Klimawandel und Vogel-Strauß-Taktik – Rentiere auf dünnem Eis

2x Klimakrise in der arte Mediathek: Wie wir uns selbst betrügen

Sibirien taut immer schneller auf: Gefährliches Methan entweicht und noch gefährlichere, weil unbekannte Bakterien kommen ans Tageslicht. Der Klima-Kommunikationsexperte George Marshal erregte schon 2014 mit seinem Don’t Even Think About It: Why our Brains are Wired to Ignore Climate Change Aufsehen. Am 22.07.2018 fragte Solarify (solarify.eu/klimawandel-einsicht-ist-nicht-gleich-handeln), erneut, warum wir den Klimawandel zwar einsehen und auch fürchten, aber gleichzeitig so gut wie nichts dagegen unternehmen. Woran liegt diese kollektive Trägheit? Sind wir bei Bedrohungen auf die Vogel-Strauß-Taktik programmiert, den Kopf in den Sand zu stecken? Untersuchungen entschlüsseln die Mechanismen, die uns dazu verleiten, die Augen vor der Realität zu verschließen. Zwei Hinweise au arte-Dokumentationen: arte/klimawandel-und-vogel-strauss-taktik und arte.tv/rentiere-auf-duennem-eis.

Permafrost taut auf: Gruppe durch Wachstum von Eislinsen entstandener Torfhügel – Foto © Dentren at English Wikipedia, CC BY-SA 3.0, commons.wikimedia.org

Erklärung der Klima-Tatenlosigkeit

Der Klimawandel ist Realität. Das wird uns allen von Jahr zu Jahr deutlicher, die Fakten sind offenbar. Immer mehr Tierarten sind bedroht, die Polkappen schmelzen im Rekordtempo und rund um den Globus mehren sich Naturkatastrophen wie extreme Dürre, Überschwemmungen und Wirbelstürme. Renommierte Forscherinnen und Forscher warnen vor einem Kollaps, sollte es nicht gelingen, die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf weniger als zwei Grad Celsius zu begrenzen. Doch obwohl die Menschheit um diese Gefahr weiß, passiert wenig.

Bei einem Experiment, das in Zürich stattfand, wurde klar, dass sich die Menschheit auch bei der Essenswahl scheut, ihre Lebensgewohnheiten zu ändern. Trotz eindringlicher Warnungen, trotz Petitionen, Demonstrationen und Klimastreiks halten viele Menschen unverändert an ihren Lebensgewohnheiten fest. Diese Ignoranz erscheint paradox, denn wir wissen um die Risiken, die der Klimawandel und die Zerstörung der Ökosysteme mit sich bringen. Worauf ist diese Trägheit zurückzuführen? Warum fällt es so schwer, zu handeln? Lässt sich das Phänomen auch mit der Funktionsweise unseres Gehirns erklären? Sind wir darauf programmiert, bei Bedrohungen die Vogel-Strauß-Taktik anzuwenden und den Kopf in den Sand zu stecken? Hält uns womöglich unser Gehirn davon ab, die richtigen Entscheidungen zu treffen?

Die Dokumentation lässt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter Psychologen und Soziologen, zu Wort kommen und analysiert die verschiedenen Möglichkeiten, auf den Klimanotstand zu reagieren. Die Erkenntnisse aus Neurowissenschaft, Anthropologie sowie Sozial- und Verhaltenspsychologie helfen, diese menschlichen Reaktionen zu durchleuchten und die Gründe für die Tatenlosigkeit verständlicher zu machen. Hinter unserem Verhalten verbergen sich offenbar komplexe kognitive Prozesse, Widersprüche und Ängste. Vielleicht hilft dieses Wissen, die Trägheit zu überwinden.

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Rentiere auf dünnem Eis

Der Klimawandel hat die Nenzen in Sibirien und ihre Rentiere erreicht. Seit Jahrtausenden ziehen die Nomaden mit ihren Herden durch die Tundra im arktischen Sibirien. Doch die alten Wanderrouten sind nicht mehr sicher. Die Überquerung des zugefrorenen Flusses Ob wird zum unkalkulierbaren Risiko. Die Rentierherden bewegen sich auf dünnem Eis. Ureinwohner und Wildtiere spüren die Folgen der Erwärmung.  Die Veränderungen in der Natur fügen sich mit den Beobachtungen von Forschern und Ureinwohnern zu einem düsteren Gesamtbild. Die Wissenschaftler versuchen, das Ausmaß und die Konsequenzen der Veränderungen zu erfassen. Ein Schlüssel zu ihrem Verständnis liegt in der tiefgefrorenen Erde Sibiriens. Dort geraten die natürlichen Fundamente ins Wanken.

Die Erwärmung in der russischen Arktis wird dramatisch sichtbar. Das riesige Gebiet am russischen Polarkreis liegt wie im Fieber.  Riesige Krater wie der Kessel von Batagai öffnen sich im tauenden Permafrostboden und legen Urzeitknochen sowie Urzeitgefahren durch gefährliche Viren und Bakterien frei. Waldböden trocknen aus, und die Taiga gerät in Flammen. Die Packeisfelder vor den Küsten schmelzen und nehmen Eisbären den Lebensraum. Hungrige Bären dringen in menschliche Siedlungen vor oder wildern Kolonien der extrem seltenen Elfenbeinmöwen. Die Veränderungen in der Natur fügen sich mit den Messungen von Forschern und Beobachtungen der Ureinwohner zu einem beunruhigenden Gesamtbild: In der russischen Arktis wurde die Büchse der Pandora geöffnet. Die Dokumentation zeigt in beeindruckenden und bedrückenden Bildern bereits real existierende Auswirkungen, Phänomene und unheilvolle Verkettungen der Erderwärmung.

->Quellen: