Ziel: Nachhaltige und effiziente Chemikalien-Produktion im post-fossilen Zeitalter
Fast alle unserer Alltagsgegenstände sind während ihrer Herstellung mit mindestens einem Katalysator in Kontakt gekommen, damit die Produktion kostengünstiger, umweltfreundlicher oder überhaupt erst möglich wird. Katalyse ist somit eine Schlüsseltechnologie der Chemie. Ihr Design auf der atomaren Ebene ist Ziel der Sonderforschungsbereiche/Transregios SFB/TRR 247 „Heterogene Oxidationskatalyse in der Flüssigphase“, beheimatet in der Universitätsallianz Ruhr, und „Molekulare heterogene Katalyse in definierten dirigierenden Geometrien“ (SFB 1333) an der Universität Stuttgart wurden nach einer erfolgreichen ersten Förderphase von der Deutschen Forschungsgemeinschaft ab 01.07.2022 für weitere vier Jahre verlängert.
Gezieltes Design möglich machen
Bislang wurden neue Katalysatoren oft durch Versuch und Irrtum entdeckt. Im SFB/TRR 247 soll stattdessen ein rationales Design von kostengünstigen sowie hochaktiven und -selektiven Katalysatoren auf der Basis von Metallmischoxiden für selektive Oxidationsprozesse in der Flüssigphase entwickelt werden. „Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch, seltene Edelmetalle durch leicht verfügbare und weniger teure Materialien zu ersetzen“, erklärt Sprecherin Kristina Tschulik. Dafür müssen die hochkomplexen chemischen Prozesse, die – im Fall der heterogenen Katalyse, bei der der Katalysator ein Feststoff ist – an der Katalysatoroberfläche ablaufen, besser verstanden werden.
Es stehen Oxidationsreaktionen im Vordergrund, in denen beispielsweise Sauerstoff aus der Luft durch den Einsatz katalytisch aktiver Mischmetalloxidpartikel aktiviert werden kann. Dabei widmet sich der SFB der heterogenen Katalyse in Flüssigkeiten – ein Prozess mit großem technischem Potenzial, dessen grundlegende Untersuchung aber eine große Herausforderung darstellt. „Hierbei werden ausgewählte Katalysatoren in zwei generellen Katalysebereichen untersucht, der thermischen Katalyse und der Elektrokatalyse, bei denen die zum Auslösen der Reaktion erforderliche Energie wahlweise durch Wärme oder durch elektrischen Strom bereitgestellt wird“, erläutert Stephan Schulz.
Die wissenschaftliche Vision des Konsortiums ist es, das grundlegende Verständnis katalysierter Oxidationsreaktionen an der Fest-Flüssig-Grenzfläche von Mischoxiden auf ein neues Niveau zu heben. Im Vergleich zur Gasphasenkatalyse an Metallen wird ein solches Verständnis durch eine höhere Komplexität in Struktur und Zusammensetzung auf beiden Seiten der Grenzfläche erschwert. Daher wurde eine dreistufige Forschungsstrategie entwickelt, die der Rolle der Realstruktur der Oxidoberfläche Rechnung trägt. Während der zweiten Förderphase liegt nun der Schwerpunkt auf der Identifikation der aktiven Zentren, dem Verständnis der darauf ablaufenden Reaktionsmechanismen und der Konvergenz von Experiment und Theorie. Die Struktur des SFB/TRR 247 vereint die für dieses Forschungsprogramm erforderlichen experimentellen und theoretischen Techniken aus Chemie, Physik und Ingenieurwissenschaften in drei Forschungsbereichen: Katalyse, Analyse und Synthese.
Kooperationspartner: In dem Verbund haben sich 20 Arbeitsgruppen der Ruhr-Universität Bochum, der Universität Duisburg-Essen, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, des Max-Planck-Instituts für chemische Energiekonversion, des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung, beide Mülheim/Ruhr, und des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin, zusammengeschlossen.
Die Universitätsallianz Ruhr: Seit 2007 arbeiten die Ruhr-Universität Bochum, die Technische Universität Dortmund und die Universität Duisburg-Essen unter dem Dach der Universitätsallianz Ruhr, kurz UA Ruhr, strategisch eng zusammen. Durch Bündelung der Kräfte werden die Leistungen der Partneruniversitäten systematisch ausgebaut. Unter dem Motto „gemeinsam besser“ gibt es inzwischen über 100 Kooperationen in Forschung, Lehre und Verwaltung. Mit mehr als 120.000 Studierenden und nahezu 1.300 Professorinnen und Professoren gehört die UA Ruhr zu den größten und leistungsstärksten Wissenschaftsstandorten Deutschlands.
Stuttgart: 12 Mio. Euro
Der Sonderforschungsbereich „Molekulare heterogene Katalyse in definierten dirigierenden Geometrien“ (SFB 1333) an der Universität Stuttgart erhält eine zweite Förderperiode und damit Fördermittel in Höhe von knapp 12 Millionen Euro. Dies entschied der Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in seiner Sitzung am 24. und 25. Mai 2022. Der SFB vernetzt 19 Forschungsgruppen der Universität Stuttgart mit Partner*innen am Max Planck Institut für Festkörperforschung in Stuttgart sowie an den Universitäten Paderborn, Marburg und Bochum. Sprecher des SFBs ist Prof. Michael Buchmeiser vom Institut für Polymerchemie der Universität Stuttgart.
Katalytische Reaktionen machen rund 80 Prozent aller Synthesen in der chemischen und pharmazeutischen Industrie aus. Da sie relativ ressourcen- und energieschonend ablaufen, sind sie nachhaltig und erlauben schon heute eine jährliche Kostenreduktion in Milliardenhöhe. Gleichwohl zeigen viele chemisch-katalytische Prozesse im Vergleich zu biologischen Systemen (Enzymen) immer noch eine deutlich geringere Spezifität für bestimmte Startmoleküle und eine geringere Selektivität für das gewünschte Produkt. Vor diesem Hintergrund möchten die Forschenden des SFB 1333 herausfinden, wie so genannte mesoporöse Materialien, also Materialien mit einem Porendurchmesser zwischen 2 und 50 Nanometern, nach dem Vorbild der Natur durch eine strukturell definierte Porengeometrie bzw. Porenfunktionalität synergetisch eine dirigierende Wirkung auf darin befindliche katalytische Zentren ausüben können. Dazu werden molekulare Organo- bzw. Organometallkatalysatoren selektiv innerhalb der Poren verankert und der Einfluss auf die Reaktionsprozesse untersucht. Das Ziel sind hybride Katalysatorsysteme, die effizientere chemisch-katalytische Produktions-prozesse ermöglichen oder sogar ganz neue Reaktionswege eröffnen.