Expertenrat für Klimafragen bestätigt Zielverfehlung

Gebäude- und Verkehrssektor kritisch

Der Expertenrat für Klimafragen (ERK) legte am 13.04.2022 entsprechend § 12 Abs. 1 des Bundes-Klimaschutzgesetzes seinen zweiten Prüfbericht zu den Emissionsdaten des Vorjahres vor. Neben der Prüfung ordnet der Expertenrat die Emissionsentwicklung und die Zielerreichung bzw. Zielverfehlung einzelner Sektoren vertiefend ein und diskutiert Bedarf und Optionen für eine Weiterentwicklung des Bundes-Klimaschutzgesetzes. „Unsere Analyse gibt Hinweise darauf, dass ohne die Sondereffekte die Emissionen im Verkehr 2021 eher noch höher ausgefallen wären“, erläutert Hans-Martin Henning, Vorsitzender des Expertenrats.

Wolken – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

„Zugleich bestätigen wir den Befund des Umweltbundesamtes, dass der Gebäudesektor den Jahreszielwert zum zweiten Mal in Folge überschritten hat. Allerdings ist bei dieser Feststellung zu beachten, dass der Überschreitungswert kleiner ist als die durch Lagerhaltung und Witterung bedingten Einflüsse. Das Klimaschutzgesetz ist noch recht jung. Neben grundlegenden Fragestellungen wie beispielsweise in Bezug auf die europäische Einbettung, zeigt sich in der Praxis an einigen Stellen konkreter Anpassungsbedarf im Hinblick auf Monitoring und Steuerung“, erklärt die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf. Der Expertenrat empfiehlt daher einen koordinierten Prozess zur Weiterentwicklung des Klimaschutzgesetzes im laufenden Jahr.

Kurzzusammenfassung

In diesem gemäß § 12 Bundes-Klimaschutzgesetz erstellten Bericht prüft und bewertet der Expertenrat für Klimafragen (ERK) die am 15. März 2022 vom Umweltbundesamt nach sieben Sektoren gegliederte Berechnung der Vorjahres-Treibhausgasemissionen von Deutschland. Kernstück des Berichts ist die Prüfung der komplexen Methodik der Berechnung der Vorjahresemissionen. Der Expertenrat hat sowohl umfassendals auch stichprobenartig die Zahlen nachvollzogen und findet keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Umweltbundesamt bei den Punktwertschätzungen zu anderen Ergebnissen hätte kommen müssen. Die berichteten Emissionswerte lagen für den Verkehrs- und den Gebäudesektor oberhalb der jahresscharf im Klimaschutzgesetz vorgegebenen Zielwerte. Demnach müssen die für diese Sektoren zuständigen Ministerien innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen. Für die restlichen im Gesetz genannten Sektoren lagen die Emissionswerte unterhalb der Zielwerte.

2021 haben die gesamten Treibhausgasemissionen (ohne den Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft) gegenüber dem Jahr 2020 um rund 4,5 % – von 729 auf 762 Mt CO2-Äq. – zugenommen, nachdem im Jahr 2020 ein Rückgang gegenüber dem Jahr 2019 um knapp 9 % zu verzeichnen war. Dieser Anstieg im Vergleich zum Vorjahr stellt damit die größte prozentuale Zunahme der Treibhausgasemissionen seit 1990 dar. Dazu hat neben dem wieder gewachsenen Bruttoinlandsprodukt auch der erstmals seit dem Jahr 2013 wieder beobachtete Anstieg der Emissionsintensität, d. h. die auf das Bruttoinlandsprodukt bezogenen Treibhausgasemissionen, beigetragen. Mit Blick auf die Erreichung der mittel- bis langfristigen Treibhausgasminderungsziele ist daher zu prüfen, inwieweit sich diese Zunahme der Emissionsintensität, die über den gesamten Zeitraum seit 1990 einen substanziellen Beitrag zur Minderung der Treibhausgasemissionen leistete, als kritisch erweisen könnte.

Die Betrachtung von Sondereffekten im Jahr 2021 (wie Preis- und Witterungseffekten, Lagereffekten von Heizöl oder den Auswirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie) zeigt, dass die Werte der Vorjahresemissionen immer nur eine Momentaufnahme darstellen. Im Gebäudesektor spielen Lagerhaltungs- und Witterungseffekte, die von Jahr zu Jahr großen Schwankungen unterliegen, eine große Rolle. Dies erschwert die Interpretation des Punktwertes der Berechnung der Vorjahresemissionen. Im Verkehrssektor wäre die Zielüberschreitung ohne die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie wahrscheinlich noch höher ausgefallen. Im Industriesektor, der sein Ziel nur knapp erreicht hat, ist der Einfluss der Sondereffekte weniger eindeutig.

Anknüpfend an die Prüfberichte dieses und des vergangenen Jahres, sowie den Bericht zum Sofortprogramm für den Gebäudesektor im vergangenen Jahr sieht der Expertenrat eine Reihe von Handlungsfeldern zur Weiterentwicklung des Klimaschutzgesetzes. Diese beziehen sich beispielsweise auf die Interaktion mit der europäischen Ebene und den übergeordneten Instrumenten des europäischen und des nationalen Emissionshandels, die Aufteilung der Sektoren, sowie auf den Mechanismus der Auslösung und der Nachsteuerung über Sofortprogramme. Es werden eine Reihe von Gestaltungsoptionen aufgezeigt, wie auf Basis der beobachteten Daten der Mechanismus verbessert werden kann, beispielsweise über die Betrachtung längerer Zeiträume oder eine automatisierte Nachsteuerung über eine Preisanhebung im nationalen Emissionshandel. Zudem fehlt im Klimaschutzgesetz bisher eine vorausschauende Steuerung bei antizipierter Zielverfehlung. Auch hierzu werden Optionen für eine Erweiterung vorgelegt. Zudem wird die zusätzliche Betrachtung von weiteren Schlüsselindikatoren angeregt, um ein besseres Gesamtbild hinsichtlich der Entwicklung des Emissionsgeschehens zu erhalten. Im Kontext dieser Weiterentwicklung könnte zugleich eine Reihe technischer Verbesserungen erfolgen.

Zusammenfassung und Kernaussagen

Mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG, letzte Novelle am 18. August 2021) hat Deutschland seine Klimaziele auf sieben Sektoren heruntergebrochen, von denen fünf mit verbindlichen jährlichen Sektorzielen bis einschließlich des Jahres 2030 für die Absenkung der Treibhausgasemissionen versehen sind (zusätzlich Energiewirtschaft: 2022, 2030; LULUCF: 2030), sowie einen gesetzlichen Rahmen festgelegt, der das Erreichen dieser Ziele sicherstellen soll. Dafür ist im Gesetz ein Mechanismus mit einer genauen zeitlichen Abfolge definiert: Jeweils am 15. März des dem Berichtsjahr folgenden Jahres veröffentlicht das Umweltbundesamt die Emissionsdaten des Vorjahres und übersendet diese an den Expertenrat für Klimafragen (§ 5 Abs. 1 KSG). Innerhalb eines Monats nach Übersendung legt der Expertenrat für Klimafragen eine Bewertung der veröffentlichten Daten vor (§ 12 Abs. 1 KSG). Weisen die Emissionsdaten eine Überschreitung der zulässigen Jahresemissionsmenge in einem Sektor aus, so legt das zuständige Ministerium innerhalb von drei Monaten nach der Bewertung durch den Expertenrat für Klimafragen ein Sofortprogramm für den jeweiligen Sektor vor, mit dem die Einhaltung der Ziele für die folgenden Jahre sichergestellt werden soll (§ 8 Abs. 1 KSG).

Für das Jahr 2021 legt der Expertenrat für Klimafragen mit diesem Prüfbericht zum zweiten Mal eine Prüfung und Bewertung der vom Umweltbundesamt übermittelten Emissionsdaten entsprechend § 12 Abs. 1 KSG vor. Der vorliegende Bericht bietet im ersten Teil eine detaillierte Analyse der Datenbasis und der Methode der Berechnung der Vorjahresemissionen sowie eine Einordnung. Darüber hinaus werden im zweiten Teil weiterführende Analysen zur Treibhausgasentwicklung in den Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie erbracht, sowie Vorschläge zur Weiterentwicklung des Bundes-Klimaschutzgesetzes vorgestellt. Der Bericht lässt sich anhand der nachstehenden Kernaussagen zusammenfassen.

Teil I: Prüfung und Bewertung der Berechnung der Vorjahresemissionen

Z1 Bei der Prüfung und Bewertung der Berechnung der Vorjahresemissionen für das Jahr 2021 ist der Expertenrat für Klimafragen wie im vergangenen Jahr vorgegangen und gelangt im Hinblick auf das methodische Vorgehen und dessen Randbedingungen zu grundsätzlich gleichen Erkenntnissen wie im Vorjahr:

  • Das methodische Vorgehen des Umweltbundesamtes zur Ermittlung der Emissionsdaten für die Berechnung der Vorjahresemissionen ist konsistent mit der Inventarberichterstattung der Treibhausgase.
  • Die Aussagekraft der Berechnung der Vorjahresemissionen ist durch die mangelnde Verfügbarkeit von Datenquellen zum frühen Zeitpunkt ihrer Erarbeitung gegenüber späteren Versionen des Treibhausgasinventars grundsätzlich eingeschränkt.
  • Die relativen Korrekturen der gesamten Treibhausgasemissionen in Summe über die Sektoren (Korrekturbedarf von der Berechnung der Vorjahresemissionen zunachfolgenden Treibhausgasinventaren) waren über die Jahre gering (< 3 %). In einzelnen Sektoren lagen sie allerdings teilweise in der Größenordnung der jährlichen im Bundes-Klimaschutzgesetz vorgesehenen Minderungsmengen oder darüber.
  • Der Korrekturbedarf für das erste vom Expertenrat für Klimafragen geprüfte Jahr 2020 hat sich im Folgejahr 2021 mit -10,8 Mt CO2-Äq. (-1,5%) in diesen allgemeinen Befund eingeordnet. Einen besonders großen Korrekturbedarf gab es in den Sektoren Industrie und Landwirtschaft.

Z2 Die Auseinandersetzung mit der komplexen Methodik zur Erstellung der Berechnung der Vorjahresemissionen, einschließlich einer stichprobenartigen Prüfung, hat auf keine grundsätzlichen Konsistenzprobleme hingedeutet. Eine detaillierte Prüfung der Daten und Methoden erfolgte zum einem in dem Sektor, der im Jahr 2020 das im Bundes-Klimaschutzgesetz gesetzte Emissionsziel nicht erreicht hat (Sektor Gebäude), zum anderen in den Sektoren, die im Vorjahres-Prüfbericht für das Jahr 2020 noch nicht eingehend geprüft wurden (Landwirtschaft und Industrie), sowie dem Verkehrssektor. Des Weiteren wurde das iterative Vorgehen zur sektoralen Aufteilung der Primärenergiemengen und die darauffolgende Anpassung der brennstoffbedingten Emissionsfaktoren überprüft. Zur stichprobenartigen Prüfung der Treibhausgasemissionen wurden unterschiedliche Ansätze verfolgt.

Das Vorgehen des Umweltbundesamtes konnte in allen Fällen grundsätzlich nachvollzogen werden. Insbesondere ergeben sich bezüglich der Setzungen, die vom Umweltbundesamt im Rahmen der Schätzungen vorgenommen wurden, keine Anhaltspunkte für eine bewusste systematische Verzerrung. Allerdings basieren die Abschätzungen auf unterschiedlichen Datenquellen und -ständen, in die zusätzlich Erfahrungswissen eingeht, für das keine vollständige Dokumentation vorliegt.

Z3 In Summe liefert die Prüfung und Bewertung der in der Berechnung der Vorjahresemissionen für das Jahr 2021 nach § 5 Abs. 1 KSG bereitgestellten Daten keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Umweltbundesamt bei seiner Berechnung der Vorjahresemissionenzu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen. Es zeigt sich zugleich, dass die Unsicherheit, die mit dieser Berechnung verbunden ist, in einigen Sektoren groß ist.

Z4 Die durch das Umweltbundesamt für den Industriesektor ausgewiesenen Unsicherheiten werden auf Basis einer statistischen Prüfung als zu niedrig erachtet. Das Umweltbundesamt weist im Einklang mit internationalen Standards, wie bereits in der Berechnung der Vorjahresemissionen für das Jahr 2020, Konfidenzintervalle für die tatsächlichen Emissionsdaten in den einzelnen Sektoren aus. Die Vorgehensweise zur Ermittlung der Unsicherheiten erfolgt im Einklang mit den IPCC-Richtlinien. Es konnte durch die Gegenüberstellung der historischen Korrekturbedarfe mit den Konfidenzintervallen der ausgewiesenen sektorspezifischen Unsicherheit des Umweltbundesamtes auf Ebene der Gesamtemissionen sowie in allen Sektoren außer der Industrie keine Inkonsistenz festgestellt werden. Für den Sektor Industrie sind jedoch die historischen Korrekturbedarfe statistisch gesehen größer als das entsprechende Konfidenzintervall. Dies deutet darauf hin, dass die Unsicherheit der Emissionen des Industriesektors im Rahmen der Emissionsberechnung des Vorjahres zu niedrig eingeschätzt wird.

Z5 Die Punktwertschätzungen des Umweltbundesamtes bedeuten, dass die berichteten Emissionswerte für alle der in § 4 Abs. 1 KSG genannten Sektoren mit Ausnahme des Gebäudesektors und des Verkehrssektors unterhalb der Zielwerte lagen. Der Gebäudesektor lag 2,5 Mt CO2-Äq. über dem Sektorziel, der Verkehrssektor überschritt das Sektorziel mit 3,1 Mt CO2-Äq. Daraus leitet sich für beide Sektoren die Notwendigkeit zur Vorlage eines Sofortprogramms ab.

Teil II: Weiterführende Betrachtungen

Z6 Im Jahr 2021 sind die gesamten Treibhausgasemissionen (ohne LULUCF) gegenüber 2020 um 4,5% (33Mt CO2-Äq.)angestiegen. Dies stellt den höchsten prozentualen Anstieg gegenüber dem Vorjahr seit 1990 dar.

2020 war noch ein Rückgang um 9 % zu verzeichnen. Eine vergleichbare Entwicklung trat nur noch 2010 auf, als die Emissionen in der Folge der Finanzkrise 2009 zunächst deutlich zurückgingen, um im Folgejahr um 3,7 % zu steigen. Im gesamten Zeitraum 1990 bis 2021 sind die Treibhausgasemissionen um knapp 39 % (487 Mt CO2-Äq.) gesunken.

Z7 Der Anstieg der Treibhausgasemissionen 2021 um 33 Mt CO2-Äq. gegenüber 2020 kann -basierend auf einer Komponentenzerlegung -zu rund60% (19,5 Mt CO2-Äq.) der wieder angestiegenen Wirtschaftsleistung zugeordnet werden. Die übrige Zunahme ist durch den rstmals seit 2013 wieder beobachteten Anstieg der Emissionsintensität bedingt. Die Zunahme dieses Treibers im Jahr 2021 kann vor allem auf eine Erhöhung sowohl der Energieintensität (gemessen als Primärenergieverbrauch pro Einheit Bruttoinlandsprodukt) als auch der auf den Primärenergieverbrauch bezogenen Emissionen zurückgeführt werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass 2021 das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes mit 2,7 % unter der Wachstumsrate des Primärenergieverbrauchs lag, der gegenüber 2020 um 3,1 % zunahm. Außerdem ist es in der Zusammensetzung der Primärenergieträger zu Verschiebungen gekommen, die zu höheren Emissionen je Einheit Primärenergie geführt haben, nämlich unter anderem zu einer Abnahme des Anteils der erneuerbaren Energien und einem Anstieg für 2021 der Kohleverstromung im Vergleich zum Vorjahr. Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, inwieweit sich dieser 2021 beobachtete Anstieg der Emissionsintensität, die über den gesamten Zeitraum seit 1990 einen substanziellen Beitrag zur Minderung der Treibhausgasemissionen leistete, als kritisch für die mittel- bis langfristige Erreichung der Treibhausgasminderungsziele erweisen könnte.

Z8 Bei der Betrachtung der Treibhausgasemissionen in einzelnen Sektoren unter Berücksichtigung von Sondereffekten wird deutlich, dass die Berechnung der Vorjahresemissionen nur eine Momentaufnahme darstellt. Die Betrachtung von Sondereffekten kann einen ersten Anhaltspunkt für eine qualifizierte Einordnung der Zielerreichung bzw. Zielverfehlung in den Sektoren liefern. Diese Betrachtung ist wichtig, um ein besseres Bild zu bekommen, wie die Politik auf mögliche Zielverfehlungen reagieren kann. Dabei müssen zwei Arten von Sondereffekten unterschieden werden: zum einen Effekte mit stochastischen Schwankungen rund um einen Mittelwert, wie es beispielsweise beim Einfluss der Lagerhaltung und Witterung der Fall ist. Und zum anderen Sondereffekte aufgrund von menschlichem oder wirtschaftlichem Einfluss, wie die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie und Konjunkturentwicklungen. Insbesondere im Gebäudesektor spielen Lagerhaltungs- und Witterungseffekte eine große Rolle, die von Jahr zu Jahr großen Schwankungen unterliegen. Dies erschwert die Interpretation des Punktwertes der Berechnung der Vorjahresemissionen. Zudem hängt die Betrachtung vom gewählten Bezugsjahr bzw. der Berechnungsmethode ab. Beim Sondereffekt in Bezug auf die Covid-19-Pandemie stellt sich mit Blick auf die nächsten Jahre die Frage, welche dieser Effekte sich möglicherweise verstetigen (z. B. die Zunahme des Homeoffice) und welche lediglich der Pandemie geschuldete Einmaleffekte bleiben.

Z9 Für die drei im Detail betrachteten Sektoren zeigt sich, dass vor allem der Gebäudesektor unter derartigen Sondereinflüssen stand, während solche Effekte im Verkehrs- und vor allem Industriesektor weniger prononciert zu Tage getreten sind. Im Sektor Gebäude haben sowohl die Lagerhaltung als auch die Witterung einen wesentlichen Einfluss auf die Höhe der vom Umweltbundesamt berechneten Emissionen, der von Jahr zu Jahr unterschiedlich ausfallen kann. 2021 war eine gegenläufige Wirkung dieser beiden Effekte festzustellen. Während sich der Abbau der Lagerhaltung mindernd auf die berechneten Emissionen auswirkte, ging von der eher kalten Witterung ein emissionserhöhender Einfluss aus. Die Größenordnung dieser jährlich schwankenden Effekte lag 2021 – wie auch schon 2020 – über dem Wert der Überschreitung des jährlichen Emissionswertes im Gebäudesektor. Im Sektor Verkehr zeigt eine erste vorsichtige Abschätzung der emissionsmindernden Wirkung der Covid-19-Eindämmungsmaßnahmen auf den Treibstoffabsatz in den ersten zwei Monaten des Jahres, dass dieser Effekt im Jahr 2021 in der Größenordnung von mehreren Megatonnen CO2-Äq. lag. Daraus lässt sich ableiten, dass ohne den Covid-19-Effekt die Zielverfehlung im Sektor Verkehr tendenziell noch höher ausgefallen wäre. Die Wirkung wichtiger treibender Faktoren auf die Emissionsentwicklung in der Industrie, die 2021 ihr Sektorziel nur knapp erreicht hat, ist nicht eindeutig. Zwar wirkten tendenziell emissionsmindernde Sondereffekte als Folge der Covid-19-Pandemie weiter fort und wurden durch Liefer- und Ressourcenengpässen noch verstärkt. Allerdings verlief die Entwicklung je nach Branche sehr unterschiedlich. Einige Branchen erreichten auch wieder das Produktionsniveau von vor der Pandemie, darunter auch emissionsintensive wie die Stahlindustrie. Wie sich die Emissionen in der Industrie im Jahr 2021 ohne diese Sondereinflüsse entwickelt hätten, lässt sich daher an dieser Stelle nicht eindeutig bewerten.

Z10 Der Expertenrat für Klimafragen sieht den Bedarf einer wesentlichen Weiterentwicklung des Bundes-Klimaschutzgesetzes. Als wesentliche Handlungsfelder werden identifiziert:

i) mangelnde Kongruenz zwischen dem Bundes-Klimaschutzgesetz und dem europäischen Emissionshandel (EU-ETS) sowie den europäischen Zielvorgaben im Rahmen der ESR;

ii) mangelnde Kongruenz zwischen dem Bundes-Klimaschutzgesetz und dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG);

iii) der Auslösemechanismus für Sofortprogramme u.a. in Bezug auf die Unsicherheit der Datengrundlage, die Nichtberücksichtigung von jahresspezifischen Sondereffekten, die ausschließliche Betrachtung von Emissionswerten ohne Einbeziehung weiterer relevanter Entwicklungen;

iv) die ausschließliche Berücksichtigung vergangener Entwicklungen (ex-post) und entsprechend keine vorausschauende Perspektive (ex-ante) sowie

v) Klärungsbedarf bei den Handlungsanforderungen, die sich aus dem Bundes-Klimaschutzgesetz ergeben im Hinblick auf die in § 8 Abs. 1 KSG formulierte Anforderung an ein Sofortprogramm zur Einhaltung der künftigen Jahresemissionsmengen.

Z11 Der Tatbestand zur Auslösung eines Sofortprogrammes weist auf Seiten des Steuerungssignals Mängel auf und ist zu mechanistisch in seiner Anwendung. Der Expertenrat für Klimafragen sieht zahlreiche Optionen zur Verbesserung des Steuerungsmechanismus. Dafür werden eine Reihe von Gestaltungsoptionen aufgezeigt, wie auf Basis der beobachteten Daten der Mechanismus verbessert werden kann, beispielsweise über die Betrachtung längerer Zeiträume oder eine automatisierte Nachsteuerung über eine Preisanhebung im nationalen Emissionshandel. Eine grundsätzliche Alternative zu einem regelbasierten Mechanismus, der eine Rechtsfolge bei gegebenem Auslösetatbestand impliziert, wäre eine Beurteilung auf Basis einer qualifizierten Bewertung der Emissionsdaten. Dabei könnten zugleich weitere Indikatoren einbezogen werden, die weitergehenden Aufschluss über zugrundliegende Entwicklungen geben. Zudem könnte eine Betrachtung im Rückblick (ex-post), die sich auf Werte in der Vergangenheit stützt, durch eine Betrachtung in der Projektion (ex-ante) ergänzt oder auch ersetzt werden. Darüber hinaus werden eine Reihe konkreter Optionen zur Verbesserung der Monitoring-Funktion des Bundes-Klimaschutzgesetzes aufgezeigt.

Zusammenfassung und Kernaussagen

Z12 Für die jährlich stattfindende Aktualisierung der sektorspezifischen Jahresemissionsmengen (Anlage 2 KSG) aufgrund von Über-und Unterschreitungen sollte das angewandte Verfahren eindeutig geklärt und nachvollziehbar geregelt werden. Bei dieser Aktualisierung der Sektorziele, die aufgrund der Berechnung der Emissionsdaten durch das Umweltbundesamt jährlich erforderlich ist, sollte immer auf die jüngsten verfügbaren Emissionsdaten aller Vorjahre zurückgegriffen werden.

Z13 Der Expertenrat für Klimafragen empfiehlt einen koordinierten Prozess zur Weiterentwicklung des Bundes-Klimaschutzgesetzes im laufenden Jahr. Damit sollte minimal der Anspruch verfolgt werden, den derzeitigen Handlungsmechanismus durch Nutzung zusätzlicher bzw. angepasster Steuerungssignale zu verbessern. Im Kontext dieser Weiterentwicklung könnte zugleich eine Reihe weiterer technischer Verbesserungen und Ergänzungen im Bereich der betrachteten Sektoren und Daten erfolgen. Zudem gibt es erheblichen Spielraum für eine grundsätzliche Weiterentwicklung des Bundes-Klimaschutzgesetz mit dem Ziel, dass

i) das Bundes-Klimaschutzgesetz passgenau in den europäischen Rahmen eingebettet wird,

ii) sich das Bundes-Klimaschutzgesetz sowohl im Hinblick auf das Monitoring der Zielerreichung als auch auf die Steuerungslogik zusätzlich an den übergeordneten, mehrere Sektoren betreffenden Instrumenten des EU-ETS, und Brennstoffemissionshandelsgesetz orientiert und

iii) die grundlegenden Fragen zur Zielstellung und der Rolle des intertemporalen Ausgleichsmechanismus geklärt werden.

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