Hintergründe aus der Klimaforschung: Sechster IPCC-Sachstandsbericht, Arbeitsgruppe II
Gut zwei Wochen vor Veröffentlichung des neuen Weltklimaberichts erklärten Experten beim Pressegespräch des Deutschen Klima-Konsortiums die wissenschaftlichen Hintergründe. Sie legten auf Basis des aktuellen Forschungsstands dar, wie sehr Mensch und Natur leiden, wenn wir den Klimawandel nicht bremsen – betonten aber auch, dass wir die Risiken verringern und uns vorbereiten können.
„Der neue IPCC-Bericht wird wie kein anderer zuvor zeigen, wie sehr sich die Welt aufgrund des Klimawandels schon verändert hat und mit welchen katastrophalen Klimarisiken wir in Zukunft rechnen müssen – je nachdem, wie schnell und wie weit wir den Ausstoß der Treibhausgase senken“, sagte Professor Hans-Otto Pörtner, Meeresbiologe am Alfred-Wegener-Institut. „Auch bei uns hier in Deutschland ist der Klimawandel zunehmend spürbar: Denken wir an das Absterben eines Teils unserer Wälder, die landwirtschaftlichen Verluste aufgrund der Dürre der vergangenen Sommer, besonders aber an die Toten der Ahr-Flut und die Tausenden Hitzetoten.“
Pörtner hat als Ko-Vorsitzender die Erstellung des Berichts von Arbeitsgruppe II über Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit zum Sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) mit geleitet. Er berichtete von den fünf Jahren Arbeit, in denen er gemeinsam mit 270 Autorinnen und Autoren aus der ganzen Welt über 34.000 klimawissenschaftliche Publikationen ausgewertet hat. Am 14.02.2022 begann der letzte Schritt: die Verabschiedung im IPCC-Plenum der Mitgliedstaaten. Läuft alles nach Plan, wird der finale Bericht am 28. Februar veröffentlicht.
Hunger nimmt zu, Wasser wird knapp
„Es geht im Bericht um ganz Grundsätzliches: Die Möglichkeiten der Natur für unser Überleben zu sorgen, ändern sich mit dem Klimawandel enorm – Hunger nimmt zu, Wasser wird knapp. Aber wir sind dem Klimawandel als Gesellschaft nicht ausgeliefert. Wir müssen den Ausstoß von Treibhausgasen senken. Gleichzeitig müssen wir uns an jetzt schon unvermeidbare Folgen anpassen und für künftige Risiken vorsorgen. Veränderter Lebensmittelkonsum und Wassersparsamkeit in der Landwirtschaft sind Beispiele. Die Anpassungsmöglichkeiten haben aber auch klare Grenzen – zu hohe Temperaturen schaden Menschen, Tieren und Pflanzen“, erklärte Professor Josef Settele (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung).
Dem Biodiversitätsexperten ist es besonders wichtig, Klima- und Biodiversitätsschutz nicht gegeneinander auszuspielen, sondern zusammenzudenken: „Der Erhalt und Wiederaufbau gesunder Ökosysteme, zum Beispiel durch Schutz und Aufbau naturnaher Wälder sowie Renaturierung von Mooren, bietet nicht nur Raum für biologische Vielfalt, sondern leistet auch einen Beitrag zum Klimaschutz, da so Kohlenstoff aus der Atmosphäre gebunden wird.“ Dabei sollten die Klimaschutzpotenziale natürlicher Senken nicht überschätzt werden, gibt Settele zu bedenken – weiter-so und ein bisschen Naturschutz reichten bei Weitem nicht aus. „Wir brauchen einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel, um für kommende Generationen eine lebenswerte Zukunft zu sichern“, sagte Settele weiter.
Städte und Ballungsgebiete im Fokus
Der Weltklimarat analysiert im neuen Bericht aber nicht nur Folgen und Anpassungsmöglichkeiten, sondern nimmt auch die Verwundbarkeit der Gesellschaft auf einer globalen wie auch regionalen Ebene in den Blick. Dabei stehen Städte und Ballungsgebiete im Fokus, weil dort besonders viele Menschen leben. Professorin Daniela Jacob weiß: „Der Klimawandel geschieht vor unserer Haustür und stellt insbesondere unsere Städte und Kommunen vor neue Herausforderungen.“ Als Direktorin des Climate Service Center Germany (GERICS) kennt sie die regionalen Klima-Modellierungen für Deutschland und unterstützt Politik, Behörden und Gesellschaft bei der Transformation zu einer klimaneutralen Lebensweise.
Städte tragen nicht nur wesentlich zum Klimawandel bei, sondern die Bewohnerinnen und Bewohner, Infrastruktur und Wirtschaft bekommen auch die Folgen besonders stark zu spüren. Jacob ist es dabei wichtig, den Mut nicht zu verlieren: „Die Folgen des Klimawandels sind zwar immens, aber wir können damit umgehen, wir können jetzt handeln – und wir können den Klimawandel entscheidend bremsen. Deshalb wird der Bericht von IPCC-Arbeitsgruppe II über Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit in ein paar Wochen um den von IPCC-Arbeitsgruppe III über Minderung ergänzt. Nur wenn wir beide Aspekte – Anpassung und Minderung – berücksichtigen, sichern wir unsere Zukunft.“
Wichtig zu wissen
- Der Weltklimarat verfolgt keine spezielle Klimapolitik. Der IPCC bietet mit seinen Berichten die Grundlagen für wissenschaftsbasierte Entscheidungen der Politik, ohne politische Handlungsempfehlungen zu geben.
- Der Weltklimarat betreibt keine eigene Forschung. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in seinem Auftrag an den neuen Berichten arbeiten, sammeln und bewerten dafür die neuen Erkenntnisse aus anerkannten Publikationen.
- Die Regierungsvertreterinnen und -vertreter haben keinen Einfluss auf die wissenschaftlichen Sachstandsberichte. Sie diskutieren und verabschieden im letzten Schritt der Berichtserstellung lediglich die Zusammenfassungen für politische Entscheidungsträger (SPM – Summary for Policymakers) mit den Forschenden. Satz für Satz werden die SPMs in mehrtägigen Sitzungen durchgearbeitet und verabschiedet. Regierungen können bei diesen Sitzungen Formulierungen vorschlagen, es dürfen jedoch nur Informationen aus den zugrundeliegenden Berichten genutzt werden. Das letzte Wort haben stets die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Können sich Politik und Wissenschaft einmal nicht einigen, wird die Aussage in der Zusammenfassung weggelassen – sie findet sich aber nach wie vor im Sachstandsbericht.
->Quelle: deutsches-klima-konsortium.de/klimafruehstueck-ipcc-ar6wg2