Bayerische Wirtschaft fordert Abschaffung der 10H-Regel

vbw setzt CSU unter Druck: „Besorgniserregend“ – Aiwanger gibt sich flexibel

Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) fordert die Abschaffung der 10H-Abstandsregel für Windräder in Bayern. „Wir müssen leider feststellen, dass die 10H-Regelung ein Fehlschlag war, also brauchen wir sie auch nicht mehr“, sagte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt am 13.01.2022. Laut Energiewende-Monitoring der vbw hängt die Energiewende in Bayern ebenso wie in ganz Deutschland in mehreren Bereichen hinter den politischen Zielen zurück, insbesondere beim Netzausbau. Die vbw pflegt traditionell enge Beziehungen zur CSU, Brossardt nennt den einstigen Wirtschaftsminister Otto Wiesheu seinen „Ziehvater“. CSU-Generalsekretär Markus Blume hatte seinerseits erst am Vortag betont, dass an der 10H-Regel nicht gerüttelt werden solle.

Windgenerator im Wald – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

„Neue Klimaziele erfordern schnellstmöglich einen massiven Umbau des kompletten Energiesystems“, verlangt die vbe in ihrem Monitoring: „Mit diesem Monitoring der Energiewende legen wir bereits zum zehnten Mal eine Zwischenbilanz zum Stand der Energiewende in Deutschland und Bayern vor. Nach wie vor kann das Ergebnis nicht zufriedenstellen. Die Entwicklung entscheidender Indikatoren, wie der Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit, ist besorgniserregend. Angesichts der noch schärferen Klimaziele auf europäischer, nationaler und bayerischer Ebene ist die Herausforderung im Vergleich zum letzten Jahr noch gewachsen. Der Netzausbau darf nicht weiter verzögert werden. Jahr um Jahr belasten durch Netzengpässe bedingte Systemsicherheitsmaßnahmen den Strompreis in Milliardenhöhe. Auch der Ausbau aller erneuerbaren Energien muss unbeirrt vorangetrieben werden. Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen daher auf allen Ebenen weiter entschlackt, modernisiert und vereinfacht werden. Dabei ist zu beachten, dass Strom- und Gas- bzw. Wasserstoffnetz gemeinsam geplant werden. Wir brauchen eine enge Verzahnung der Sektoren, um Synergieeffekte zu heben und Flexibilität zu ermöglichen. Dauerhaft niedrige Industriestrompreise sind die Voraussetzung für einen wettbewerbsfähigen Standort und für die Transformation zu einer möglichst CO2-freien Industrie. Vor diesem Hintergrund ist es nicht akzeptabel, dass Deutschland zu den Ländern mit den höchsten Strompreisen gehört. Die Bewertung hat sich seit unserem letzten Monitoring sogar noch verschlechtert. Die geplante Abschaffung der EEG-Umlage ist ein erster wichtiger Schritt, weitere Schritte – wie die Absenkung der Stromsteuer auf das europarechtliche Minimum – müssen folgen. Insbesondere die energieintensive Industrie braucht dauerhaft einen international wettbewerbsfähigen Strompreis.A nspruch und Wirklichkeit fallen bei der Energiewende deutlich auseinander. Um diese Kluft zu schließen, bedarf es jetzt schnellstmöglich eines massiven Umbaus des kompletten Energiesystems. Es ist keine Zeit mehr zu verlieren.“

10H brachte Windkraftausbau in Bayern zum Erliegen

Die auf Ex-Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zurückgehende Abstandregelung, dass ein Windgenerator zehn mal seine Höhe als Abstand von der nächsten Ansiedlung haben muss, hat den Ausbau der Windenergie in Bayern quasi zum Erliegen gebracht. Die CSU gerät nun von zwei Seiten unter Druck: Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will mit der Staatsregierung über das Thema sprechen, da die neue Bundesregierung den Ausbau der erneuerbaren Energien forcieren will. Nach Angaben von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) will Habeck bereits am 20. Januar ins bayerische Wirtschaftsministerium kommen. Habeck strebt baldige Gespräche mit der Landesregierung über eine Lockerung an, damit dort mehr Flächen für Windkraftanlagen genutzt werden können.

Aiwanger kann sich unter gewissen Kriterien eine Öffnung der 10H-Regel vorstellen. Er plädiert für einen Kompromiss bei der Errichtung von Windrädern, doch einen Wildwuchs von Windrädern wolle natürlich niemand, sagte der Freie-Wähler-Chef. Denkbar für Aiwanger wären etwa Ersatzbauten mit neuen Windkraftanlagen an bereits bestehenden Windrad-Standorten in Wäldern. Auch in Bayern würden mehr Windräder aufgestellt werden müssen, sagte er im Deutschlandfunk. Der Freistaat werde mit seiner bisherigen Haltung nicht mehr durchkommen. Zudem seien moderne Windräder viel leiser als vor zehn Jahren. Der Vorsitzende der Freien Wähler betonte aber auch, viele Gebiete in Nord- und Ostdeutschland seien günstiger für die Windausbeute. Dafür habe man in Bayern eine deutlich höhere Sonnenauslastung.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) machte dagegen nicht die 10H-Regelung, sondern die Topographie verantwortlich: „In Bayern eignen sich weniger Flächen für Windkraft, so dass dann in wenigen Gebieten sehr viele Windräder geballt stehen müssten – mit allen Akzeptanzproblemen, die das in der Bevölkerung auslöst“, sagte der CSU-Chef dem Handelsblatt und erteilte Habecks Vorschlag eine Absage, zwei Prozent der Landesfläche für den Windkraftausbau zur Verfügung zu stellen, eine Absage. Er sehe den Vorstoß des Wirtschafts- und Klimaministers daher skeptisch. „Auch gerade bei den Natur- und Artenschützern vor Ort gibt es starke Bedenken. Offenkundig scheinen die Grünen dem Artenschutz keine besondere Bedeutung mehr zu geben“, ergänzte der CSU-Chef. Söder räumte ein, Bayern liege beim Windkraftausbau im Ländervergleich nicht an der Spitze. Es mangele aber nicht an politischem Willen, „sondern es liegt an der Topografie“, sagte Söder. „In Bayern gibt es sehr viel weniger geeignete Flächen für Windkraft als etwa in Norddeutschland.“

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