EE vorantreiben

Einigung bei naturverträglichem Ausbau der Windenergie

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch bis 2030 auf mindestens 80 Prozent und bis 2035 auf 100 Prozent zu erhöhen. Klimaneutralität soll bis spätestens 2045 erreicht werden. Der Ausbau hat inzwischen eine doppelte Dringlichkeit: Es bleibt nicht mehr viel Zeit, um die Klimakrise wirksam einzudämmen. Und: es ist angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine notwendig, Deutschland aus dem Klammergriff der russischen Energieimporte zu befreien. Entscheidender Schlüssel dafür ist der zügige Ausbau der erneuerbaren Energien – eine Frage der öffentlichen Sicherheit, der ökologischen Vernunft und auch der ökonomischen Zukunftsfähigkeit. Daher setzt die Bundesregierung alle Hebel in Bewegung, Planungs- und Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien zu beschleunigen. Vor allem müssen – so eine Medienmitteilung aus Berlin – die notwendigen Flächen für den Windenergieausbau rechtzeitig bereitgestellt werden. Dazu wird die Bundesregierung ein Wind-an-Land-Gesetz vorlegen, das die Länder verpflichtet, zwei Prozent ihrer Fläche für die Windenergie an Land zur Verfügung zu stellen.

Bau eines Windgenerators i. d. Lausitz – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

In aller Kürze:

  • Wir lösen den Zielkonflikt zwischen Energiewende und Artenschutz auf.
  • Wir vereinfachen die Verfahren für Windenergie durch standardisierte bundeseinheitliche Kriterien.
  • Es wird präzise und einheitliche Listen für die betroffenen Vogelarten, die Vermeidungsmaßnahmen und die jeweiligen Abstände geben.
  • Wir bewahren hohe Standards für den Artenschutz. Die europäischen NaturschutzRichtlinien werden respektiert und bleiben unangetastet.
  • Wir stärken den Vogelschutz durch ein neues Artenhilfsprogramm, in das die WindenergieBetreiber einzahlen, wenn sie die Ausnahmeregelung nutzen.
  • Repowering wird vereinfacht, indem die Vorbelastung an den Standorten berücksichtigt und die Alternativenprüfung deutlich erleichtert wird.
  • Auch die Genehmigung von Windenergie in Landschaftsschutzgebieten wird bis zur Erreichung des ZweiProzentZieles deutlich erleichtert.

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch bis 2030 auf mindestens 80 Prozent und bis 2035 auf 100 Prozent zu erhöhen. Klimaneutralität soll bis spätestens 2045 erreicht werden. Der Ausbau hat inzwischen eine doppelte Dringlichkeit: Es bleibt nicht mehr viel Zeit, um die Klimakrise wirksam einzudämmen. Zudem ist es angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine notwendig, Deutschland aus dem Klammergriff der russischen Energieimporte zu befreien. Entscheidender Schlüssel dafür ist der zügige Ausbau der erneuerbaren Energien.

Er ist eine Frage der öffentlichen Sicherheit, der ökologischen Vernunft und auch der ökonomischen Zukunftsfähigkeit. Daher ist hohes Tempo notwendig, und die Bundesregierung setzt alle Hebel in Bewegung, Planungs- und Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien zu vereinfachen und zu beschleunigen. Insbesondere müssen die notwendigen Flächen für den Windenergieausbau rechtzeitig bereitgestellt werden. Dazu wird die Bundesregierung ein Wind-an-Land-Gesetz vorlegen, das die Länder verpflichtet, zwei Prozent ihrer Fläche für die Windenergie an Land zur Verfügung zu stellen. Hier stehen alle Länder gemeinsam in der Verantwortung. Darüber hinaus plant die Bundesregierung zahlreiche Maßnahmen, wie zum Beispiel die Abstände zu Drehfunkfeuern und Wetterradaren kurzfristig deutlich zu reduzieren. Auch bei militärischen Belangen und der Ausweisung von Tiefflugkorridoren sowie beim Denkmalschutz soll der Windenergieausbau stärker berücksichtigt werden, sodass mehr Flächen für Windkraftanlagen zur Verfügung stehen. Und schließlich brauchen wir den im Koalitionsvertrag verankerten „Pakt mit den Ländern“, um vor Ort die Behörden und Gerichte besser mit Personal und technischer Infrastruktur auszustatten.

Wichtig ist auch, den beschleunigten Ausbau der Windenergie mit dem Artenschutz besser in Einklang zu bringen. Neben der Klimakrise ist die Artenkrise die zweite globale ökologische Krise, die unsere Lebensgrundlagen bedroht. Daher bedarf es eines starken Artenschutzes, der zugleich den notwendigen zügigen Ausbau von Windkraftanlagen erlaubt. Deshalb will die Bundesregierung die artenschutzfachliche Prüfung für Windenergieanlagen an Land vereinfachen und sie schneller und effizienter machen. Ziel ist, Windkraftanlagen zügig und rechtssicher zu genehmigen, unter Wahrung hoher und europarechtlich gebotener ökologischer Schutzstandards. Hierfür haben sich BMUV und BMWK auf die folgenden gemeinsamen Eckpunkte verständigt:

1. Standardisierung der Signifikanzprüfung

Es sollen erstmals im Bundesnaturschutzgesetz bundeseinheitliche gesetzliche Standards eingeführt werden, um zu prüfen, ob sich durch die Errichtung einer Windenergieanlage das Tötungs und Verletzungsrisiko kollisionsgefährdeter Vögel signifikant erhöht. Damit schaffen
wir für die Genehmigungsbehörden in den Ländern klare und verbindliche Prüfungs und Bewertungskriterien und vereinfachen die Verfahren.

Die Bewertung, ob eine Windenergieanlage das Tötungs und Verletzungsrisiko fürkollisionsgefährdete Vogelarten signifikant erhöht, erfolgt künftig:

  • anhand einer abschließenden bundeseinheitlichen Liste kollisionsgefährdeter Brutvogelarten (siehe Anlage).
  • unter Berücksichtigung eines artspezifischen Tabubereichs in unmittelbarer Nähe zum Brutplatz und von weiteren Prüfbereichen (siehe Anlage). In den Prüfbereichen gilt die Regelvermutung, dass die Signifikanzschwelle überschritten ist. Diese Vermutung kann auf Grundlage einer bundeseinheitlichen verbindlichen Habitatpotenzialanalyse (inklusive Bewertungsmaßstäbe) widerlegt werden. Die bisher häufig erforderliche, aufwändigere Raumnutzungsanalyse entfällt, was den Aufwand begrenzt und das Verfahren beschleunigt. Sie kann aber weiter auf Antrag
    des Betreibers durchgeführt werden, wenn das im Einzelfall sinnvoll ist.
  • Außerhalb der Prüfbereiche ist keine weitere Prüfung mehr erforderlich, da das Tötungsrisiko dort nicht signifikant erhöht ist. In diesem Bereich sind auch keine Vermeidungsmaßnahmen mehr zu ergreifen.
  • durch eine Liste von artspezifischen Vermeidungsmaßnahmen, mit denen die vorhabenbedingte Erhöhung des Tötungsrisikos unter die Signifikanzschwelle gesenkt werden kann. Hier geht es zum Beispiel um Antikollisionssysteme, Abschaltungen aufgrund von Bewirtschaftungsereignissen in engem Umkreis um die Windenergieanlage unter Berücksichtigung von artspezifischen Verhaltensmustern,
    Windgeschwindigkeit etc. Weitere saisonale oder brutzeitbezogene Abschaltungen soll es nicht mehr geben.
  • und schließlich einer Zumutbarkeitsschwelle für die Antragsteller, die festlegt, bis zu welcher Summe Vermeidungsmaßnahmen (für alle artenschutzrechtlichen Maßnahmen, unter anderem auch Fledermausabschaltungen) zu akzeptieren sind und ab wann eine Ausnahme zu beantragen ist. Diese Zumutbarkeit liegt in der Regel bei sechs Prozent der jährlichen Erzeugung, an besonders windhöffigen Standorten (ab 100 Prozent des Referenzertrags) können im Einzelfall auch höhere Ertragsverluste (bis acht Prozent) zumutbar sein. Die Überschreitung wird durch eine Prognose im Genehmigungsverfahren bestimmt. Abschaltungsbezogene Vermeidungsmaßnahmen sind in der Ausnahme nur in einem begrenzten Umfang zulässig, die exakte Stundenzahl wird noch festgelegt. Die Kosten hierfür können bei den erforderlichen Zahlungen in die Artenhilfsprogramme angerechnet werden.

Für diesen Bereich sind die Regelungen abschließend. Abweichende Regelungen der Länder sind nicht möglich. Beim Umgang mit sogenannten Ansammlungen können die Länder ihre individuellen Vorgehensweisen beibehalten, ebenso beim Umgang mit Fledermäusen. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) werden die kollisionsgefährdeten Brutvogelarten, die Abstände, die Vermeidungsmaßnahmen alle drei Jahre evaluieren und aktualisieren. Bis Ende 2022 werden BMUV und BMWK darüber hinaus die Einführung einer probabilistischen Methode zur mathematischen Berechnung der Kollisionswahrscheinlichkeit prüfen und soweit möglich einen Vorschlag hierzu vorlegen.

Diese bundeseinheitlichen gesetzlichen Standards werden wesentlich zur Rechtssicherheit der Genehmigungsentscheidungen beitragen und es den Behörden erleichtern, eine rechtssichere Ausnahme zu erteilen, wenn Vorhaben die Signifikanzschwelle überschreiten.

2. Artenschutzrechtliche Ausnahme

Die artenschutzrechtliche Ausnahme für die Genehmigung von Windenergieanlagen an Land wird konkretisiert. Liegen die dafür festgelegten Anforderungen vor, ist eine Ausnahme zukünftig ohne behördliches Ermessen zu erteilen.

  • Erneuerbare Energien liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Damit liegt der Ausnahmegrund in der Regel vor.
  • Die Anforderungen der Alternativenprüfung werden konkretisiert. Dabei sollen folgende Regelvermutungen gelten

In Gebieten, die gezielt für Windenergie ausgewiesen sind oder ausgewiesen werden sollen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass in dem ordnungsgemäß durchgeführten Planverfahren die Auswahl der am besten geeigneten Standorte auch unter Berücksichtigung des Natur- und Artenschutzes erfolgt ist. Somit bestehen keine Standortalternativen, solange die Flächenziele nicht erreicht sind.

Begleitend werden die Anforderungen an die Umweltprüfungen bezüglich des Artenschutzes zeitnah gesetzlich konkretisiert.

Für Gebiete, für die (noch) keine Planung vorliegt, sollen die Anforderungen an die Alternativenprüfung gesetzlich präzisiert werden, indem ein klar umgrenzter Bereich festgelegt wird, in dem Alternativen zu prüfen sind.

  • Verschlechterung des Erhaltungszustands der Population einer Art

– Es wird vermutet, dass kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot vorliegt, wenn für die betreffende Art in ihrem Bestand zu erwarten ist, dass der Zustand der Population einen positiven Trend aufweist oder sich zumindest bundesweit nicht verschlechtert; weitere Voraussetzung ist, dass in ein für diese Art bestehendes Artenhilfsprogramm eingezahlt wird.

– Die Vermutung gilt auch, wenn statt des Nachweises der Stabilität des bundesweiten Erhaltungszustands der Nachweis geführt werden kann, dass sich der Erhaltungszustand der durch das Vorhaben betroffenen lokalen Populationen nicht verschlechtert, gegebenenfalls unter Beachtung von FCS-Maßnahmen oder der Zahlungen in die Artenhilfsprogramme.

– Für die als kollisionsgefährdet gelisteten Vögel wird sehr zeitnah festgelegt, ob sie in ihrem Bestand gefährdet sind.

– Für eine Übergangszeit von drei Jahren wird für die Bestimmung des Erhaltungszustandes zunächst auf vorhandene Erkenntnisse abgestellt. In dieser Zeit reicht es für den Nachweis der bundesweiten Nicht-Verschlechterung aus, wenn die Art nicht auf einer Gefährdungsliste geführt oder wenn die Nicht- Gefährdung vom Bundesamt für Naturschutz festgestellt wird.

– Parallel werden regelmäßig Daten zur Bestandsentwicklung dieser Arten erhoben und den Genehmigungsbehörden zugänglich gemacht, auf deren Basis dann die Prognose zur Bestandsentwicklung (siehe oben) abgegeben werden kann. Nach Ablauf der Übergangsfrist soll diese Prognose dann einfach und zuverlässig nach europarechtlichen Standards auf Basis dieser validen Bestandsentwicklungsdaten erfolgen.

– Gleichzeitig werden wir gezielt den wissenschaftlichen Kenntnisstand zu den hier berührten Fragestellungen rund um den Themenbereich Windenergie und Artenschutz fördern.

3. Nachträgliche Anordnungen und Nisthilfen

Wir wollen klarstellen, dass nachträgliche Anordnungen nur in Ausnahmefällen und nur unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit für den Anlagenbetreiber möglich sind.

Nisthilfen für windenergiesensible Vogel- und Fledermausarten sind im definierten Nahbereich um bestehende Windenergieanlagen und auf für Windenergie in Raumordnungs- oder Bauleitplänen ausgewiesenen Flächen unzulässig.

4. Repowering

Die Regelungen des § 16b Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) zur artenschutzrechtlichen Prüfung werden in das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) überführt. Dabei werden folgende Präzisierungen vorgenommen

  • Es wird gesetzlich klargestellt, dass und wie die Berücksichtigung der Vorbelastung zu erfolgen hat. Die gesetzliche Regelung wird durch einen Leitfaden des Bundes oder der Länder ergänzt.
  • Standortalternativen sind in der Regel nicht zumutbar, auch außerhalb von für die Windenergie ausgewiesenen Gebieten. Ausnahmen gelten bei Anlagen in artenschutzrechtlich hoch sensiblen Gebieten (insbesondere Dichtezentren). Damit wird die Alternativenprüfung erheblich erleichtert.

Landschaftsschutzgebiete

Landschaftsschutzgebiete sollen bei der Planung vollumfänglich betrachtet und Gebiete für Windenergie dort verstärkt ausgewiesen werden.

  • Innerhalb von Landschaftsschutzgebieten sollen künftig Windenergieanlagen bereits zugelassen werden können, wenn dies planerisch vorgesehen ist. Eine zusätzliche Ausnahme nach der Landschaftsschutzgebietsverordnung oder Befreiung nach § 67 BNatSchG ist dann nicht mehr erforderlich.
  • Bis zur Erreichung der Flächenziele sind Windenergieanlagen innerhalb von Landschaftsschutzgebieten auch außerhalb von für die Windenergie ausgewiesenen Gebieten zulässig.
  • Dies gilt nicht, soweit Landschaftsschutzgebiete zugleich Natura-2000-Gebiete oder Weltkultur- und Weltnaturerbeflächen sind.

->Quellen: