigkeiten nun von zwei Seiten an – sowohl von der wirtschaftlichen als auch von der technischen Seite. Auf der wirtschaftlichen Seite will er die Einfachheit zurückbringen, durch „maximale Intransparenz“ wie er sagt. Dahinter verbirgt sich ein interessantes Geschäftsmodell, nämlich die Flatrate-Miete, in der für die Mieter bereits die Stromversorgung, die Wärmeversorgung und das warme Wasser enthalten sind. Je nach Projekt können sogar sommerliche Kühlung, ein Elektroauto-Carsharing und weitere Dienste rund ums Wohnen dazukommen. Auf der technischen Seite hat sich Leukefeld, der viele Häuser, darunter sein eigenes, um einen großen Saisonpufferspeicher gebaut hat, völlig von wasserführenden Heizsystemen verabschiedet. Stattdessen baut er nun mit Infrarotheizungen, die er zu einem Großteil mit Strom aus Photovoltaik betreibt. Ein zentraler, industrieller Batteriespeicher gehört ebenso zum Konzept, wie Boiler für die Warmwasserbereitung direkt in jeder Wohnung.

Miete ohne Verbrauchszähler

Leukefeld ist überzeugt, die Investition eines Immobilienunternehmens in eine bessere Dämmung und ausgefeilte erneuerbare Heiztechnik, werde sich selbst nicht amortisieren und schon gar nicht Warmmieten-neutral. „Wärme ist defizitär“, fasst er zusammen. Es gebe viele Gründe, welche die Wärmevermarktung für Vermieter zunehmend unattraktiv machten. Dazu gehörten die gestiegenen Anforderungen an die Erfassung und Abrechnung des Verbrauchs, der sinkende Wärmebedarf, der das Verhältnis von Nutzwärme zu Wärmeverlusten im Rohrsystem und bei der Produktion ungünstig verschiebe. Das Dämmen an sich werde teurer, wegen der gestiegenen Anforderungen und vor allem wegen des Handwerkermangels. Und im Kontrast zu alledem stehe die heutige sehr billige Wärmeerzeugung zum Beispiel mit Gasheizungen, die monetäre Einsparungen kaum möglich mache.

Darum müsse eine Mischkalkulation und eine Querfinanzierung über andere Energieformen die Wärme mittragen, erläutert Leukefeld. So weit hätten das viele andere Anbieter auch bereits erkannt. Mit der Flatrate-Miete geht er noch einen Schritt weiter: Wer damit auch den Haushaltsstrom abdecke, müsse sich nicht mit unattraktiven Mieterstrommodellen abgeben. Er müsse nicht einmal für jeden Mieter einen eigenen Zähler einbauen und somit weder für Smart Meter noch für den Messstellenbetrieb aufkommen. Stattdessen bekämen die Mieter eine feste Miete für bis zu zehn Jahre zugesichert und ein großzügiges Energiekontingent, das sie nicht überschreiten sollten. Das Haus wird zur Blackbox, in der sich Über- und Unterschreitungen ausgleichen. Für die Mieter vereinfacht sich die Entscheidung für oder gegen die Wohnung auf die Frage: „Kann ich mir die Miete leisten“, denn Überraschungen durch Neben-, Heiz- und Betriebskosten sollte es nicht geben. Im Gegenzug wird Sparsamkeit auch nicht belohnt.

Der Vermieter hätte durch diese Lösung inklusive aller Kosten auskömmliche und sichere Einnahmen, vorausgesetzt, die Energielösung ist so konzipiert, dass sie zu sehr vorhersehbaren Kosten produziert, sagt Leukefeld. Dafür müsse die Technik einfach, preisgünstig und wartungsarm sein.

Hoher Dämmstandard nötig

Das ideale Haus für sein Konzept ist entweder im KfW-55-Standard neu gebaut oder kernsaniert, mit schweren dicken Wänden aus Ziegeln oder Beton und es hat große nach Süden ausgerichtete Dachflächen und Fassaden. „Das bietet nicht jedes Gebäude, das ist klar. Aber es ist im Neubau möglich, wenn man ihn entsprechend plant und in etwa 25 Prozent der Altbauten,“ so Leukefeld.

Ein Altbau, bei dem die Sanierung gerade begonnen hat, steht in Aschersleben. Es ist ein typischer niedriger DDR-Plattenbau mit drei Etagen. Die Eigentümer wollten ihn eigentlich abreißen lassen. Stattdessen wurde er völlig entkernt, und nur die Betonwände, die einst unter hohen CO2-Emissionen produziert worden waren, blieben stehen. Leukefelds Team plant, das Haus um eine Etage aufzustocken und sorgfältig zu dämmen. Nach der Ertüchtigung der Hülle erhält das Haus eine zweite Haut aus Solarmodulen. Geht alles nach Plan, sinkt der Wärmebedarf auf 34 kWh/m2 im Jahr. Hinzu kommt der Energiebedarf fürs Trinkwasser. Der gesamte Energiebedarf für die 22 Wohnungen inklusive dem Strombedarf für die Haushalte und dem Allgemeinstrom würde sich auf 126.000 Kilowattstunden belaufen. Die gesamte Photovoltaik-Anlage beträgt 176 kWp.

Geheizt werde dann nur noch durch Infrarotstrahler. Infrarotheizungen seien zwar nicht so effizient wie Wärmepumpen, dafür produzierten sie die Wärme direkt vor Ort und ohne Verluste im Leitungsnetz, reagierten nicht so träge und die Strahlung erzeuge schon bei niedrigeren Raumtemperaturen ein behagliches Gefühl, erläutert Leukefeld. Im Zusammenspiel mit massiven Wänden gewinne das Gebäude zudem thermische Trägheit. Die Anschaffung und Installation einer Infrarotheizung ist deutlich günstiger als die von Wärmepumpen, da nur Stromkabel verlegt werden müssen.

In Leukefelds Vergleichsrechnung verursachen Wärmepumpen neben hohen Anschaffungs- und Installationskosten auch noch Wartungskosten, die sich über die jährlichen Energieeinsparungen bis zum Zeitpunkt der Ersatzinvestition nicht ausgleichen. Diese Annahmen lassen sich aber nicht verallgemeinern. Vorausgesetzt werden eine sehr gute Dämmung und ein hoher Photovoltaik-Ertrag. Um den Warmwasserbedarf zu decken, setzt Leukefeld künftig Boiler ein, die zwei Heizstäbe enthalten. Einer steht für die Steuerung durch den Mieter zu Verfügung und einer wird vom Energiemanagement angesteuert, um damit solare Überschüsse zu puffern. Hinzu kommt ein zentraler Batteriespeicher mit 120 kWh Kapazität.

Zubrot durch Energiemanagement

„Wir simulieren das Gebäude für die ersten zehn Jahre, inklusive der Degradation der Solarmodule und des Speichers.“ Das Ziel, den Energiebedarf des Gebäudes für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom zu mindestens 50 Prozent zu decken, werde nach dieser Simulation mit 59 bis 64 Prozent Autarkie erfüllt.

Mit den Einnahmen aus der Mischkalkulation durch die Flatrate-Miete könne der Vermieter die Kosten für die Sanierung und lukrative Zusatzeinnahmen generieren, ist Leukefeld überzeugt. Interessant sei es aber auch, externe Dienstleister mit einzubeziehen. So könne ein Energieversorger die Installation der Technik und die Betriebsführung übernehmen. Er sichere dem Vermieter ein festes Energiekontingent zu und könne dann eigenständig noch weitere Geschäftsmodelle aufsatteln. So könne er die Kapazität des Batteriespeichers für zusätzliche Netzdienstleistungen einsetzen, lokal Ladeinfrastruktur beliefern und sommerliche Überschüsse im Quartier vermarkten, zählt Leukefeld auf.

Einige Energieversorger interessierten sich schon für den Betrieb seiner Bauprojekte, denn sie müssten sich langfristig neue Geschäftsmodelle erschließen und somit Einnahmen, die unabhängig von der einzelnen verkauften Kilowattstunde seien. Allerdings, auch dieses Geschäftsmodell müsse zunächst in der Praxis gebaut und erprobt werden.

->Quelle: pv-magazine.de/doppelt-einfach-bauen-mit-infrarotheizung-und-flatrate-miete