Baden-Württemberg als Beispiel
Grüner Wasserstoff, der dezentral mit Hilfe regenerativer Energiequellen erzeugt wird, hat das Potenzial, den Energiebedarf von Industrie und Schwerverkehr regional zu decken. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Fraunhofer IPA, die am 11.05.2022 veröffentlicht wurde. „Die Nutzung von Grünem Wasserstoff ist ökologisch und ökonomisch sinnvoll“, davon ist Dr. Jürgen Henke überzeugt: „Wasserstoff, der mit Hilfe regenerativer Energien gewonnen wird, lässt sich für verschiedene industrielle Prozesse nutzen, die Herstellung ist klimaneutral und verringert die Abhängigkeit von Gasimporten“.
In der Studie „Industrielle Wasserstoff-Hubs in Baden-Württemberg“, kurz I-H2-Hub-BW, hat Henke zusammen mit seinem Team eine Fülle von Daten zusammengetragen und ausgewertet. Das Ergebnis: Dezentrale Wasserstofferzeugung und Nutzung zahlt sich aus, wenn man die Verteilerzentren, englisch Hubs, richtig platziert.
Transportkosten sparen durch dezentrale Herstellung
„Das Ziel der Studie war es, Kriterien für die Standortauswahl zu erarbeiten“, erläutert der Forscher. „An erster Stelle steht hier die Verfügbarkeit von Ökostrom, der vor Ort mit Photovoltaik, Wind- oder Wasserkraft gewonnen werden kann. Mit dem Ökostrom werden in den Hubs die Elektrolyseure betrieben, die Wasser in seine Bestandteile zerlegen. Um Transportkosten zu vermeiden, müssen die Hubs möglichst nahe bei den Verbrauchern stehen. Das zweite wichtige Kriterium für die Standortwahl ist daher der Bedarf der ortsansässigen Industrie an Prozesswärme, Hochtemperaturprozessen und Wasserstoffgas, beispielsweise für die Herstellung von Stickstoffdünger. Und auch die Infrastruktur ist wichtig: Ideale Standorte befinden sich in der Nähe stark befahrener Straßen mit Lkw-Betriebshöfen, an denen Wasserstoff-Tankstellen eingerichtet werden können“.
Mit Hilfe der Standort-Kriterien konnte das Forscherteam in Baden-Württemberg mögliche Standorte identifizieren – allen voran die Metropolregion Rhein-Neckar sowie den Großraum Karlsruhe. Die Gewinnung der regenerativen Energie sei hier kein Problem, betont Henke: „Wir sind das sonnenreichste Bundesland. Wenn man die Freiflächen entlang der Bundestraßen und Autobahnen und vielleicht auch noch die Dächer der Industriebetriebe mit Photovoltaik bestückt, kommt genügend zusammen“. Auch Abnehmer für den Grünen Wasserstoff gebe es in den Modellregionen in großer Zahl: Logistikunternehmen, die große Lkw-Flotten betreiben, chemische Industriebetriebe und Papierfabriken könnten das Gas direkt oder indirekt für ihre Prozesse nutzen.
Eine Win-win-Situation für Unternehmen und Gesellschaft
Mit Hilfe von Computersimulationen konnten die Forscher am Fraunhofer IPA zeigen, dass sich mit regional erzeugtem Grünem Wasserstoff innerhalb von zehn Jahren 30 Prozent der fossilen Energie ersetzen lassen, und das nur bei Nutzung der landeseigenen Freiflächen. „Die Investitionen würden sich also innerhalb weniger Jahre amortisieren. Wenn die Gaspreise weiter steigen, geht es noch schneller.
Und wenn die Kosten für die Elektrolyseure, die bisher noch nicht in Groß-Serie hergestellt werden, durch eine künftige optimierte Produktion sinken, wird der Aufbau von Wasserstoff-Hubs noch schneller rentabel“, resümiert Henke.
Profitieren könnte von der dezentralen Versorgung mit Grünem Wasserstoff nicht nur die Industrie, sondern auch die Gesellschaft als Ganze, betont der Forscher: Die Unternehmen würden unabhängiger von krisenbedingten Preissteigerungen und Engpässen bei der Energieversorgung – könnten also ihre Resilienz steigern; Arbeitsplätze würden damit sicherer; die Luft besser, weil weniger oder keine fossilen Rohstoffe mehr verbrannt würden; und auch die Emission von Treibhausgasen würde verringert.
In der Studie, die durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg gefördert wurde, seien zwar nur Standorte innerhalb Baden-Württembergs untersucht worden. Doch das Modell könne Schule machen. „Die Methodik, die wir entwickelt haben, lässt sich auf jedes andere Bundesland und jede andere Region Europas übertragen“, erklärt Henke.
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