EU-Spaltung dank Kernspaltung

BMWi: „Atomenergie als nachhaltig zu labeln, ist falsch“

„Atomkraft: Deutschland steigt aus. Europa steigt ein“, schrieb die WELT kontrapunktisch; „Der Green Deal als Hinterhof-Basar: Eine Bauchlandung nach Brüsseler Art“ ätzte das Redaktionsnetzerk Deutschland; und der SPIEGEL: „Bundesregierung bezeichnet EU-Atomkraft-Vorstoß als ‚Greenwashing‚“ – quer durch (fast) alle Medien geht die Ablehnung des Brüsseler Vorschlags, der es allen Recht machen will und doch nichts löst. Österreich und Luxemburg wollen klagen. Klimaminister Habeck äußerte sich kritisch-ablehnend.

Gasspeicher Herzssprung, AKW Isar I – Fotos © Gerhard Hofmann für Solarify

Habeck hat vor allem die Aufnahme von Atomenergie in die Taxonomie der EU kritisiert: „Die Vorschläge der EU-Kommission verwässern das gute Label für Nachhaltigkeit. Es hätte aus unserer Sicht diese Ergänzung der Taxonomie-Regeln nicht gebraucht. Eine Zustimmung zu denen neuen Vorschlägen der EU-Kommission sehen wir nicht. Ausgerechnet Atomenergie als nachhaltig zu etikettieren, ist bei dieser Hochrisikotechnologie falsch. Es verstellt den Blick auf die langfristigen Auswirkungen für Mensch und Umwelt; der hochradioaktive Atommüll wird uns über Jahrhunderte belasten. Und es mangelt auch an harten Sicherheitskriterien. Das ist mehr als bedenklich. Es ist ohnehin fraglich, ob dieses Greenwashing überhaupt auf dem Finanzmarkt Akzeptanz findet“, betonte Habeck. „Wir werden den Entwurf für den zweiten delegierten Rechtsakt in der Bundesregierung nun gemeinsam auf seine Auswirkungen hin bewerten.“

Habeck kritisierte weiter: „Fraglich ist auch, fossiles Gas mit in die Taxonomie aufzunehmen. Immerhin macht die EU-Kommission hier aber sehr klar, dass Gas aus fossilen Brennstoffen nur ein Übergang ist und es durch grünen Wasserstoff ersetzt werden muss. So müssen neue Gaskraftwerke schon jetzt auf Wasserstoffbetrieb ausgerichtet werden; ab 2035 sind sie noch mit grünem Wasserstoff oder kohlenstoffarmem Gas zu betreiben. Das ist ambitioniert und setzt große Mengen an Wasserstoff voraus.“

Es sei jetzt „eine der großen Aufgaben, entsprechende Investitionen hin zum Wasserstoff anzureizen, die nötige Infrastruktur aufzubauen und die Produktion von Wasserstoff zu pushen. Erste wichtige Projekte haben wir bereits aufs Gleis gesetzt“.

So stellt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz für 62 konkrete Wasserstoffprojekte entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette über 8 Mrd. Euro zur Verfügung. Die ausgewählten Projekte aus Deutschland fließen in ein europäisches Gesamtprojekt ein und befinden sich aktuell im sogenannten Match-Making-Prozess auf EU-Ebene. Die internationale Ebene hat das Ministerium ebenfalls im Blick. So wurde noch vor Weihnachten für ein neues innovatives Doppelauktionenmodell mit dem Titel „H2Global“ 900 Millionen Euro auf den Weg gebracht.

Die Taxonomie ist ein EU-weit gültiges System zur Klassifizierung von Finanzprodukten. Sie soll, Anlegerinnen und Anlegern Orientierung geben und Kapital in den grünen Umbau von Energieproduktion und Wirtschaft lenken.

Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) reagiert empört auf den Vorstoß der EU-Kommission zur Einstufung der Energiegewinnung aus Erdgas- und Atomanlagen als klimafreundlich. Damit würden »umweltschädliche Investitionen unter einem grünen Deckmantel ermöglicht«, warnte die Organisation. Die EU-Mitgliedstaaten und das Europaparlament müssten sich klar gegen dieses Vorhaben positionieren.

Die DUH attackierte wegen des Entwurfs Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): „Olaf Scholz riskiert klimapolitische Reputation der Bundesregierung„. Dieser habe sich offenbar „für die Aufnahme von fossilem Gas in die Taxonomie eingesetzt und dafür im Gegenzug den französischen Wunsch nach Aufnahme der gefährlichen Atomkraft unterstützt“.

Stellt sich die Frage nach dem Sinn von Worten: Wie kann eine Technologie als „Übergangstechnologie“ verstanden werden, wenn der (zeitlich begrenzte) „Übergang“ Millionen Jahre lange Konsequenzen hat?

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