Weltweites Klimaziel: Globale Emissionen noch nicht auf 1,5°C-Pfad, selbst wenn alle Länder ihre derzeitigen Verpflichtungen einhalten
Soeben ist die Studie „Global Energy Perspective 2022“ von McKinsey & Company veröffentlicht worden. Für diese Analyse der Entwicklungen am weltweiten Energiemarkt wertet McKinsey regelmäßig die Daten und Fakten zu Entwicklungen von 55 Industriesektoren und über 70 Energieprodukten und -brennstoffen in 146 Ländern aus. Basis sind fünf Szenarien, die unterschiedliche Technologiefortschritte und politische Rahmenbedingungen bis 2050 berücksichtigen. Die Berechnungen wurden vor Ausbruch des Kriegs in der Ukraine im Zeitraum von August 2021 bis Februar 2022 durchgeführt. Deshalb spiegeln sie derzeit noch nicht die Auswirkungen des Kriegs auf die globalen Energiemärkte wider.
Die Energiewende nimmt weltweit immer mehr Fahrt auf. Erneuerbare Energien und Dekarbonisierungstechnologien werden voraussichtlich fast das gesamte Investitionswachstum im Energiesektor ausmachen. Die Nachfrage nach Öl wird bereits um 2025 ihren Höhepunkt erreichen. Die Kosten für Solarenergie haben sich seit 2017 halbiert, für Windenergie sind sie um ein Drittel gesunken. Bereits heute sind 61% der neu installierten erneuerbaren Kapazitäten preiswerter als die fossilen Alternativen. Auch die Batteriekosten haben sich in den letzten vier Jahren nahezu halbiert. Doch trotz der klaren Anzeichen für eine Beschleunigung der Energiewende reicht das Tempo immer noch nicht aus, um das angestrebte 1,5°C-Ziel zu erreichen. Selbst mit den aktuellen Regierungsverpflichtungen der 64 Länder, die mehr als 89 Prozent der weltweiten Emissionen abdecken sowie den prognostizierten Technologietrends, könnte die globale Erwärmung bis 2100 je nach Szenario voraussichtlich 1,7 bis 2,4°C betragen. Dies sind zentrale Ergebnisse der am 26.04.2022 von McKinsey & Company veröffentlichten „Global Energy Perspective 2022“.
Ölnachfrage bald am Höhepunkt, Gasnachfrage steigt noch 10 bis 15 Jahre
Um die globalen Netto-Null-Ziele zu erreichen, müsse die Transformation des Energiesystems erheblich schneller erfolgen. McKinsey rechnet mit einer raschen Verschiebung des globalen Energiemixes: Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung könnte sich bis 2035 verdoppeln. „Die weltweite Ölnachfrage wird bereits in den nächsten zwei bis fünf Jahren ihren Höhepunkt erreichen, was vor allem auf die Verbreitung von Elektrofahrzeugen zurückzuführen ist“, erläutert Alexander Weiss, Senior Partner aus dem Berliner Büro von McKinsey & Company und Leiter für den Energiebereich in der EMEA-Region. Die Nachfrage nach Kohle habe ihren Höhepunkt bereits 2020 erreicht. Demgegenüber werde die globale Nachfrage nach Gas voraussichtlich noch um mindestens weitere 10 bis 15 Jahre steigen – um rund 10%. Alexander Weiss: „Kurzfristig ist Gas der widerstandsfähigste fossile Brennstoff, da es die geringste Kohlenstoffintensität aufweist und in allen Sektoren weit verbreitet ist. Längerfristig sind die Elektrifizierung, die Nutzung erneuerbarer Energien und die Einführung von grünem Wasserstoff die wichtigsten Ersatzstoffe für Gas.“
Neuer Energiemix: Strom, synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff
Die Stromnachfrage werde sich bis 2050 voraussichtlich verdreifachen, da die Sektoren elektrifiziert werden und der Marktanteil von Wasserstoff und wasserstoffbasierten Kraftstoffen auf Grund der Dekarbonisierung steige. Trotz einer Verdoppelung des Weltwirtschaftswachstums und eines erwarteten Bevölkerungsanstiegs von 2 Milliarden Menschen bis 2050 werde der Energieverbrauch sich nur um 15% erhöhen. Dies sei vor allem auf Fortschritte bei der Energieeffizienz in Gebäuden, im Verkehr und in der Industrie sowie auf die Elektrifizierung zurückzuführen, so ein Ergebnis der Studie.
Entsprechend verschiebe sich auch der globale Energiemix zu Gunsten kohlenstoffarmer Lösungen. Erneuerbare Energien würden bis 2050 um das Dreifache wachsen und bereits 2030 rund 50% und 2050 rund 80-90 % der weltweiten Stromerzeugung ausmachen. Gleichzeitig werde die Wasserstoffnachfrage bis 2050 um das Vier- bis Sechsfache steigen, vor allem im Straßenverkehr, in der Schiff- und in der Luftfahrt. Der Anteil von Wasserstoff und aus Wasserstoff gewonnenen synthetischen Kraftstoffen werde von heute rund 1% bis 2050 auf rund 10% des weltweiten Endenergieverbrauchs steigen, heißt es weiter.
CCUS wichtiger Hebel für die industrielle Dekarbonisierung
Die Studie zeigt zudem: Um weltweit die angestrebten Netto-Null-Ziele zu erreichen, muss der Einsatz von CCUS bis 2050 um das 120-fache steigen (Carbon Capture Utilization and Storage, deutsch: Abscheidung, Nutzung und Speicherung von Kohlenstoff). CCUS ist ein wichtiger Hebel zur Dekarbonisierung in CO2-intensiven Industrien wie Eisen, Stahl und Zement. Allerdings weisen die McKinsey-Autoren auf die aktuelle Unsicherheit hinsichtlich der Rentabilität hin, da die in den unterschiedlichen Szenarien angenommenen Kohlendioxidpreise nicht ausreichen, um CCUS allein zu skalieren.
Um die Energiewende zu beschleunigen, sind McKinsey zufolge sektorübergreifend erhebliche Investitionen in neue Technologien zur Energieversorgung und zur Dekarbonisierung in der Energieerzeugung nötig – weltweit bis zu 1,6 Billionen USD jährlich. Die Investitionen in Energieerzeugung müssten jährlich um 4% steigen, um die Energiewende zu unterstützen. Dabei entfallen rund 70% der Investitionen bis 2035 auf neue Technologien außerhalb des Öl- und Gassektors wie z.B. die Ladeinfrastruktur für Elektroautos oder die Produktion von nachhaltigen Kraftstoffen oder Wasserstoff. Gleichzeitig könnte der jährliche Gewinnzuwachs (EBIT) in diesen Technologiefeldern bis zu 5% betragen und läge somit einen Prozentpunkt höher als das Wachstum der zu Grunde liegenden Investitionen.
->Quelle und Studie: