Sechster IPCC-Sachstandsbericht (AR6) – Zweiter Teil: Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit

Arbeitsgruppe II: Hauptaussagen aus der Zusammenfassung für die politische Entscheidungsfindung

Der am 28.02.2022 veröffentlichte Bericht der IPCC-Arbeitsgruppe II des sechsten Sachstandsbericht zum Klimawandel diagnostiziert „weitverbreitete negative Folgen und damit verbundene Verluste und Schäden für Natur und Menschen“ infolge des Klimawandels. Einige Maßnahmen hätten die Verwundbarkeit zwar verringert, aber die zunehmenden Klima- und Wetterextreme hätten zu „irreversiblen Folgen geführt, da natürliche und menschliche Systeme über ihre Anpassungsfähigkeit hinaus belastet wurden“ – regional unterschiedlich. 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen leben unter gegenüber dem Klimawandel „sehr verwundbaren“ Bedingungen – ein großer Anteil an Arten ist „verwundbar“ gegenüber dem Klimawandel. Der Bericht liefert Informationen über Anpassungsmaßnahmen zur Verringerung klimabedingter Risiken und zeigt Optionen für die Schaffung einer nachhaltigen, resilienten und gerechten Zukunft für alle auf. Solarify dokumentiert die (ins Deutsche übersetzte) Zusammenfassung für politische Entscheider.

B. Beobachtete und projizierte Folgen und Risiken

Beobachtete Folgen des Klimawandels

B.1 Der von Menschen verursachte Klimawandel, einschließlich häufigerer und intensiverer Extremereignisse, hat weitverbreitete negative Folgen und damit verbundene Verluste und Schäden für Natur und Menschen verursacht, die über die natürliche Klimavariabilität hinausgehen. Einige Entwicklungs- und Anpassungsmaßnahmen haben die Verwundbarkeit verringert. Über Sektoren und Regionen hinweg ist zu beobachten, dass die verwundbarsten Menschen und Systeme besonders stark betroffen sind. Die Zunahme von Wetter- und Klimaextremen hat zu einigen irreversiblen Folgen geführt, da natürliche und menschliche Systeme über ihre Anpassungsfähigkeit hinaus belastet wurden. (hohes Vertrauen*)

* Jede Erkenntnis stützt sich auf eine Bewertung der zugrundeliegenden Belege und deren Übereinstimmung. Ein Vertrauensniveau wird unter Verwendung von fünf Abstufungen angegeben: sehr gering, gering, mittel, hoch und sehr hoch, und kursiv gesetzt, zum Beispiel mittleres Vertrauen. Folgende Begriffe wurden verwendet, um die bewertete Wahrscheinlichkeit eines Ergebnisses anzugeben:

        • praktisch sicher 99–100 %
        • Wahrscheinlichkeit, sehr wahrscheinlich 90–100 %,
        • wahrscheinlich 66–100 %,
        • etwa ebenso wahrscheinlich wie nicht 33–66 %,
        • unwahrscheinlich 0–33 %,
        • sehr unwahrscheinlich 0–10 %
        • und besonders unwahrscheinlich 0–1 %.

Die bewertete Wahrscheinlichkeit wird kursiv gesetzt, zum Beispiel sehr wahrscheinlich. Gleiches
gilt für den AR5 sowie die anderen AR6-Berichte.

Verwundbarkeit und Exposition von Ökosystemen und Menschen

B.2 Die Verwundbarkeit von Ökosystemen und Menschen gegenüber dem Klimawandel unterscheidet sich erheblich je nach und innerhalb von Regionen (sehr hohes Vertrauen), bedingt durch sich überschneidende sozioökonomische Entwicklungsmuster, nicht nachhaltige Meeres- und Landnutzung, Ungleichheit, Ausgrenzung, historische und anhaltende Muster von Ungleichheit wie Kolonialismus sowie Governance (hohes Vertrauen). Ungefähr 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen leben unter Bedingungen, die sehr verwundbar gegenüber dem Klimawandel sind (hohes Vertrauen). Ein großer Anteil an Arten ist verwundbar gegenüber dem Klimawandel (hohes Vertrauen). Die Verwundbarkeit von Menschen und Ökosystemen sind voneinander abhängig (hohes Vertrauen). Die gegenwärtigen nicht-nachhaltigen Entwicklungsmuster erhöhen die Exposition von Ökosystemen und Menschen gegenüber Klimagefahren (hohes Vertrauen).

Risiken in naher Zukunft (2021–2040)

B.3 Sollte die globale Erwärmung in naher Zukunft 1,5 °C erreichen, würde sie unvermeidbare Zunahmen vielfältiger Klimagefahren verursachen und vielfältige Risiken für Ökosysteme und Menschen mit sich bringen (sehr hohes Vertrauen). Die Höhe des Risikos wird von den in der nahen Zukunft gleichzeitig ablaufenden Entwicklungen von Verwundbarkeit, Exposition, sozioökonomischem Entwicklungsstand und Anpassung abhängen (hohes Vertrauen). Zeitnahe Maßnahmen, die die globale Erwärmung auf etwa 1,5 °C begrenzen, würden die projizierten Verluste und Schäden, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel in menschlichen Systemen und Ökosystemen auftreten, im Vergleich zu höheren Erwärmungsniveaus erheblich verringern, können sie aber nicht alle beseitigen (sehr hohes Vertrauen).

Mittel- bis langfristige Risiken (2041–2100)

B.4 Nach 2040 und abhängig vom Ausmaß der globalen Erwärmung wird der Klimawandel zu zahlreichen Risiken für natürliche und menschliche Systeme führen (hohes Vertrauen). Für 127 identifizierte Schlüsselrisiken sind die bewerteten mittel- und langfristigen Folgen bis zu einem Vielfachen größer als derzeit beobachtet (hohes Vertrauen). Das Ausmaß und die Geschwindigkeit des Klimawandels und der damit verbundenen Risiken hängen stark von Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen in der nahen Zukunft ab und die projizierten negativen Folgen und damit verbundene Verluste und Schäden eskalieren mit jedem weiteren Zuwachs der globalen Erwärmung (sehr hohes Vertrauen).

Komplexe, zusammengesetzte und kaskadierende Risiken

B.5 Die Folgen und Risiken des Klimawandels werden immer komplexer und schwieriger zu bewältigen. Vielfältige Klimagefahren werden gleichzeitig auftreten, und vielfältige klimatische und nicht-klimatische Risiken werden wechselwirken, was zu zusammengesetzten Ge-samtrisiken und Risikokaskaden über Sektoren und Regionen hinweg führt. Einige Maßnahmen in Reaktion auf den Klimawandel führen zu neuen Folgen und Risiken. (hohes Vertrauen)

Folgen einer vorübergehenden Überschreitung

B.6 Falls die globale Erwärmung in den kommenden Jahrzehnten oder später vorübergehend 1,5 °C überschreitet (Overshoot), werden viele menschliche und natürliche Systeme im Vergleich zu einem Verbleib unter 1,5 °C zusätzlichen schwerwiegenden Risiken ausgesetzt sein (hohes Vertrauen). Je nach Ausmaß und Dauer der Überschreitung werden einige Folgen die Freisetzung zusätzlicher Treibhausgase verursachen (mittleres Vertrauen), und manche Folgen werden unumkehrbar sein, selbst wenn die globale Erwärmung verringert wird (hohes Vertrauen).

C. Anpassungsmaßnahmen und förderliche Bedingungen

Gegenwärtige Anpassung und ihre Vorteile

C.1 Über alle Sektoren und Regionen hinweg wurde Fortschritt bei Anpassungsplanung und -umsetzung beobachtet; dieser bringt vielfältige Vorteile mit sich (sehr hohes Vertrauen). Allerdings ist der Anpassungsfortschritt ungleichmäßig verteilt und es sind Anpassungslücken zu beobachten (hohes Vertrauen). Viele Initiativen priorisieren die unmittelbare und zeitnahe Verringerung des Klimarisikos, was die Möglichkeit für transformative Anpassung verringert (hohes Vertrauen).

Zukünftige Anpassungsoptionen und ihre Machbarkeit

C.2 Es gibt machbare und wirksame Anpassungsoptionen, welche die Risiken für Mensch und Natur reduzieren können. Inwieweit es machbar ist, Anpassungsoptionen in der nahen Zukunft umzusetzen, hängt von den jeweiligen Sektoren und Regionen ab (sehr hohes Vertrauen). Die Wirksamkeit von Anpassung zur Verringerung des Klimarisikos ist für bestimmte Umstände, Sektoren und Regionen belegt (hohes Vertrauen) und wird mit zunehmender Er-wärmung abnehmen (hohes Vertrauen). Integrierte, sektorübergreifende Lösungen, die sich mit sozialen Ungleichheiten befassen und Maßnahmen entsprechend dem Klimarisiko differenzieren sowie systemübergreifend angelegt sind, erhöhen die Machbarkeit und Wirksamkeit von Anpassung in vielen Sektoren (hohes Vertrauen).

Grenzen der Anpassung

C.3 Weiche Grenzen für die Anpassung des Menschen werden bereits erreicht, können aber durch die Befassung mit einer Reihe von Einschränkungen überwunden werden, in erster Linie finanzielle, Governance-bezogene, institutionelle und politische Einschränkungen (hohes Vertrauen). Harte Anpassungsgrenzen wurden in einigen Ökosystemen bereits erreicht (hohes Vertrauen). Mit zunehmender globaler Erwärmung werden Verluste und Schäden zunehmen und weitere menschliche und natürliche Systeme werden an Anpassungsgrenzen stoßen (hohes Vertrauen).

Fehlanpassung vermeiden

C.4 Seit dem AR5 wurde in vielen Sektoren und Regionen vermehrt Fehlanpassung nachgewiesen. Fehlanpassung an den Klimawandel kann zu Lock-In-Effekten bei Verwundbarkeit, Exposition und Risiken führen, die nur schwer und teuer zu ändern sind und zudem bestehende Ungleichheiten verschärfen. Fehlanpassung kann durch flexible, sektorübergreifende, integrative und langfristige Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen vermieden werden, was für viele Sektoren und Systeme Vorteile bringt. (hohes Vertrauen)

Förderliche Bedingungen

C.5 Förderliche Bedingungen sind der Schlüssel für die Umsetzung, Beschleunigung und Aufrechterhaltung von Anpassung in menschlichen Systemen und Ökosystemen. Dazu gehören politische Entschlossenheit und konsequente Durchführung, institutionelle Rahmenbedingungen, politische Strategien und Instrumente mit klaren Zielen und Prioritäten, verbessertes Wissen über Folgen und Lösungen, die Mobilisierung von angemessenen finanziellen Ressourcen und der Zugang dazu, Monitoring und Bewertung sowie integrative Governance-Prozesse. (hohes Vertrauen)

D. Klimaresiliente Entwicklung

Bedingungen für klimaresiliente Entwicklung

D.1 Belege für beobachtete Folgen, projizierte Risiken, Grad und Entwicklungen von Verwundbarkeit sowie Anpassungsgrenzen zeigen, dass weltweite Maßnahmen für eine klimaresiliente Entwicklung dringender sind als zuvor im AR5 bewertet. Umfassende, wirksame und innovative Maßnahmen sind in der Lage, Synergien zu nutzen und Zielkonflikte zwischen Anpassung und Minderung zu verringern, um nachhaltige Entwicklung zu fördern. (sehr hohes Vertrauen)

Klimaresiliente Entwicklung fördern

D.2 Klimaresiliente Entwicklung wird gefördert, wenn Regierungen, die Zivilgesellschaft und der Privatsektor integrative Entwicklungsentscheidungen treffen, die Risikominderung, Gleichstellung und Gerechtigkeit priorisieren, und wenn Entscheidungsfindungsprozesse, Fi-nanzmittel und Maßnahmen über Regierungsebenen, Sektoren und Zeitrahmen hinweg integriert werden (sehr hohes Vertrauen). Eine klimaresiliente Entwicklung wird durch internationale Zusammenarbeit gefördert sowie dadurch, dass Regierungen auf allen Ebenen mit Gemeinschaften, der Zivilgesellschaft, Bildungseinrichtungen, wissenschaftlichen und anderen Institutionen, Medien, Investoren und Unternehmen zusammenarbeiten; außerdem wird sie durch die Entwicklung von Partnerschaften mit traditionellerweise marginalisierten Gruppen, einschließlich Frauen, Jugendlichen, indigenen Völkern, lokalen Gemeinschaften und ethnischen Minderheiten, gefördert (hohes Vertrauen). Diese Partnerschaften sind am wirksamsten, wenn sie durch förderliche politische Führung, Institutionen, Ressourcen – einschließlich Finanzierung – sowie Klimadienstleistungen, Informationen und Instrumente zur Entscheidungshilfe unterstützt werden (hohes Vertrauen).

Klimaresiliente Entwicklung für natürliche und menschliche Systeme

D.3 Klimawandelbedingte Risiken und Verluste für Städte und Siedlungen können durch Wechselwirkungen zwischen sich verändernder Stadtform, Exposition und Verwundbarkeit verursacht werden. Der globale Trend zur Verstädterung bietet in naher Zukunft jedoch auch eine entscheidende Gelegenheit, eine klimaresiliente Entwicklung voranzutreiben (hohes Vertrauen). Integrierte, integrative Planung und Investitionen bei der täglichen Entscheidungsfindung in Bezug auf städtische Infrastrukturen (einschließlich sozialer, ökologischer und grauer/physikalischer Infrastrukturen) können die Anpassungsfähigkeit städtischer und ländlicher Siedlungen maßgeblich steigern. Gerechte Ergebnisse tragen zu vielfältigen Vorteilen für Gesundheit und Wohlergehen sowie Ökosystemleistungen bei, auch für indigene Völker, marginalisierte und gefährdete Gemeinschaften (hohes Vertrauen). Eine klimaresiliente Entwicklung in städtischen Räumen unterstützt auch die Anpassungsfähigkeit in ländlicheren Gebieten durch die Aufrechterhaltung von stadtnahen Versorgungsketten für Waren und Dienstleistungen sowie Finanzströmen (mittleres Vertrauen). Küstenstädte und -siedlungen spielen eine besonders wichtige Rolle, um klimaresiliente Entwicklung voranzubringen (hohes Vertrauen).

D.4 Der Schutz der biologischen Vielfalt und von Ökosystemen ist von grundlegender Bedeutung für eine klimaresiliente Entwicklung angesichts der Bedrohungen, die der Klimawandel für sie darstellt, und ihrer Rolle für Anpassung und Minderung (sehr hohes Vertrauen). Aktuelle Analysen, die sich auf Belege aus ganz unterschiedlichen Untersuchungsansätzen stützen, legen nahe, dass die Erhaltung der Resilienz von biologischer Vielfalt und Ökosystemleistungen auf globaler Ebene vom wirksamen und gerechten Schutz von etwa 30 % bis 50 % der Land-, Süßwasser- und Meeresflächen der Erde abhängt, einschließlich von derzeit naturnahen Ökosystemen (hohes Vertrauen).

Klimaresiliente Entwicklung erreichen

D.5 Es ist eindeutig, dass der Klimawandel bereits menschliche und natürliche Systeme gestört hat. Vergangene und derzeitige Entwicklungstrends (vergangene Emissionen, Entwicklung und Klimawandel) haben die globale klimaresistente Entwicklung nicht vorangebracht (sehr hohes Vertrauen). Gesellschaftliche Entscheidungen und Maßnahmen, die im nächsten Jahrzehnt umgesetzt werden, bestimmen das Ausmaß, in dem mittel- und langfristige Pfade zu einer höheren oder niedrigeren klimaresilienten Entwicklung führen werden (hohes Vertrauen). Wichtig ist, dass die Aussichten auf eine klimaresiliente Entwicklung zunehmend be-grenzt werden, falls die derzeitigen Treibhausgasemissionen nicht rasch zurückgehen, insbesondere falls die globale Erwärmung in naher Zukunft 1,5 °C überschreitet (hohes Vertrauen). Diese Aussichten werden durch die vergangene Entwicklung, vergangene Emissionen sowie den bisherigen Klimawandel eingeschränkt; durch eine integrative Regierungsführung, geeignete und angemessene menschliche und technologische Ressourcen, Informationen, Kapazitäten und Finanzen werden sie gefördert.

Bitte beachten: Die vorliegende Übersetzung der Hauptaussagen aus dem Beitrag von Arbeitsgruppe II zum Sechsten IPCC-Sach-standsbericht beruht auf der Version vom 27. Februar 2022. Sie wurde in enger Absprache mit Fachleuten mit dem Ziel erstellt, die im Originaltext verwendete Sprache möglichst angemessen wiederzugeben. Übersetzt wurden hier die Hauptaussagen (also der jeweils hervorgehobene Absatz am Anfang eines jeden Abschnitts) der Zusammenfassung für die politische Entscheidungsfindung (Summary for Policymakers, SPM) ohne Abbildungen. Die gesamte SPM beruht auf einem sehr viel ausführlicheren Bericht und enthält Verweise auf dessen zugrundeliegende Kapitel, die aber zwecks besserer Lesbarkeit hier nicht enthalten sind. Auf der Grundlage des wissenschaftlichen Verständnisses können die wichtigsten Erkenntnisse als Tatsachen-aussagen formuliert oder mit einem Vertrauensniveau verbunden sein, das in der IPCC-Sprachregelung angegeben wird (siehe Fußnote *).

Herausgeber und deutsche Übersetzung

  • Deutschland: Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle | DLR Projektträger | de-ipcc@dlr.de | www.de-ipcc.de
  • Luxemburg: Die Luxemburger Regierung | andrew.ferrone@asta.etat.lu | www.gouvernement.lu
  • Österreich: Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie | Manfred.Ogris@bmk.gv.at | www.bmk.gv.at
  • Schweiz: SCNAT | ProClim | proclim@scnat.ch | www.proclim.ch

->Quelle: de-ipcc.de/354.php