Wärtsilä-Modellierungen zufolge bis 2035 Netto-Null erreichen
Deutschland kann seine Gasversorgung diversifizieren, wenn Flüssigerdgas (LNG) als Ersatz für russisches Gas in das System eingespeist wird. Das ermögliche eine Reduzierung der Kohleverbrennung um 20 % und einen Netto-Null-Stromverbrauch bis 2035, so eine am 21.06.2022 veröffentlichte neue Modellierung des finnischen Energietechnologieunternehmens Wärtsilä Energy.
Die Modellierung skizziert zwei Wege, die Deutschland einschlagen kann, um die russischen Gasimporte in diesem Jahr zu beenden und dennoch seine Ziele für erneuerbare Energien bis 2035 zu erreichen. Entscheidend sei, dass Deutschland ohne LNG stärker auf Kohle angewiesen sei, was zu einem zusätzlichen CO2-Ausstoß von 30 Millionen Tonnen bis 2045 führen werde.
Jan Andersson, General Manager, Wärtsilä Energy: „Deutschland befindet sich im Epizentrum eines perfekten Sturms. Die Bundesregierung hat sich kühn dazu verpflichtet, ihre Klimaziele einzuhalten, befindet sich aber nun an einem Scheideweg. Unsere Modellierung unterstreicht, wie wichtig es ist, von der Kohle wegzukommen und LNG als Brücke zu nutzen. Dies wird es Deutschland ermöglichen, die russischen Gasimporte zu beenden und seine Ambitionen im Bereich der erneuerbaren Energien aufrechtzuerhalten. Indem Deutschland auf Kohle setzt, verlängert es nicht nur seinen eigenen Weg zum Netto-Null-Effekt, sondern sendet auch die implizite Botschaft aus, dass andere Länder das Gleiche tun können.“
Festhalten an Kohle problematisch
Beide Wege zeigen, dass das Ziel der deutschen Regierung, bis 2035 100 % Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen, erreicht werden kann. Dazu müssen insgesamt 780 TWh erneuerbare Energien zum Strommix hinzugefügt werden, was eine Steigerung der Wind- und Solarenergie um 10 % im Vergleich zum Vorjahr erfordert. Diese Herausforderung wird jedoch durch das Vorhandensein von Kohle weitaus schwieriger, da diese nicht in der Lage ist, flexible Reservestromversorgung zu bieten, wenn mehr erneuerbare Energiekapazitäten hinzukommen.
In beiden Szenarien werden flexible Gasmotoren benötigt, um Reservekapazitäten für Zeiten bereitzustellen, in denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Im LNG-Szenario wird Deutschland über 10 GW an flexibler Gaskapazität verfügen, im Vergleich zu nur 2 GW, wenn es sich auf Kohle verlässt, was die Bemühungen um einen Ausbau der erneuerbaren Energien in diesem Jahrzehnt ernsthaft beeinträchtigt.
Deutschland läuft außerdem Gefahr, ein Nettoimporteur von Strom aus den umliegenden Ländern zu werden, wenn es weiterhin auf Kohle setzt. Wenn der Kohleausstieg verlangsamt wird, besteht die Gefahr, dass Deutschland bis 2035 150 TWh Energie importiert. Feste flexible LNG-Kapazitäten ermöglichen es Deutschland, bis 2035 457 TWh Strom zu exportieren, und können dazu beitragen, sich gegen hohe Strompreise abzusichern, insbesondere in kalten Wintermonaten, wenn die Stromnachfrage in ganz Europa hoch ist.
Aufgrund der anhaltenden Energiekrise haben in den letzten Monaten die Bedenken zugenommen, dass Deutschland seine Kohlekraftwerke wieder in Betrieb nehmen könnte, was seine Verpflichtung zum Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 beeinträchtigen und andere Länder davon abhalten könnte, ihren eigenen Kohleausstieg zu beschleunigen. Die Modellrechnungen von Wärtsilä zeigen, dass sich diese Befürchtungen möglicherweise nicht bewahrheiten, wenn es Deutschland gelingt, noch in diesem Jahr auf LNG umzustellen.
Risiko weiterer Investitionen in „Stranded Assets“
Das Festhalten an der Kohle birgt das Risiko weiterer Investitionen in „Stranded Assets“, da die alten Kraftwerke das Ende ihrer Lebensdauer erreichen oder gewartet werden müssen. Obwohl ein LNG-Pfad geringfügig (3 %) teurer ist als der Verzicht auf LNG, werden die wertvolle Flexibilität und die erzielten Emissionssenkungen Deutschland dabei helfen, sein 1,5ºC-Ziel zu erreichen und einen reibungsloseren Übergang zum Netto-Nullpunkt zu schaffen. Da Wasserstoff bis 2028 eingeführt werden soll, werden zukunftssichere Gasmotoren einen nahtlosen Übergang zu nachhaltigen Kraftstoffen ermöglichen. Wärtsilä-Motoren können mit Wasserstoff/Erdgas-Gemischen mit bis zu 25 % Wasserstoff betrieben werden, und das Unternehmen arbeitet an einem Motoren- und Kraftwerkskonzept für den reinen Wasserstoffbetrieb bis 2025.
Wenn man länger auf Kohle angewiesen ist, hat das auch Auswirkungen auf die Heizung der Haushalte. Den Modellrechnungen zufolge werden Fernwärmesysteme und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) bis 2026 zu mehr als 50 % auf Kohlestrom angewiesen sein, was den Übergang zur Elektrifizierung mit Hilfe von Wärmepumpen und effizienten Motor-KWK-Anlagen, die auf nachhaltige Brennstoffe wie Wasserstoff umsteigen können, verlangsamt.
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