Lebenszyklus-Vergleich mit Verbrenner
Forschende der Universität der Bundeswehr München (UniBw M) zeigen, dass die gesamten Pkw-Lebenszyklus-Emissionen durch die Elektrifizierung von Fahrzeugen bis 89 % gesenkt werden können. Benzin- und Dieselfahrzeuge weisen im Vergleich des Prozesses von Produktion bis Verschrottung die höchste Menge an Treibhausgas-Emissionen aus.
Der weltweite Fahrzeugmarkt befindet sich in der größten Transformation seit der Erfindung des Automobils. Um die Auswirkungen des Transportsektors auf die Umwelt und das Klima zu reduzieren, treiben Politik und Wirtschaft den Übergang von konventionellen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren hin zu Hybrid- und Elektrofahrzeugen voran. Ein vielfach diskutiertes Thema dabei ist die Treibhausgas-Bilanz von Fahrzeugen über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg, also die Menge an Schadstoffen, die von der Produktion eines Fahrzeuges, über die Nutzung und die Verschrottung insgesamt ausgestoßen werden. Diese Bilanz macht Fahrzeugemissionen über den reinen Verbrauch im Straßenverkehr hinaus ganzheitlich vergleichbar. In einer neuen, hochrangig veröffentlichten Publikation haben Forschende der UniBw M im Rahmen ihrer Projekte am Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr (dtec.bw) über 790 aktuelle Pkw-Fahrzeugvarianten miteinander verglichen und zeigen: mit Plug-in-Hybrid- und vollelektrischen Fahrzeugen können Gesamtemissionen erheblich reduziert werden.
Die Gesamtemissionen sind entscheidend
Die Ergebnisse machen deutlich, dass das Nebeneinanderstellen einzelner Emissionsabschnitte innerhalb der gesamten Produktlebensdauer wenig aussagekräftig ist, wenn man über die Klimaverträglichkeit unterschiedlicher Fahrzeuge argumentieren möchte. So weisen beispielsweise batterieelektrische Fahrzeuge im Vergleich die höchsten Emissionen bei der Produktion aus, in der Gesamtbetrachtung mit Nutzung und Recycling hingegen schneiden sie besser ab als klassische Verbrenner. Die Emissionen durch die Batterieproduktion eines aktuellen Tesla Model 3 (Standard Range Plus-Modell) sind vergleichbar mit den Nutzungsemissionen eines Volkswagen Passat (2.0 TSI-Modell) über eine Strecke von 18.000 km – nur einem Bruchteil der Nutzungsdauer. Konventionelle Benzin- und Dieselfahrzeuge sorgen insgesamt für die höchste Menge an Treibhausgasemissionen über ihren gesamten Lebenszyklus. Bei der Verwendung von Ökostrom können Plug-in-Hybrid- und vollelektrische Fahrzeuge die Gesamtemissionen im Vergleich zu Verbrennern um 73 % bzw. 89 % reduzieren. Alternativ können Brennstoffzellenfahrzeuge die Treibhausgasemissionen in ähnlichem Maße wie Elektrofahrzeuge (die mit herkömmlichem Strom betrieben werden) reduzieren, wenn sie derzeitig handelsüblichen grauen Wasserstoff verwenden (60 %). Ganz generell führen erneuerbare Kraftstoffe und Energie zu den niedrigsten Emissionen über die Lebensdauer von Fahrzeugen hinweg.
790 aktuelle Fahrzeuge als Datenbasis
Die Publikation basiert auf einer umfassenden Datenbank, die 790 aktuelle Pkw-Modelle und -Varianten listet und durch Analysemodelle vergleichbar macht. „Herstellerangaben und Einzelanalysen greifen oft zu kurz und verfälschen bei Verbrauchern die wirklichen Klimaauswirkungen ihrer Kaufentscheidungen bei Pkw. Darum haben wir seit Anfang 2020 umfassend Daten gesammelt, um unabhängig zu zeigen, wie sich die CO2-Bilanz unterschiedlicher Antriebsarten wirklich darstellt“, so Johannes Buberger von der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der UniBw M, der die Analyse maßgeblich vorangetrieben hat. Bislang gibt es wenig vergleichbare Analysen, die Treibhausgas-Emissionen im Transportsektor im selben Umfang analysieren und vergleichbar machen.
Das Paper wird in Renewable and Sustainable Energy Reviews veröffentlicht, einer der international renommiertesten Fachzeitschriften für nachhaltige Energieversorgung und erneuerbare Energien. Der Impact-Faktor des Journals beträgt 15, was bedeutet, dass es auf Platz 1 von insgesamt 44 Journals in der Kategorie Green & Sustainable Science & Technology liegt. „Die Veröffentlichungen in einer so hoch bewerteten Fachzeitschrift zeigen die Qualität der Forschung und der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der UniBw M und unsere Expertise bei Mobilitätsthemen“, so Prof. Thomas Weyh, der die Professur für Elektrische Energieversorgung an der UniBw M innehat und Johannes Buberger als Doktorand betreut.
Die Universität der Bundeswehr München forscht umfangreich zu Themen der Mobilität. Ganz aktuell wird im dtec.bw-Projekt „MORE – Munich Mobility Research Campus“ die Zukunft der digitalisierten und vernetzten Mobilität erforscht und am Campus der UniBw M als Modellstadt aufgebaut. Die Erkenntnisse der Publikation fließen auch in die Forschung von MORE ein.
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