Die Erde im Klimastress
CO2-Emissionen klettern ungebremst in die Höhe. Extremwetter nehmen zu und Holz und Wald werden zum umstrittenen Gut. Ein Lichtblick: Das deutsche Bundesverfassungsgericht ordnet strengeren Klimaschutz an. Ob in der Arktis oder in Deutschland, in Sibirien oder Madagaskar, überall auf der Welt war 2021 die Klimakrise spürbar. Für den so wichtige Schutz des Waldes als CO2-Speicher wird trotzdem zu wenig getan, dasselbe gilt für die Verkehrswende. Immerhin lassen Gerichte klimaschädliches Verhalten nicht mehr ungestraft. Teil 2 von zwei Jahresrückblicken der Redaktion energiezukunft – von Nicole Allé, Julia Broich, Petra Franke und Manuel Först – mit freundlicher Genehmigung.
Klimawandelfolgen bereits weltweit spürbar
Die Folgen des Klimawandels waren bereits 2021 überall auf der Welt anzutreffen. Großflächige Brände führten im Sommer dazu, dass der Amazonas-Regenwald zeitweise mehr CO2, emittierte, als er aufnahm. Durch massive Brandrodung im brasilianischen Amazonasgebiet war der Wald erstmals gekippt. Auch das Eisschild Grönlands drohte zu kippen, Permafrostböden in der arktischen Tundra tauten ungebremst und Forscher sahen erstmals Anzeichen dafür, dass der Golfstrom kollabieren könnte.
Die extremen Folgen der Erderwärmung treffen längst nicht immer die, die dafür verantwortlich sind. Ganz im Gegenteil: Stürme, Fluten, Dürren treffen arme Länder besonders hart. Der Klimaschutz-Index 2021 zeigt, dass Mosambik, Simbabwe und die Bahamas 2019 am stärksten unter den Auswirkungen von Extremwetterereignissen zu leiden hatten. Madagaskar erlebte dieses Jahr die schwerste Dürre seit 40 Jahren. Nun droht den Menschen des Inselstaats die erste klimabedingte Hungersnot. Und die Küsten Ghanas, wo ein Viertel der Bevölkerung lebt, wird immer häufiger von Fluten heimgesucht.
Die globale Erwärmung sorgt jedoch auch dafür, dass Wetterlagen in den Sommermonaten der Nord-Halbkugel länger anhalten und zu Hitzewellen, Dürreperioden und intensiven Regenfällen werden. Der Westen der USA und Kanada litt Mitte des Jahres bereits unter extremen Hitzewellen. In Europa sind bereits rund 70 Prozent der Landfläche von extremen Wetterlagen betroffen.
In Deutschland ist die durchschnittliche Jahrestemperatur bereits stärker gestiegen als im globalen Vergleich. Die Flutkatastrophe im Rheinland zeigte, was das bedeuten kann. Als Konsequenz kündigte die Regierung einen Klimaschaden-Kataster gegen Klimarisiken an. Denn die Klimakrise macht Starkregenfälle und Überschwemmungen – wie Mitte Juli an Ahr, Erft und Maas – und nicht nur dort – wahrscheinlicher.
Ein UNICEF-Bericht skizzierte das erschreckende Bild der Klimakrise für Kinder im Children’s Climate Risk Index (CCRI). Hunderte Millionen Kinder werden demnach an den Folgen des Klimawandels zu leiden haben. Wirbelstürme, Überschwemmungen, Hitzewellen, Infektionskrankheiten, Verschmutzung von Luft, Wasser, Böden und somit auch Lebensmitteln sowie Wasserknappheit gehören zu den gefährlichsten Klimawandelfolgen. Mit den bisherigen Zusagen von Regierungen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen drohen heute geborenen Kindern bis zu siebenmal mehr Wetterextreme in ihrem Leben als ihren Großeltern.
Auch die deutschen Wälder leiden unter Hitzestress. Besonders Nadelbäumen machen steigende Temperaturen zu schaffen. Der NABU warnte unlängst, dass ein sechstes Massensterben in vollem Gange sei. Bestäubende Insekten verschwinden und mit ihnen die Vögel über Feldern und Wiesen, in den Weltmeeren brechen Fischbestände zusammen, eine Million Tier- und Pflanzenarten waren und sind laut Weltbiodiversitätsrat vom Aussterben bedroht.
Trockenwälder und Wüsten breiten sich mit dem Klimawandel aus. Rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Flächen könnte bis zum Ende des Jahrhunderts unbrauchbar werden. Die zunehmenden Folgen der globalen Erwärmung zeigen, dass die Klimaresilienz wirtschaftlich sinnvoll und dringend notwendig ist.
Rohstoff Holz versus Klimaschützer Wald
Weltweit hat die Aufmerksamkeit für Wälder, ihren Zustand und ihre Klimaschutzwirkung stark zugenommen. Immer mehr Studien untersuchen die vielfältigen Zusammenhänge, aber auch die Holzströme werden immer genauer beobachtet. Für den südamerikanischen Regenwald war das Jahr 2021 kein gutes. Die Abholzung ging ungebremst weiter, besonders in Brasilien.
Die Wälder in Europa leiden vor allem unter der Dürre. Verheerende Waldbrände in Griechenland, Italien, Frankreich, Spanien und in der Türkei beherrschten die Nachrichten im Sommer. Die Waldschäden in Deutschland beziffert alljährlich der Waldzustandsbericht – sie werden immer stärker und unübersehbarer. Die Politik auf europäischer und nationaler Ebene hat einige Weichen gestellt. In Deutschland kam aus dem Landwirtschaftsministerium eine Strategie zum Waldumbau.
Neben der Schaffung widerstandsfähiger Mischwälder sollen Waldbesitzer für die Klimaschutzwirkung ihres Waldes honoriert werden. In Gesetzesform gegossen wurde die Strategie bisher nicht. Zum Waldschutz sollen außerdem die Lieferketten von Holz genauer überwacht werden. Die Umweltschutzorganisation Earthsight deckte immer wieder Fälle auf, in denen illegal geschlagenes Holz in die EU gelangte und hier weiterverarbeitet wurde.
Eine Analyse der europäischen Kommission kam außerdem zu dem Ergebnis, dass ein nicht unerheblicher Teil des Holzes, welches in Europa zur Energiegewinnung verbrannt wird, aus Primärquellen stammt. Eigentlich sollte aber nur Restholz verbrannt werden, das bereits andere Nutzungen erfahren hat. Insofern ist auch die geplante Umrüstung von Kohlekraftwerken zur Holzverbrennung ein Schritt in die falsche Richtung.
Im Rahmen der Weltklimakonferenz COP26 wurde eine Absichtserklärung zum Schutz der Wälder, vor allem zum Stopp der Abholzung, von vielen Staaten unterschrieben. Allerdings kritisierten Beobachter, dass dies an sich noch kein wirksamer Waldschutz sei. Die Europäische Union verabschiedete im Sommer eine europäische Waldstrategie, die allerdings von der damaligen CDU-Landwirtschaftsministerin Klöckner als unausgewogen bezeichnet wurde. Sie sah darin zu viel Naturschutz und zu wenig Holzwirtschaft. Der EU-Rechnungshof sah, aber im Gegensatz zu Frau Klöckner, ebenfalls Mängel der bisherigen europäischen Forststrategie: sie habe im Ergebnis wenig zur Gesundung der Wälder beigetragen.
CO2-Emissionen steigen, aber sie werden teurer
Zu Beginn des Jahres führte die Bundesregierung einen CO2-Preis für Verkehr und Wärme ein. Der Einstiegspreis betrug 25 Euro pro Tonne und soll jährlich ansteigen, bis er 2025 bei 55 Euro liegt. Experten wie Claudia Kemfert sahen den zunächst moderaten Anstieg kritisch. Ein CO2-Preis von 150 Euro pro Tonne Kohlendioxid sei nötig, um die notwendigen Emissionsminderungen erreichen zu können. Bei den CO2-Emissionen ist nämlich ohne Pandemie-bedingte Einschränkungen noch keine Verkehrswende in Sicht. Um das Klimaziel zu erreichen, hätten Emissionen im Vergleich mit 2020 sinken müssen. Bereits Mitte des Jahres war absehbar, dass dies nicht passieren würde.
Trotz Umwelt- und Klimaproblemen hielt Deutschland am geplanten Bau vieler Fernstraßen fest. Ein Beispiel ist die A49 durch den Dannenröder Wald in Hessen, der von den Grünen und Tarek Al-Wazir in Koalition mit der CDU mitgetragen wird. Umweltverbände hoffen auf eine Änderung der verfehlten Verkehrsplanung mit der neuen Regierung. Dazu gehört auch der undifferenzierte Anstieg der Pendlerpauschale, der ab diesem Jahr greift. Das Umweltbundesamt sieht darin Fehlanreize für den Klimaschutz.
Vorläufig überlebt haben einige Pop-Up-Radwege. Gegen die Radwege wurde in Berlin geklagt, doch noch dürfen sie bleiben. Ein endgültiges Urteil steht allerdings aus. Um die Rechte aller Nicht-Autofahrenden zu stärken, plädiert der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) für ein neues Bundesmobilitätsgesetz, das auf nachhaltige Mobilität ausgerichtet ist.
Im Sommer verabschiedete die europäische Kommission das Fit For 55, ein Maßnahmenpaket zur Umsetzung des Green Deal. Demnach kommt das Aus für Verbrennermotoren 2035 und ein eigener Emissionshandel (ETS) für den Wärme- und Verkehrsbereich.
Zur Bundestagswahl im Herbst legten zahlreiche NGO Studien und Fahrpläne für die Umgestaltung der Wirtschaft vor. Eine KfW-Studie sah im Verkehrssektors den größten Investitionsbedarf. Das Wuppertal Institut schlug in einem Impulspapier klare Maßnahmen vor: Der öffentliche Verkehr und Radwege – auch in Kleinstädten – müssen schnell und deutlich ausgebaut werden. Statt Flächen zu versiegeln, sollten Grünflächen geschützt und die Mehrfachnutzung von Gebäuden erleichtert werden. Kürzere Wege, schnellerer Umstieg auf Elektromobilität, attraktive Alternativen zu Auto und LKW sind Teile der Verkehrswende. Weniger Verkehr, mehr Elektro, gehört auch zu den 22 Handlungsempfehlungen des Klimaschutz-Sofortprogramms der drei Think Tanks Agora Energiewende, Stiftung Klimaneutralität und Agora Verkehrswende für die neue Legislaturperiode. Demnach sollte die Kfz-Steuer am CO2-Ausstoß ausgerichtet und das Steuerprivileg für Diesel abgeschafft werden. Damit der Umstieg auf Elektromobilität kontinuierlich vorangeht, setzt das Sofortprogramm auf einen Masterplan für den Ausbau der Ladeinfrastruktur und ein Investitionsförderprogramm für die Elektrifizierung des ÖPNV.
2021 war zwar das europäische Jahr der Schiene. Die Bahnpolitik hingegen ist aber eher entgleist. In Deutschland kritisierte der Bundesrechnungshof die Regierung für fehlgeleitete Investitionen in Straßen statt Schienen, und auch der fortbestehende Flickenteppich europäischer Bahnsysteme zeigt, wie wenig hier passiert ist. Flüge sind oft noch immer schneller und günstiger als Züge. Frankreich ging hier voran und hat inländische Kurzstreckenflüge verboten. Voraussetzung war und ist allerdings, dass die Strecke in maximal zweieinhalb Stunden per Zug zu schaffen ist, was die Reichweite des Gesetzes drastisch einschränkt. In Deutschland wie in Europa fehlte es an Investitionen, Kooperation und politischem Willen pro Schiene. Die neue Regierung kündigte jedoch eine radikale Bahnreform in Deutschland an.
Klimaschädliches Verhalten vor Gericht
Ein wegweisendes Urteil im Frühjahr 2021: Nach zahlreichen Verfassungsklagen junger Menschen und Umweltorganisationen, gab das Bundesverfassungsgericht einer Klage recht. Das 2019 beschlossene Klimaschutzgesetz der Großen Koalition ist in Teilen verfassungswidrig. Ab 2031 würden ausreichend Vorgaben für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen fehlen. Das Recht der jungen Kläger:innen auf ein sicheres Leben in der Zukunft sei in Gefahr, urteilten die Verfassungsrichter. Daraufhin besserte die bisherige Bundesregierung das Klimaschutzgesetz nach. Auch gegen einzelne Bundesländer gehen junge Kläger:innen inzwischen aufgrund fehlender oder ungenügender Klimagesetze vor.
Eine weiteres für die Klimabewegung erfolgreiches Urteil erließ Anfang September das Kölner Verwaltungsgericht. Ein Mensch, der die Räumung des Hambacher Forstes 2018 am eigenen Leib miterlebte, hatte dagegen geklagt. Und die Richter gaben der Klage recht. Die Räumung aus Brandschutzgründen sei nur vorgeschoben gewesen. Die beklagte Stadt Kerpen, die nur ausführendes Organ war, wollte das Urteil akzeptieren. Doch die NRW-Landesregierung, die Weisung zur Räumung gab, zwingt die Stadt vor dem Oberverwaltungsgericht in Berufung zu gehen.
Noch kein Urteil wurde indes vor dem Europäischen Gerichtshof bezüglich des Braunkohletagebaus Turów in Polen gefällt. Teuer kommt der Weiterbetrieb des Tagebaus Polen schon jetzt zu stehen. Die Braunkohle wird im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Tschechien abgebaut und sorgt für erhebliche Umweltbeeinträchtigungen in beiden Ländern. Tschechien hatte im Februar Klage vor dem EuGH gegen Polen und deren Genehmigung für den Weiterbetrieb des Tagebaus bis 2026 eingereicht. Untersuchungen ergaben, dass die für den Tagebau nötige Absenkung des Grundwasserspiegels zu Verlust von Trinkwasser auf tschechischer Seite führt.
Das EuGH ließ die Klage zu und verordnete einen sofortigen Abbaustopp für Turów. Doch Polen weigert sich bislang dem nachzukommen. Der Tagebaubetrieb geht weiter. Auch nachdem das EuGH eine Geldstrafe von 500.000 Euro jeden Tag verhängte, an dem der Kohleabbau fortgeführt wird. Der Strafzahlung verweigert sich Polen ebenfalls. Inzwischen fordert die EU-Kommission Polen zur Zahlung von weiteren 25 Millionen Euro auf, weil es gegen die Auflagen des EuGH verstößt. Andernfalls droht die Kommission den entsprechenden Betrag von EU-Subventionen an Polen abzuziehen. Ein Urteil zur Klage Tschechiens wird indes bis Anfang 2022 erwartet.
Autoren: Nicole Allé, Julia Broich, Petra Franke und Manuel Först