„Müssen Geschwindigkeit der Emissionsminderung verdreifachen“

Habeck legt Eröffnungsbilanz Klimaschutz vor – Reaktionen

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) hat am 11.01.2022 zusammen mit Staatssekretär Patrick Graichen die angekündigte Eröffnungsbilanz Klimaschutz vorgelegt und Sofortmaßnahmen präsentiert, um aufzuzeigen, wo Deutschland bei den einzelnen Handlungsfeldern steht. Das gilt sowohl für die Klimaziele in den verschiedenen Sektoren als auch für den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Netzausbau. Die Eröffnungsbilanz zeigt, wie sehr der Klimaschutz in Deutschland hinter den Erwartungen liegt. Die Reaktionen fielen überwiegend positiv aus.

Wasserdampf-, CO2– und Rauchausstoß in Berlin – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Habeck: „Die Eröffnungsbilanz Kilmaschutz zeigt: Wir starten mit einem drastischen Rückstand. Die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen sind in allen Sektoren unzureichend. Es ist absehbar, dass die Klimaziele der Jahre 2022 und 2023 verfehlt werden. Aber wir unternehmen alle Anstrengungen, um den Rückstand wettzumachen. Hierzu müssen wir die Geschwindigkeit unserer Emissionsminderung verdreifachen und deutlich mehr in weniger Zeit tun.“ Und: „Wir wollen bis 2045 klimaneutral werden und bis 2030 den Anteil Erneuerbarer Energien auf 80 Prozent steigern. Die Arbeit dafür hat begonnen. Die prioritären Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen setzen wir jetzt aufs Gleis – eine erstes Klimaschutz-Paket kommt bis Ende April, ein zweites im Sommer.“

Ziel des Klimaschutz-Sofortprogramms ist es, alle Sektoren auf den Zielpfad zu bringen und die erforderlichen Maßnahmen in die Wege zu leiten, damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann. Alle dafür notwendigen Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen sollen bis Ende 2022 abgeschlossen werden. Damit dies gelingt, wird die Bundesregierung die Erstellung und Umsetzung des Programms konsequent vorantreiben. Habeck machte deutlich: „Das alles ist eine Mammut-Aufgabe. Und es wird einige Jahre dauern, bis wir die Erfolge sehen werden. Aber das, was wir jetzt machen, legt die Grundlage dafür, Klimaschutz und Wohlstand zusammenzubringen.“

Die Sofortmaßnahmen, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zeitnah vorlegen will, sind einer Medienmitteilung folgend unter anderem:

  • „EEG-Novelle: Wir stellen im EEG die Weichen für 80 Prozent erneuerbare Stromerzeugung bis 2030. Dafür erhöhen wir die Ausschreibungsmengen. Die technologiespezifischen Mengen werden anwachsend ausgestaltet, von Anfang an von einem sehr ambitionierten Niveau ausgehend. Dabei wird ein Bruttostromverbrauch in der Mitte des Korridors aus dem Koalitionsvertrag (680 – 750 TWh) unterstellt, also 715 TWh. Wir werden den Grundsatz verankern, dass der EE-Ausbau im überragenden öffentlichen Interesse ist und der öffentlichen Sicherheit dient.
  • Solarenergie: Wir entfesseln die Solarenergie mit einem Solarbeschleunigungspaket. Das Solarbeschleunigungspaket beinhaltet ein breites Bündel an Einzelmaßnahmen, um die Solarenergie deutlich voranzubringen. Hierzu zählen unter anderem eine Verbesserung beim Mieterstrom, die Anhebung der Ausschreibungsschwellen und eine Öffnung der Flächenkulisse für Freiflächenanlagen unter Beachtung von Naturschutzkriterien. Zudem setzen wir gesetzlich das neue Ziel um, dass alle geeigneten Dachflächen künftig für die Solarenergie genutzt werden sollen. Bei gewerblichen Neubauten wird Solarenergie verpflichtend, bei privaten Neubauten die Regel.
  • Windenergie: Wir erschließen kurzfristige Flächenpotenziale für Wind an Land und beschleunigen mit einem Wind-an-Land- Gesetz den Ausbauprozess. Wir werden die Abstände zu Drehfunkfeuern und Wetterradaren reduzieren und Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit des Windausbaus mit militärischen Interessen umsetzen. Hier schlummern große Flächenpotenziale. So sind im Bereich Funknavigation und Drehfunkfeuer 4 bis 5 GW Leistung möglich. Zusätzlich gibt es ein Potenzial von 3 bis 4 GW Leistung im Bereich militärischer Belange. Mit dem Wind-an-Land-Gesetz werden wir zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie reservieren, den Windenergieausbau mit dem Artenschutz versöhnen und die Voraussetzungen für zügigere Planungs- und Genehmigungsverfahren schaffen.
  • Senkung des Strompreises: Wir schaffen die Grundlage für mehr erneuerbaren Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen. Vor allem im Vergleich zu fossilen Energieträgern soll Strom günstiger werden. So machen wir Wärmepumpen und E-Mobilität attraktiver und bringen die Sektorkopplung voran. Deshalb werden wir ab 2023 die EEG-Umlage über den Bundeshaushalt finanzieren und entlasten damit die Verbraucherinnen und Verbraucher bei den Stromkosten. Mit der Abschaffung der EEG-Umlage überführen wir die an die Besondere Ausgleichsregelung gekoppelten Umlagen (KWKG-, Offshore-Netzumlage) in ein eigenes Gesetz, um der Industrie bei den übrigen Umlagen eine verlässliche und planbare Rechtsgrundlage zu schaffen.
  • Klimaschutzverträge mit der Industrie: Wir werden die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für die Bereitstellung von Klimaschutzdifferenzverträgen (Carbon Contracts for Difference) als zentrales Instrument zur Unterstützung der Transformation in der Industrie schaffen. Für den Einstieg in klimaneutrale Produktionsverfahren benötigt die Industrie einen verlässlichen Förder- und Investitionsrahmen. Durch dieses Instrument wird sich die Wirtschaftlichkeit klimaneutraler Produktionsverfahren früher einstellen und die Kosten werden für die Unternehmen planbarer.
  • Wärmestrategie: Auch in der Wärme streben wir einen sehr hohen Anteil der erneuerbaren Energien an und werden bis 2030 50 Prozent der Wärme klimaneutral erzeugen. Energieeffizienz sehen wir als zweite Säule an, daher werden wir für das optimale Zusammenspiel beider Instrumente eine neue Gebäudestrategie Klimaneutralität erarbeiten. Wir werden den Klimaschutz im Gebäude entscheidend voranbringen und uns für eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung sowie die Dekarbonisierung und den Ausbau der Wärmenetze einsetzen. Dafür werden wir die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) unmittelbar nach der beihilferechtlichen Genehmigung in Kraft setzen und ihre Finanzierung aufstocken.
  • Gebäudestandards und -förderung: Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen schaffen wir mit einer zügigen Überarbeitung des Gebäudeenergiegesetzes verlässliche Planungsgrundlagen für Investitionen. Damit werden wir Neubauten und Gebäudesanierungen auf das Ziel der Klimaneutralität 2045 sowie einen deutlich reduzierten Energiebedarf ausrichten. Wir setzen so die Vereinbarung im Koalitionsvertrag um, dass ab 2025 jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von mindestens 65 Prozent Erneuerbarer Energien betrieben wird. So verhindern wir Fehlinvestitionen, die nicht mit unseren Klimazielen vereinbar sind. Die Bundesförderung für effiziente Gebäude wird parallel zügig angepasst; sie wird die neuen Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes flankieren und bis 2025 den Markt durch effiziente Anreize an diese Schritte heranführen.
  • Wasserstoffstrategie: Wir passen unsere Maßnahmen zum Markthochlauf der Wasserstofftechnologie an, um die Produktion an grünem Wasserstoff gegenüber den bisherigen Plänen zu verdoppeln. Hierfür werden wir die Nationale Wasserstoffstrategie noch in diesem Jahr überarbeiten und zusätzliche Förderprogramme auf den Weg bringen.“

Dies sei nur eine erste Auswahl geplanter Projekte. Derzeit werde geprüft, welche weiteren Maßnahmen schnell auf den Weg gebracht werden könnten. Zudem würden weitere Maßnahmen aus anderen Ressorts und Sektoren in das Sofortprogramm einfließen, das in den kommenden Monaten in engem Schulterschluss innerhalb der Bundesregierung erarbeitet werde.

Reaktionen: VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing, der die Stadtwerke vertritt:

„Beim Klimaschutz besteht erheblicher Nachholbedarf. Diese Diagnose des neuen Bundeswirtschaftsministers teilen wir. Die Stadtwerke begrüßen Habecks Ankündigung, diesen Rückstand durch ein umfassendes Reformprogramm aufzuholen. Bereits mit der Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes 2021 haben wir als Energiewende-Praktiker deutlich gemacht: Klimaschutz braucht mehr, als nur neue Ziele zu formulieren. Erfolgreicher Klimaschutz braucht eine machbare Strategie und konkrete Maßnahmen. Wir können den Bundeswirtschaftsminister nur ermutigen, mehr Tempo beim Klimaschutz zu machen. Dabei wird es auf eine zügige rechtliche Verankerung der Vorschläge und auf die praktische Umsetzbarkeit der Maßnahmen ankommen. Die Stadtwerke stehen bereit, die Energiewende vor Ort zu realisieren. Je schneller Klarheit für alle Beteiligten besteht, desto schneller können wir auch die Herausforderungen angehen.
Robert Habeck hat die richtigen Ziele benannt: beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien, wettbewerbsfähige Preise für erneuerbaren Strom, ein ambitionierter Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft sowie eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung für örtlich angepasste Lösungen der Wärmewende sind VKU-Kernforderungen.“

Bundesverband Erneuerbare Energie begrüßt Sofortmaßnahmen:

„Zeitpunkt, Umfang und Inhalt der Präsentation heute machen deutlich, dass die neue Hausspitze im Bundeswirtschafts- und -klimaministerium den dringenden Handlungsbedarf beim Klimaschutz und für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort erkannt hat und den mangelnden Elan der letzten Jahre schnell in eine neue Dynamik umwandeln will. Das begrüßen wir ausdrücklich und stehen mit innovativen Technologien ‚made in Germany‘, Knowhow und Engagement bereit, die Energiewende in Deutschland in großen Schritten auf Erfolgskurs zu bringen,“ so BEE-Präsidentin Simone Peter.
Der Minister habe deutlich gemacht, dass sich die Zeitfenster für das Erreichen der Klimaziele immer weiter schließen und angesichts steigender Treibhausgasemissionen sofortiges Handeln notwendig sei. „Die neuen Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren Energien sind ambitioniert, deshalb zählt jeder Tag für die Umsetzung. Die angekündigten Oster- und Sommerpakete mit eilbedürftigen Gesetzen und Maßnahmen sind wichtige Etappen, um Investitionen für Erneuerbare-Energien-Anlagen und die Kopplung der Sektoren anzureizen. Immer noch bestehen Hemmnisse und Deckel in den Energiegesetzen und fehlen Flächen und Genehmigungen. Die heute vorgeschlagenen Pläne – von der EEG-Novellierung mit höheren Zielen, Ausschreibungsmengen und der Betonung der öffentlichen Bedeutung der Erneuerbaren, über ein Solarbeschleunigungsgesetz mit besseren Fördersätzen, einem Wind-an-Land-Gesetz, das die notwendigen Flächen sichert, bis hin zu Wärme-, Industrie- und Wasserstoffstrategien – kommen aus Branchensicht zur richtigen Zeit. Auch die Ambition, im Stromsektor bereits bis 2035 Klimaneutralität zu erreichen, ist ein wichtiges Signal für den Klimatechnologiestandort. Wir werden diese Vorhaben sowie energiewirtschaftliche Fragen wie die Erarbeitung eines neuen Strommarkts eng begleiten und unterstützen den neuen Kurs ausdrücklich. Eine neue Ära der Energie- und Klimaschutzpolitik hat begonnen.“

DUH: Habecks klimapolitischem Kassensturz müssen konkrete Maßnahmen folgen: Maßnahmenpaket greift zu kurz

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe: „Der heute vorgelegte klimapolitische Kassensturz zeigt, wie schlimm es um den Klimaschutz in Deutschland steht. Vor allem beim Rückgang des Ausbaus von Wind- und Sonnenenergie und in der verheerenden Verkehrspolitik rächt sich die Tatenlosigkeit der Vorgänger-Regierung im Klimaschutz. Das von Klimaschutzminister Habeck vorgelegte Maßnahmenpaket enthält einige dringend notwendige Maßnahmen wie die Anhebung der Ausbauziele für die Erneuerbaren Energien und die Solardachpflicht für Neubauten. Ohne konsequenten Ausbau der Erneuerbaren bleibt auch die Umstellung der energieintensiven Industrie auf grünen Wasserstoff ein frommer Wunsch. Notwendig ist auch eine massiv verstärkte Förderung der Altbausanierung. Insgesamt geht das heute vorgestellte Maßnahmenpaket leider über die unzureichenden Klimaschutzversprechen aus dem Koalitionsvertrag nicht hinaus. Konkrete Maßnahmen vor allem für die Bereiche Verkehr, Kreislaufwirtschaft und Landwirtschaft fehlen. Verbraucherinnen und Verbraucher warten beispielsweise noch immer auf die Kennzeichnung des CO2-Ausstoßes von Pkw-Neuwagen. Erste Amtshandlungen wie die verlängerte Förderung von Klimakiller-SUV mit Plug-In-Antrieb gehen eindeutig in die falsche Richtung.“

Green Planet Energy: „Habeck muss vorhandene Konzepte für mehr Bürgerbeteiligung nutzen“

Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation bei der Ökoenergiegenossenschaft Green Planet Energy: „Minister Habeck tut gut daran, mögliche Widerstände und Konflikte mit Anwohner ernst zu nehmen und Bürger stärker einzubinden, um sie für den von ihm skizzierten Energiewende-Turbo zu gewinnen. Dabei kommt es aber auf funktionierende, konkrete Maßnahmen an, wie man die Menschen wirklich mitnehmen kann. Da blieb der Minister heute abseits von Absichtserklärungen leider etwas vage.

Dabei existieren konkrete Konzepte bereits – und die sollten unbedingt genutzt werden. So eröffnet etwa ein beschleunigter Kohleausstieg eine riesige Chance: Ehemalige Braunkohlegruben eignen sich bestens für einen oft sehr viel konfliktärmeren Zubau von großen Wind- und Solarparks. Der Koalitionsvertrag kündigt eine Stiftung an, die sich um die ehemaligen Tagebauflächen kümmern soll. Wir schlagen vor, dass diese Stiftung die Braunkohleflächen schnell an Erneuerbare-Energien-Projekte vergeben soll – vorrangig Bürgerenergie vor Ort. Das stärkt nicht nur die Wertschöpfung in der Region, sondern auch die Wertschätzung der Erneuerbaren! Auch das so genannte „Energy Sharing“, also das Teilen von gemeinschaftlich produziertem Ökostrom zwischen den Mitgliedern von Erneuerbaren-Gemeinschaften, ist ein wichtiger Türöffner hin zu mehr Akzeptanz und Partizipation. Doch gerade bei dieser Art der dezentralen und bürgernahen Energiewende hinkt Deutschland anderen europäischen Ländern hinterher, noch immer gibt es rechtliche Hürden und fehlende Anreize. Auch hier muss Habeck nachbessern, wenn er seinen ehrgeizigen Plänen und einer besseren Einbindung von Bürger:innen Leben einhauchen will.“

Greenpeace-Klimaexpertin Lisa Göldner: “Aufbruch liegt in der Luft. Mit einem ersten Paket an Sofortmaßnahmen verpasst Robert Habeck der darbenden deutschen Energiewende einen dringend nötigen Booster. Wenn Habeck den Ausbau von Sonne und Wind jetzt deutlich beschleunigt, ist das auch das Signal an seine Kabinettskollegen und -kolleginnen, umgehend weitere Notfall-Pakete für die Bereiche Verkehr, Landwirtschaft und Bauen zu schnüren. Nur so kann Deutschland endlich seine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beenden und auf 1,5-Grad-Kurs kommen. Um die Glaubwürdigkeit der Ampel beim Klimaschutz nicht zu gefährden, sollte Habeck auf europäischer Eben noch diese Woche klar machen, dass Gas und Atom keine nachhaltigen Energien sind. Sie haben keinen Platz in einer europäischen Förderarchitektur für den Klimaschutz.”

bne: „Energiewende durchstarten und Stromsektor bis 2035 dekarbonisieren“ 

bne-Geschäftsführer Robert Busch begrüßte das Sofortprogramm: „Wir freuen uns, dass sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz dem 1,5 Grad-Pfad der Internationalen Energieagentur anschließt und das Ziel verfolgt, den Stromsektor bis 2035 vollständig zu dekarbonisieren. Das ist ein wichtiger Schritt – auch für den Einsatz von grünem Strom im Wärme- und Verkehrssektor sowie zur Produktion von grünem Wasserstoff. Jetzt müssen alle an einem Strang ziehen: Bundesländer und Kommunen ebenso wie Netzbetreiber und der Artenschutz. Der Fahrplan ist ehrgeizig, aber machbar. Besonders schnelle Erfolge können bei der Photovoltaik erzielt werden. Ein Zubau von 200 GW bis 2030 ist realistisch, wenn bestehende Fesseln konsequent gelöst und Bürokratie abgebaut werden“, kommentiert das heute vorgestellte Sofortprogramm.

Um die Weichen für den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien zu stellen, braucht es ein modernes weiterentwickeltes Strommarktdesign, das sich auf den Markt stützt. „Flexibilisierung und die Sektorenkopplung müssen vorangebracht werden. Mehr erneuerbare Energien und mehr Flexibilität werden mittelfristig auch die Strompreise begrenzen. Inflexibilität darf nicht länger wie momentan über die Netzentgeltverordnung gefördert werden“, betonte Busch. Die Förderung fossiler Energien wie über das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) muss beendet werden, damit diese nicht im Widerspruch zu den neuen Zielsetzungen des BMWi steht. Bei den anstehenden Gesetzespaketen spielen die Digitalisierung und deutliche Vereinfachungen beim Messstellenbetriebsgesetz eine zentrale Rolle, um mehr Flexibilität zu ermöglichen. Moderne Geschäftsmodelle dürfen hier nicht länger an praxisuntauglichen Anforderungen scheitern.

„Auch die Netzbetreiber müssen jetzt liefern und die Voraussetzung dafür schaffen, dass der Strom vom Netz aufgenommen werden kann. Der Netzausbau im Verteilungsnetz wird durch den Ausbaubedarf der Erneuerbaren bestimmt und muss jetzt schleunigst in Gang kommen“, betont Busch. Heute agieren die rund 900 Netzbetreiber in Deutschland mehr oder minder unkoordiniert und blockieren so eine effiziente Energiewende. Hier ist eine ortsübergreifende Netzplanung und -betriebsführung mit regionalen leistungsfähigen Netzclustern notwendig.

Ausdrücklich begrüßt der bne auch die Erhöhung der Ausschreibungsmengen sowie Öffnung der Flächenkulisse für PV-Freiflächenanlagen unter Beachtung von Naturschutzkriterien. Solarparks tragen maßgeblich zur Lösung der Klimakrise bei und erhöhen bei guter Planung zusätzlich die Biodiversität. „Viele Solarunternehmen haben sich bereits freiwillig dazu verpflichtet, Solarparks so zu planen und zu betreiben, dass die Artenvielfalt nachweisbar profitiert. Und die Kommunalbeteiligung sichert Gemeinden jährliche, frei verwendbare Einnahmen. PPA-Anlagen sollten daher durch Bürgschaftsabsicherungen gestärkt und Größenbegrenzungen bei Ausschreibungsanlagen angehoben werden“, so Busch weiter. Der bne setzt sich dafür ein, dass sich die neue Bundesregierung darüber hinaus auch für die Verbesserung von Rahmenbedingungen für PPA-Anlagen einsetzt, die keine Marktprämie erhalten.

„Parallel brauchen wir eine starke Privatinitiative, um das große Potenzial der Gebäude-PV zu entfesseln. Neuer Standard muss es werden, dass geeignete neue oder sanierte Dächer vollständig für Solarenergie verwendet werden“, fordert der bne-Geschäftsführer. Auch ist richtig, dass Handlungsbedarf im Gebäudebereich erkannt wird. Die angedachte Überarbeitung des Gebäudeenergiegesetzes ist sinnvoll. Jedoch ist noch zu schwach im Programm verankert, dass auch Vereinfachung und mehr konzeptionelle Freiheit hinter einer klar definierten Schnittstelle zum Netz und zum Energiemarkt nötig sind, um dezentrale Konzepte zu stärken.

BUND: Klimapolitische Inventur mit Licht und Schatten – Maßnahmen reichen nicht aus

Anlässlich der klimapolitischen Eröffnungsbilanz von Klimaschutzminister Robert Habeck erklärt Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):
„Es ist zu begrüßen, dass mit einer ehrlichen Analyse gestartet wurde und mit zügigen und großen Schritten nachgesteuert werden soll. Aus Sicht das BUND ist es nicht verwunderlich, dass voraussichtlich auch in diesem und im kommenden Jahr die Klimaziele der Bundesregierung verfehlt werden. Zu lange wurde Klimaschutz nicht ernst genug genommen, obwohl die protestierenden Menschen auf der Straße jahrelang lautstark auf die Kluft zwischen Worten und Taten hingewiesen haben.
Positiv ist der geplante Aufschwung für den naturverträglichen Ausbau der Solar- und Windenergie. Dieser ist eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende und für Klimaschutz in Deutschland. Für einen echten Aufschwung braucht es nun schnelle Maßnahmen für den dezentralen Ausbau und die Nutzung der erneuerbaren Energien in Bürgerhand. Eine Energiewende von oben wird scheitern. Positiv ist auch zu sehen, dass Energieeffizienz eine hohe Bedeutung bekommt. Dafür sind nun rechtlich verbindliche Energiesparziele nötig.
Aber auch andere Sektoren müssen schnell liefern. Deutschland kann sich keine weiteren Lücken leisten. Besonders die Bereiche Landwirtschaft, Mobilität und Gebäude bleiben hinter ihren Klimazielen zurück.
Es muss klar gesagt werden: Deutschlands Klimaziele sind noch immer nicht kompatibel mit dem Pariser 1,5-Grad-Ziel. Ein klares Ja zum Kohleausstieg, der ein Schlüssel für das Erreichen der Klimaziele bis 2030 ist, ließ Habecks Eröffnungsbilanz leider vermissen. Kritisch sieht der BUND darüber hinaus auch, dass fossile Gasenergie noch zulange eine große Rolle spielen soll.“

Germanwatch: „Zentrale Messlatte für neue Bundesregierung“

Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch begrüßt, dass Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck heute eine schonungslose Startbilanz zum Stand des Klimaschutzes vorgelegt habe. „Wir benötigen nun ein radikal realistisches Klimaschutz-Sofortprogramm“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Dafür sind jetzt die Ministerien für Verkehr, Bau und Landwirtschaft gemeinsam mit dem Klimaminister in der Pflicht. Sie müssen in diesem Jahr ihre jeweiligen Sektoren auf einen Pfad zum Erreichen der Klimaziele bringen. Für die neue Bundesregierung ist es eine zentrale Messlatte, dass in allen Sektoren die Ziele erreicht werden. Alle Minister und Ministerinnen müssen ihren Beitrag für ein angemessenes Sofortprogramm liefern.“

Da es auf die Gesamtmenge der freigesetzten Emissionen ankommt, fordert Germanwatch, dass die 2021 und 2022 angehäuften überzähligen Emissionen in den Folgejahren zusätzlich zu den Klimazielen dieser Jahre verringert werden. „Entscheidend“, so Christoph Bals, „ist für die Klimazielerreichung zudem, dass sich das Klimasofortprogramm auf einen intelligenten Maßnahmenmix aus CO2-Bepreisung, Ordnungsrecht und Klimainvestitionen stützt.“

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