Mechanismen des atomaren Energietransports in der Quantenwelt entschlüsselt

Forscherteam der TU Kaiserslautern

Der Transport von Energie zwischen Atomen und Molekülen ist Grundlage allen Lebens. Er basiert auf zwischenatomaren Kräften, der sogenannte Dipol-Dipol-Wechselwirkung. Der Arbeitsgruppe von Prof. Herwig Ott an der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) ist es einer Medienmitteilung vom gelungen, einen solchen Transportmechanismus in einem ungeordneten System nachzubilden. Dazu haben die Forschenden die quantenmechanische Wechselwirkung zwischen verschiedenen Rydberg-Atomen experimentell beobachtet. So konnten sie den Einfluss der Unordnung auf Verteilung und Mobilität der Anregungsenergie zwischen den Atomen nachvollziehen. Die Fachzeitschrift Nature Communications hat die Ergebnisse veröffentlicht.

Ultrakalte Atomwolke aus Rubidiumatomen aus dem Experiment – zu sehen ist die Fluoreszenz, die während der Laserkühlung entsteht – Foto © AG Ott, TU Kaiserslautern

Wie der Energietransport zwischen Atomen und Molekülen erfolgt, verdeutlicht beispielsweise die Photosynthese: Trifft Licht auf eine Zelle, wird dessen Energie zunächst von einem Molekül absorbiert und dann zwischen vielen weiteren, ungeordneten Molekülen weitertransportiert. Kommt dieses Energiepaket schließlich am sogenannten Reaktionszentrum an, erfolgt die dauerhafte Speicherung in Form einer chemischen Umwandlung.

Um derartige Transportmechanismen besser zu verstehen, hat das Forscherteam einen besonderen Versuchsansatz gewählt und ist ins Quantenregime vorgedrungen: „Dabei haben wir mehrere technologische Herausforderungen überwunden“, erklärt Carsten Lippe, Erstautor der Studie. „Dies zeigt allein schon der Blick auf die notwendigen Rahmenbedingungen: Bei einem Umgebungsdruck, der etwa 1000-mal geringer ist als im Weltraum rund um die ISS, und bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt werden einige Atome durch Bestrahlung mit Lasern angeregt und in einen sogenannten Rydberg-Zustand versetzt. In diesem Zustand, bei dem ein Elektron auf eine weit entfernte Umlaufbahn um den Atomkern gebracht wird, ist das Atom etwa 10000-mal größer als im Normalzustand.“

Durch diese gigantische Größe wird ein Atom im Rydberg-Zustand sehr empfindlich für andere solche Atome und erlaubt somit Wechselwirkungen zwischen Atomen experimentell zu untersuchen, die sonst auf viel kleineren Längenskalen stattfinden würden.

Im Rahmen ihres Experiments haben die Forschenden nun mithilfe von unterschiedlichen Lasersystemen nacheinander zwei verschiedene Arten von Rydberg-Atomen erzeugt und den Energietransport zwischen ihnen untersucht. Dabei sind sie auf quantenphysikalische Effekte gestoßen, die unserer alltäglichen Vorstellung widersprechen. „Klassisch kann man sich einen solchen Transportprozess als Hüpfprozess vorstellen. Die Energie bzw. Anregung springt also zwischen den Molekülen hin und her. In der Quantenphysik ist das aufgrund des sogenannten Superpositionsprinzips anders: Die Anregung kann zum Beispiel auch gleichzeitig auf mehrere Moleküle hüpfen und so viel effizienter in dem System transportiert werden. Man spricht dann von kohärentem Transport“, sagt Ott.

Die Forscher konnten dabei zeigen, dass sich der Anteil aus klassischem Hüpfen und kohärentem Transport im Experiment kontrolliert einstellen lässt. Dies geschieht durch winzige Änderungen der Wellenlänge der verwendeten Anregungslaser. „Normalerweise sind quantenphysikalische Effekte fragil und verschwinden, sobald Störungen vorliegen, wie sie etwa im vorliegenden System durch die atomare Unordnung in dem Gas geben sind“, sagt Thomas Niederprüm, der gemeinsam mit Ott die Arbeit geleitet hat. „Dass in der Studie diese Effekte beobachtet werden konnten, kann helfen, andere komplexe Systeme besser zu verstehen. Dabei lässt sich die Wechselwirkung zwischen den Rydberg-Atomen auf andere Bereiche aktueller Forschung übertragen, zum Beispiel auf die Absorption den Transport von Licht in Molekülen bei der Photosynthese. Neueste Studien haben gezeigt, dass auch bei der Photosynthese quantenmechanische Effekte eine wichtige Rolle spielen und der Energietransport trotz der Unordnung erstaunlich verlustfrei stattfindet.

Die Arbeiten zu dieser Studie fanden im Rahmen des Sonderforschungsbereichs OSCAR („Open System Control of Atomic and Photonic Matter“) statt, in dem die TUK gemeinsam mit der Universität Bonn von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird. Die Resultate der Messungen und Simulationen sowie eine Beschreibung des experimentellen Aufbaus sind in Nature Communications erschienen.

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