Großexperiment CLOUD am CERN
Ob und wie viele Wolken am Himmel sind, hat großen Einfluss darauf, wie sich die Erde weiter erwärmt. Diesen Effekt in Klimamodellen zu quantifizieren, ist bis heute mit großen Unsicherheiten verbunden. Das liegt vor allem daran, dass die Entstehung von Kondensationskeimen in der Atmosphäre nur ungenügend verstanden wird. Seit 2009 erforscht ein internationales Team beim Großexperiment CLOUD am europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf die molekularen Mechanismen der Neubildung von Partikeln aus atmosphärischen Gasen, aus denen sich Kondensationskeime für Wolken bilden. In Nature zeigen die Wissenschaftler nun open access, dass die Anwesenheit von Ammoniak in der oberen Troposphäre zur verstärkten Bildung solcher Partikel führen kann.
Der vermehrte Einsatz von Kunstdünger und Mist aus der Tierhaltung brächten mehr Ammoniak in die Atmosphäre. Während des asiatischen Monsuns werde Ammoniak, das von landwirtschaftlich genutzten Gebieten stamme, verstärkt in die obere Troposphäre transportiert. Dort beschleunige der Luftschadstoff die Bildung von Partikeln und damit die Entstehung von Wolken, heißt es in einer Pressemitteilung der Universität Insbruck vom 19.05.2022.
Die Troposphäre ist die unterste Schicht der Erdatmosphäre und reicht bis rund 15 Kilometer über die Erdoberfläche. Die obere Troposphäre spielt eine wichtige Rolle im Klimasystem. Gerade hier hätten bereits geringe Veränderungen der Zusammensetzung erheblichen Einfluss auf den Strahlungshaushalt der Erde. Bildeten sich hier neue Partikel, entstünden daraus auch mehr Wolken. „Die Vorläufergase, die diesen Prozess der Partikelbildung antreiben, sind jedoch nicht gut verstanden“, betont Armin Hansel vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck, einer der Mitautoren der Studie. „Mit Experimenten, die unter den Bedingungen der oberen Troposphäre in der CLOUD-Kammer am CERN durchgeführt wurden, konnten wir nun zeigen, dass Salpetersäure, Schwefelsäure und Ammoniak gemeinsam Partikel bilden, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die um Größenordnungen schneller ist, als wenn nur zwei der drei Komponenten miteinander reagieren“, erklärt Hansel.
Welche Bedeutung dieser Mechanismus für die Wolkenbildung habe, hänge demnach von der vorhandenen Menge an Ammoniak ab. Bisher sei man davon ausgegangen, dass Ammoniak beim Aufsteigen der Luftmassen ausgewaschen werde. Kürzlich seien jedoch überraschend hohe Konzentrationen von Ammoniak und Ammoniumnitrat in der oberen Troposphäre über der asiatischen Monsun-Region beobachtet worden. Die Experimente in der Wolkenkammer zeigten nun, dass Ammoniak und Salpetersäure zusammen mit Spuren von Schwefelsäure rasch Kondensationskeime heranwachsen ließen. „Darüber hinaus zeigen unsere Messungen, dass diese Kondensationskeime auch hocheffiziente Eisnukleationspartikel sind, deren Effektivität mit Wüstenstaub vergleichbar ist“, erklärt Paul Winkler von der Forschungsgruppe Aerosolphysik und Umweltphysik an der Universität Wien. Die Modellrechnungen bestätigten, dass Ammoniak während des asiatischen Monsuns in großen Mengen in die obere Atmosphäre gelange, dort mit Salpetersäure, die lokal durch Blitze entstehe, zusammen mit nur Spuren von Schwefelsäure rasch zur Bildung der beschriebenen Partikel führe. Dadurch entstünden bei den kühlen Temperaturen der oberen Troposphäre Eispartikel, die sich über die nördliche Hemisphäre ausbreiten könnten. „Die meisten Ammoniakemissionen in Südasien stammen aus der Landwirtschaft und hier vor allem aus der vermehrten Verwendung von Kunstdünger neben der natürlichen Düngung mit Mist“, sagt Winkler.
Tiroler Technologiepioniere
Für die CLOUD-Experimente hat die Innsbrucker Forschungsgruppe um Armin Hansel in enger Zusammenarbeit mit dem Spin-Off-Unternehmen Ionicon Analytik GmbH spezielle Messverfahren entwickelt. Das Team um Hansel gilt im Feld der Spurenanalytik als internationaler Pionier, da diese technische Innovation aus Tirol in Echtzeit Resultate mit extrem hoher Nachweisempfindlichkeit liefert. Das CLOUD-Forschungsteam besteht aus zahlreichen Arbeitsgruppen aus ganz Europa und Nordamerika und wird unter anderem von der Europäischen Union und zahlreichen nationalen Fördergebern – darunter der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG – finanziell unterstützt.
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