NRW-Akzeptanzstudie zeigt große Zustimmung zu Windenergieanlagen in Urlaubsgebieten – aber nur knappe Mehrheit will in Sichtweite wohnen
Eine breite Mehrheit unter Touristen, etwa 80 Prozent, akzeptiert Windenergieanlagen in Urlaubsgebieten. Das ist ein Ergebnis einer am 10.06.2022 vorgestellten Akzeptanzstudie, mit der die Industrie- und Handelskammer Arnsberg (IHK Arnsberg) das Centouris-Institut der Universität Passau beauftragt hatte. Befragt wurden 1.000 Menschen nach ihrer Einstellung zur Energiewende, Ausbau der Windenergie und Tourismus.
Die jüngst veröffentlichte Windenergie-Potenzialstudie des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) hat für das Sauerland einen erheblichen Anlagen-Ausbau vorgeschlagen. Aber vertragen sich mehr Windräder in der Region mit den Ansprüchen an ein unberührtes Landschaftsbild und damit an den Tourismus?
„90 Prozent der Befragten gaben jetzt an, dass für sie eine intakte Landschaft der wichtigste Anlass für einen Besuch im Sauerland ist“, erläutert der Centouris-Geschäftsführer Stefan Mang. Dass trotzdem knapp 80 Prozent der Gäste weitere Windkraftanlagen gut oder zumindest akzeptabel finden, sei kein Widerspruch, denn „die Gäste differenzieren dabei schon nach der Eignung des jeweiligen Standortes“. Windkraftanlagen auf Freiflächen oder Höhenzügen erhielten demnach Zustimmungsquoten von 89 Prozent (Einzelstandorte) bis 81 Prozent (Windparks). Auch eine Nutzung von Waldschadensflächen halten 73 Prozent der potenziellen Gäste für richtig oder vertretbar. Windparks in intakten Waldflächen findet hingegen jeder Zweite richtig. 68 Prozent bestätigten die Aussage: „Es würde mein Reiseverhalten im Sauerland nicht beeinflussen, wenn sich Windkraftanlagen an Aussichtspunkten, Rad- und Wanderwegen, oder in der Nähe von Talsperren befinden würden“. 18 Prozent sehen das gänzlich anders.
„Es war für uns schon etwas überraschend, dass das Meinungsbild auch über die soziodemografischen Merkmale und die Besuchsmotive hinweg relativ einheitlich ist“, berichtet die Centouris-Projektleiterin Marina Reischl. In früheren Studien sei mit zunehmendem Alter auch die Ablehnung leicht gestiegen. Ausschlaggebend für eine kritische Bewertung von Windkraftanlagen sei immer weniger das Alter oder die soziale Herkunft, sondern vor allem die grundsätzliche Einstellung gegenüber dieser Form der re-generativen Energieerzeugung. 92 Prozent der Befragten ste-hen der Windkraft in Deutschland positiv oder zumindest neutral gegenüber. Ein vorsichtiger Vergleich mit der Studie aus 2012 lässt erkennen, dass die Befürwortung des Windkraft-Ausbaus in deutschen Mittelgebirgen offenbar gestiegen ist. Gegenüber dem auf alle Mittelgebirgsregionen bezogenen Vergleichswert von 2012 seien das immerhin mehr als 15 Prozent-Punkte. „Die Befragten er-kennen an, dass alle Regionen, und damit auch das Sauerland, einen Beitrag zur Energiewende, zum Klimaschutz und zur Energie-Autarkie leisten müssen“, versichert Stefan Mang. Mit dieser Erkenntnis würden Windkraftanlagen im Sauerland zumindest als notwendig und damit akzeptabel wahrgenommen.
„Die Interessen von Windkraft und Tourismus sind vereinbar, wenn bei der Standortwahl nach dem Prinzip des geringsten Eingriffs in den Landschaftsraum verfahren wird“, erläutert IHK-Geschäftsbereichsleiter Thomas Frye. Intakte Waldflächen, allen voran die Laub- und Mischwälder, sollten windkraftfrei bleiben. Stattdessen gelte es, dem Windkraft-Ausbau auf Freiflächen in der offenen Landschaft, auf unbewaldeten Höhenzügen und eben auf den Wald-Schadensflächen im wahrsten Sinne des Wortes Raum zu geben.
Das Sauerland, vor allem aber viele Betriebe aus Hotellerie, Gastronomie und Einzelhandel könnten es sich trotz allem nicht erlauben, die 12 bis 17 Prozent der windkraftkritischen oder zumindest sensiblen Gäste zu verlieren. Diesen komme es vor allem darauf an, eine intakte Waldlandschaft vorzufinden. Zu prüfen wäre zudem, ob auch die unmittelbare Nachbarschaft von Talsperren oder Stadtsilhouetten Windkraft-frei bleiben sollte. „Dazu ist eine Standortsteuerung erforderlich, der allerdings die jüngere Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte mittlerweile sehr enge Grenzen setzt“, so Frye. Deshalb erscheine es unverzichtbar, Städte und Gemeinden durch Änderungen der bauplanungsrechtlichen Vorgaben in die Lage zu versetzen, effektiv auf die Standortentwicklung von Windkraftanlagen zum Zwecke des Landschaftsschutzes und damit indirekt auch zur Sicherung der touristischen Interessen einzuwirken.
„Unsere Wirtschaft braucht klimaneutrale Energie, sonst ist sie auf Dauer nicht mehr wettbewerbsfähig“, betont IHK-Präsident Andreas Rother. Anders als bisher könne man diese Energie aber nicht mehr aus Kohle- oder Gaskraftwerken der Nachbarschaft beziehen, sondern müsse selbst zur Energieversorgung beitragen. Das gehe in ausreichendem Umfang nur durch den Ausbau von Photovoltaik- und Windenergie.
Für die IHK sei der ausgewogene Windkraftausbau dabei eine wichtige Herausforderung. Sie sei dem Gesamtinteresse der Wirtschaft verpflichtet und müsse um einen Ausgleich zwischen den branchenspezifischen Interessen bemüht sein. „Diese Aufgabe nehmen wir sehr ernst. Und genau deshalb haben wir die Akzeptanzuntersuchung in Auftrag gegeben“, erläutert der IHK-Präsident. Die IHK werde in der nächsten Zeit alle interessierten Unternehmen zu einer vertiefenden Diskussion einzuladen.
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