forsa-Umfrage im Auftrag der DBU
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat nicht nur unermessliches menschliches Leid verursacht, sondern auch eine intensive Debatte um Energiewende, Versorgungssicherheit und künftige Energieträger ausgelöst. Ein Aspekt: Kernenergie schien trotz des in Deutschland beschlossenen Atomausstiegs an Zuspruch zu gewinnen. Eine überraschende Erkenntnis fördert vor diesem Hintergrund eine aktuelle – repräsentative – Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen“ im Auftrag der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) zutage: Laut forsa-Erhebung für den DBU-Umweltmonitor „Energiewende und Wohnen“ erteilt eine klare Mehrheit der Deutschen (75 Prozent) der Renaissance von Atomkraft eine Absage; breite Unterstützung (65 bis 75 Prozent) finden hingegen erneuerbare Energien (EE).
Unabhängiger von Energieimporten
Lediglich ein Viertel der Befragten ist laut forsa dafür, künftig Kernenergie stärker zu nutzen, um Deutschland unabhängiger von Energieimporten wie russisches Gas oder Öl zu machen. „Die Zukunft der Energieversorgung gehört den erneuerbaren Energien. Dieses Signal vermittelt auch die jetzige forsa-Umfrage“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. „Wir müssen den Ausbau der Erneuerbaren beherzt vorantreiben. Das allein reicht aber nicht. Neben einem schnelleren EE-Ausbau brauchen wir zugleich mehr Energieeffizienz – also kluge Maßnahmen vom Dämmen bis zum Heizen, besonders im alten Gebäudebestand.“
Tatsächlich bestätige die forsa-Erhebung einen starken Rückhalt in der Bevölkerung für ein solches strategisches Vorgehen: Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen – insgesamt zwischen 65 und 75 Prozent – fordere, in Zukunft vor allem auf Solar- und Windenergie sowie Wasserstoff aus regenerativer Energie zu setzen, damit Deutschland nicht mehr wie bislang von Energieimporten abhängig sei. Energieträgern wie Gas (6 Prozent Zustimmung) und Kohle (5 Prozent) trauten nur noch wenige Deutsche eine Zukunft im Energiemix zu, interpretiert Bonde die forsa-Befragung.
Lediglich 14 Prozent der 18- bis 29-Jährigen für Kernenergie
Bei der repräsentativen forsa-Erhebung zwischen dem 14. bis 30.04.2022 wurden neben 1.000 Bürgern ab 18 Jahren auch 1.011 Hauseigentümer in Deutschland befragt. Die ermittelten Ergebnisse könnten sowohl auf die Gesamtheit der erwachsenen Bevölkerung, als auch auf die Hauseigentümer in Deutschland übertragen werden. Auffallend in der aktuellen forsa-Umfrage zur Kernenergie als Option für größere Unabhängigkeit von Energieimporten bei gleichzeitiger Vermeidung von Versorgungsengpässen seien die Unterschiede zwischen den Altersgruppen: Unter den 18- bis 29-Jährigen sähen darin lediglich 14 Prozent eine Lösung für die Zukunft. Bei den 30- bis 44-Jährigen (28 Prozent), den 45- bis 59-Jährigen (27 Prozent) sowie den 60-Jährigen und Älteren (26 Prozent) liege dieser Wert nahezu doppelt so hoch. In den genannten Altersgruppen sei hingegen die Zustimmung zur Solar- und Windenergie sowie Wasserstoff aus erneuerbaren Energien mit zwei Dritteln bis drei Vierteln der Befragten nahezu gleich groß, heißt es in der DBU-Pressemitteilung vom 20.05.2022.
„Enormes Einsparpotenzial für mehr Energieeffizienz“
Welche Herausforderung auf den Energiemarkt allein in Deutschland warte, mache eine andere Erkenntnis der Umfrage deutlich, heißt es weiter: Denn noch heizten ihr Haus oder ihre Wohnung insgesamt 52 Prozent der Befragten mit Gas und 18 Prozent mit Öl. Luft-Wärmepumpe (3 Prozent), Erd-Wärmepumpe (2 Prozent) und Solarenergie (1 Prozent) verharrten dagegen derzeit noch im unteren einstelligen Bereich. Etwas mehr genutzt werde im Moment lediglich Fernwärme; das hätten elf Prozent der Befragten angegeben. Hausbesitzer, deren Haus vor 1978 gebaut worden sei, nutzten weitaus häufiger (31 Prozent) eine Öl-Heizung als solche mit Häusern, die erst nach 1978 stammten (15 Prozent). Das Jahr markiere eine Zäsur in der bundesdeutschen Energiepolitik, denn Ende 1977 sei in Deutschland die erste Wärmeschutzverordnung in Kraft getreten – mit der Folge, dass nicht nur das Dämmen von Dächern, Wänden und Decken an Bedeutung gewonnen habe, sondern auch effizientere Heizungstechniken. Hierzu hätten seinerzeit die noch spürbaren Auswirkungen der Ölkrise Anfang der 1970er-Jahre zu einem Umdenken beigetragen. DBU-Generalsekretär Bonde: „Dieses forsa-Ergebnis ist als Appell für dringendes Handeln zu verstehen. Denn fast zwei Drittel der Gebäude in Deutschland sind vor der ersten Wärmeschutzverordnung gebaut worden. Das birgt enormes Einsparpotenzial für mehr Energieeffizienz.“