Deutschland sitzt bald auf dem Trockenen

Erstmals publizierte Satellitendaten zeigen dramatischen Grundwasserschwund

Deutschland hat in den vergangenen 20 Jahren dramatisch an Wasser verloren, gehört inzwischen zu den Regionen mit dem relativ höchsten Wasserverlust weltweit. Das verdeutlicht auch der jährliche Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig (. Experten schätzen aufgrund neuer, bisher unveröffentlichter Analysen, dass der Verlust der gesamten Wassermenge des Bodensees entspricht. Die Erkenntnisse wurden in der Fernsehdokumentation „Bis zum letzten Tropfen“ am 16,03,2022 im Rahmen eines „ARD-Event“ genannten Themenabends (#unserwasser) veröffentlicht. Die Dokumentation folgte einem Spielfilm zur gleichen Thematik. Es scheint, als säßen wir bald im Wortsinn auf dem Trockenen.

Der Spielfilm

Der fiktive Ort Lauterbronn (Weikersheim) kämpft gegen einen Wasser-Giganten. Was passiert, wenn Wasser immer mehr zum Wirtschaftsgut und im Interesse großer Konzerne enteignet wird? fragt der vom SWR produzierte Spielfim von Daniel Harrich. Auch im wasserverwöhnten Deutschland wird die wertvolle Ressource immer knapper  – und trotzdem werden sogenannte Wasserrechte immer wieder an die private Wirtschaft abgegeben. Wo doch die Vereinten Nationen schon am 28. Juli 2010 Wasser zum Menschenrecht erklärt haben. Film und Doku beschäftigen sich also mit der Frage: Wem gehört das Wasser eigentlich? Darf natürliches Wasservorkommen Handelsware sein?

Das strukturschwache Kleinstädtchen Lauterbronn im Taubertal ist ziemich pleite, doch ein international agierender Getränkehersteller erscheint als (vermeintlicher) Silberstreif am Horizont. Denn Lauterbronn verfügt über ein ausgedehntes Tiefengrundwasservorkommen sehr guter Qualität. Der Konzern PureAqua macht dem Bürgermeister der Kleinstadt ein lukratives Angebot für Entnahmerechte. Dabei wird die Firma von der Referentin für Wasser im Umweltministerium unterstützt. Der Bürgermeister freut sich über die Arbeitsplätze und gibt Land für eine Probebohrung frei, stößt dabei jedoch auf Widerstand. Die Kleinstadt wehrt sich, vor allem seine 16-jährige Tochter hält nichts von den Plänen ihres Vaters und wird zur Frontfigur der Bürgerinitiative, zu der auch Martins Nachbar Bernhard Schultz stößt. Während sich die Ereignisse und Streitigkeiten zuspitzen, merkt Martin langsam, dass er hintergangen worden ist. Als ihm bewusst wird, dass er mit einem gefälschten Gutachten über den Tisch gezogen wurde und infolge dessen einen Fehler gemacht hat, will er zurückrudern. Am Ende des Spielfilms heißt es zwar: „Die Handlung, Personen und Unternehmen in diesem Film sind frei erfunden. Der Rest leider nicht.“ Die aus der nachfolgenden Dokumentation heraus entwickelte Handlung legt aber anderes nahe…

Die Dokumentation

Die Dokumentation beruht auf exklusiven Recherchen, die in den gleichnamigen Fernsehfilm eingeflossen sind. Der preisgekrönte Autor Daniel Harrich zeigt die Wirklichkeit hinter der Fiktion: Jahrelang hat ein internationaler Getränkekonzern sich bemüht, für seine Abfüllanlage bei Lüneburg ein großes Grundwasserreservoir zu erschließen. Das Wasser liegt so tief, dass der Konzern und die zuständigen Behörden glauben, dass die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung nicht angegriffen wird.

Der Konzern hat auf ein von ihm vorgelegtes Gutachten verwiesen, das die Unbedenklichkeit der Wasserentnahme bestätigen soll. Doch daran gibt es schon lange Zweifel. Eine örtliche Bürgerinitiative traut dem Gutachten nicht. Sie will das laufende Genehmigungsverfahren stoppen. „Wir verkaufen nicht!“ und „Es gibt keinen Planet B“ steht auf ihren Plakaten.

Daniel Harrich versuchte, mit Wissenschaftlern die Frage zu klären, wie kritisch die Lage durch das geplante Abpumpen der Wasservorräte tatsächlich werden könnte. Dabei stieß der Filmemacher auf eine Reihe von besorgniserregenden neuen Fakten. Harrich begleitete den Grundwasserökologen Hans Jürgen Hahn (Universität Koblenz-Landau), der den Zusammenhang zwischen Oberflächen- und Grundwasser untersucht. Seine Sorge: Die Entnahme von Grundwasser kann sich, durch den Klimawandel noch verstärkt, fatal auf den Wasserhaushalt an der Oberfläche auswirken.

Harrich berichtet über die Satellitenmission „Grace“. Der wissenschaftliche Leiter des Projekts, Jay Famiglietti vom Global Institute for Water Security, hat die Satellitenforschung im Auftrag der NASA und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt ausgewertet. Seit der Jahrtausendwende verliere das Land 2,5 Kubik-Kilometer Wasser jährlich, sagt er. Die Grace-Satelliten messen Veränderungen der Schwerkraft der Erde, die z.B. durch den unterschiedlichen Wassergehalt entstehen. Vor allem steigende Temperaturen in der Klimakrise führen zu mehr Verdunstung und damit zu Wassermangel. Das zeigen weitere Analysen. Während anhaltender Trockenphasen – wie im Sommer 2018 – ist es bereits zu regionalen Problemen mit der öffentlichen Wasserversorgung gekommen.

Der Fall zeigt, was uns allen bevorsteht, wenn es zunehmend Verteilungskämpfe um die knapper werdenden Grundwasservorräte gibt. Während der Dreharbeiten kündigte der Konzern an, dass er das Vorhaben, das er „jahrelang mit großer Anstrengung verfolgt hat“, nun „vorerst“ einstellen wolle. Vorerst. Begründung: Der Mineralwassermarkt habe sich rückläufig entwickelt. Die Bürgerinitiative erklärte auf Anfrage, sie halte diese Ankündigung für einen taktischen Schachzug. Wie der Streit um das Wasser bei Lüneburg ausgeht, bleibt demnach möglicherweise weiter offen.

Prof. Martin Grambow von der Bund-Länder Arbeitsgemeinschaft Wasser kommentiert in der Doku die neuen Daten so: „Diese Informationen sind bei uns noch nicht veröffentlicht, und sie stützen das Bild, dass wir letztendlich ein systemisches Defizit haben. Und das Unangenehme dabei ist: Das geht lange, lange Zeit gut, und wenn es dann aber merkbar wird, dann ist es bei weitem zu spät.“ Ebenfalls konfrontiert mit den „Grace“-Daten sagte der Bayerische Umweltminister Thorsten Glauber:“Jede Staatsregierung in den 16 Ländern muss das Thema Wasser als das herausfordernde Thema mit auf der Agenda haben. Wenn ich mir die ersten fünf Themen ansehe, muss das Wasser unter den ersten fünf Themen stehen.“

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