Erstaunlicher Antrag nach 16 Jahren Regierung
Die Unions-Fraktion kritisiert – so der parlamentseigene Pressedienst heute im bundestag am 22.06.2022 – das sogenannte „Osterpaket“ der Bundesregierung: Zu oft mache es den Ausbau der Erneuerbaren schwerer, es verpasse das Beseitigen bürokratischer Hürden und verhindere den „dringend nötigen Turbo bei den Erneuerbaren“. Die Erreichung der Klimaziele und eine Steigerung sicherer Energieversorgung vor Ort müssten oberste Priorität haben, fordern die Abgeordneten von CDU und CSU in einem Antrag (20/2345) mit dem Titel: „Beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien – Potenziale nutzen, Bürokratie abbauen, Anreize schaffen“. Unfreiwillige Selbstkritik.
Das Anmeldeverfahren von neuen Photovoltaikanlagen sollte deutlich vereinfacht und bundeseinheitliche Standards hierfür geschaffen, vergünstigte KfW-Darlehen für die Anschaffung auf privaten Wohngebäuden angeboten und kürzere Abschreibungszeiträume für Anlagen auf gewerblichen Gebäuden ermöglicht werden. Zudem fordert die Unionsfraktion, Erträge aus Photovoltaikanlagen bis zu 30 kWp Nennleistung von Steuer- und Abgabepflichten zu befreien und bei kleineren Anlagen auf die geplante Unterscheidung zwischen Voll- und Teileinspeisung bei der Einspeisevergütung zu verzichten, um innovative Ideen für Eigenverbrauch und lokale Versorgungskonzepte nicht zu blockieren.
Die Abgeordneten plädieren dafür, gesetzlich klarzustellen, dass auch der Ausbau der Verteilnetze, von Transformatoren, Speichern und Elektrolyseuren ähnlich wie bei den erneuerbaren Energien, im „überragenden öffentlichen Interesse“ liege. Zudem sei es wichtig, alle Potenziale zu heben und keine erneuerbaren Energien auszubremsen. So müssten die Wasserkraft wie andere Erneuerbare, ebenfalls im „überragenden öffentlichen Interesse“ stehen, Biogasanlagen stärker unterstützt und die Potenziale der Geothermie stärker mit den nötigen Anreizen ausgestattet werden, um Planungssicherheit zu schaffen. (hib/MIS)
Beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien – Potenziale nutzen, Bürokratie abbauen, Anreize schaffen Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Klimaschutz und die Diversifizierung unserer Energieversorgung sind herausragende Aufgaben, die Gewährleistung von Versorgungssicherheit zu wettbewerbsfähigen Preisen Grundvoraussetzung für unsere Volkswirtschaft. Hierfür ist besonders der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien von entscheidender Bedeutung. Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion setzen wir mit Sonne und Wind, mit Wasser, Biomasse und Erdwärme auf die Kraft der Natur. Wir setzen mit Freiheit und Anreizen auf die Stärke des Marktes und wir setzen mit sozialer Balance auf Teilhabe für alle. Wir streben Technologieführerschaft bei Sonne, Wind, Wasser, Biogas und Geothermie an – genauso wie etwa beim Wasserstoff. Die Bundesregierung setzt beim Osterpaket hin-gegen bei den Erneuerbaren Energien einseitig auf Sonne und Wind. In der gesamten Breite ist es deshalb wichtig, alle Potenziale zu heben und keine Erneuerbaren Energien auszubremsen.
Neben den derzeitigen Plänen der Bundesregierung, die Nutzung und den Ausbau von Wasserkraft und Biogas zu reduzieren, sind im Osterpaket auch Regelungen enthalten, die den Ausbau von Dachflächen-PV bremsen. Aber gerade Privatgebäude können beim Ausbau der Erneuerbaren in mehrfacher Hinsicht einen wichtigen Beitrag bei der Energiewende leisten, beispielsweise als Standort von Photovoltaikanlagen. Hierfür müssen alle Hindernisse abgebaut und neue Anreize geschaffen werden, um die gesamten Dachflächenpotenziale auf Wohngebäuden voll auszunutzen. Genauso müssen Mieterstrom-, Gewerbegebiets- und Bürgerenergiemodelle ihre Potenziale voll entfalten können. Lokale Bürgerenergiegesellschaften können einen wesentlichen Anteil des für alle Sektoren notwendigen Stroms aus Erneuerbaren Energien dezentral produzieren, speichern und idealerweise Sektoren-gekoppelt verbrauchen. Bisher gibt es hierzu nur bruchstückhafte Sondertatbestände, die sehr uneinheitlich von Gebäuden (Mieterstrom, EE-Wärme in Gebäuden), regionalem Zusammenhang oder räumlicher Nähe (EEG-Umlagebefreiung, Stromsteuerbefreiung) sowie geschlossenen Verteilnetzen (Netzbetreiber-Eigenschaft) ausgehen. Eine einheitliche Strategie ist nicht erkennbar; es wird vielmehr gesetzgeberisch auf einzelne Phänomene reagiert. Notwendig ist es, einen einheitlichen Rahmen für die vielen Varianten regionaler Energiewendesysteme zu schaffen. Hierzu braucht es verstärkt Beratungsangebote und Verfahrenspläne, die über Rechts- und Ordnungsfragen aufklären. An dieser Stelle denkt die Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP weiterhin zu statisch und zentralistisch.
Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass bürokratische Hürden ein wesentliches Hemmnis für die Entscheidung darstellen, beispielsweise eine Photovoltaikanlage auf privaten und gewerblichen Gebäuden zu installieren. Dazu gehören insbesondere die Regelungen des Steuerrechts oder auch des Wohnungseigentumsrechts. Auch wird der Netzanschluss neuer Anlagen durch einen Flickenteppich unterschiedlicher Anforderungen bei der Installation erheblich erschwert. Diese Erschwernisse müssen auch vor dem Hintergrund der von der Bundesregierung geplanten Pflicht zur Installation von PV-Anlagen dringend abgeschafft werden. PV-Anlagen auf dem Dach oder Wärmepumpen im Keller in Betrieb zu nehmen, muss genauso einfach werden wie einen E-Herd anzuschließen.
Eine Installationspflicht bei bestehenden bürokratischen Hemmnissen und gleichzeitigem Nicht-Ausreizen möglicher Potenziale: das passt noch nicht zusammen. Zudem muss darauf geachtet werden, dass der Ausbau der Netzinfrastruktur, insbesondere der Verteilnetze, mit dem Erneuerbaren-Ausbau Schritt halten kann.
Die Erreichung der Klimaziele und eine Steigerung sicherer Energieversorgung vor Ort müssen oberste Priorität haben. Zu oft macht das Osterpaket der Bundesregierung den Ausbau der Erneuerbaren schwerer, verpasst das Beseitigen bürokratischer Hürden und verhindert den dringend nötigen Turbo bei den Erneuerbaren. Jetzt muss alles für den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien getan werden. Dies kann nur in einem gemeinsamen Kraftakt von Bund und Ländern geschehen.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel auf,
- Erträge aus Photovoltaikanlagen bis zu 30 kWp Nennleistung von Steuer- und Abgabepflichten zu befreien;
- bei kleineren Anlagen auf die geplante Unterscheidung zwischen Voll- und Teileinspeisung bei der Einspeisevergütungen zu verzichten, um innovative Ideen für Eigenverbrauch und lokale Versorgungskonzepte nicht zu blockieren und deshalb auch für diese Fälle höhere Vergütung für den eingespeisten Strom zu gewähren;
- Innovationsausschreibungen deutlich zu erhöhen und die Vergütungssätze anzupassen, Ausschreibungssegmente zur Förderung von innovativen Erzeugungstechnologien und -anlagen einzuführen;
- Batteriespeichern eine bivalente Nutzung zu ermöglichen, um markt-, netz- und systemdienliche Anwendungen zu fördern;
- die Voraussetzungen für bidirektionale Be- und Entladung zu schaffen, damit E-Fahrzeuge als Speicher und Privathäuser als Erzeuger und Verbraucher sich gegenseitig als Erzeuger und Speicher semiautark machen sowie das Aufladen von E-Fahrzeugen von Beschäftigten während der Arbeitszeit an Ladepunkten des Arbeitgebers von bürokratischen Hürden zu befreien;
- bei der anstehenden Überarbeitung der NELEV, für einen wesentlichen Ent-fall der Zertifizierungen zu sorgen sowie die Pflichten der VNBs zeitlich klar zu fassen sowie deren Verstöße gegen § 8ff EEG zu sanktionieren;
- die Hürden für Mieterstrommodelle abzubauen, indem u. a. der Mieterstromzuschlag erhöht, die Überschuss-Einspeiselösungen vereinfacht und die Mieterstromförderung auch auf Nicht-Wohngebäuden erweitert wird;
- vereinfachte Voraussetzungen für die Anschaffung von Photovoltaikanlagen für Wohnungseigentümergemeinschaften zu schaffen, Sonderregelungen für Mieterstromverträge abzuschaffen und bürokratische Hürden für Balkon-Solaranlagen abzubauen;
- das Anmeldeverfahren von neuen Photovoltaikanlagen deutlich zu vereinfachen und bundeseinheitliche Standards hierfür zu schaffen;
- vergünstigte KfW-Darlehen für die Anschaffung von Photovoltaikanlangen auf privaten Wohngebäuden anzubieten, und kürzere Abschreibungszeit-räume für Photovoltaikanlagen auf gewerblichen Gebäuden zu ermöglichen;
- den Degressionsmechanismus bei den Vergütungssätzen so auszugestalten, dass flexibel und marktbasiert auf aktuelle Marktgeschehnisse und Phasen der Über- oder Unterforderung schnell reagiert und damit die ambitionierten PV-Ausbauziele erreicht werden können;
- bei Erneuerbaren wie Photovoltaik-Freiflächenanlagen und Infrastrukturprojekten der Energiewende auf Ausgleichsflächen zu verzichten;
- die gesetzlichen Grundlagen für Bürgerenergiegesellschaften zu verbessern;
- Minderheits-Beteiligungen kommunaler Unternehmen an Bürgerenergie-Gesellschaften zu ermöglichen und diesen Gesellschaften Projekte der Wind- und Solarenergiegewinnung auch im Außenbereich zu ermöglichen;
- die Nutzung von Seitenstreifen für PV-Anlagen entlang von Verkehrswegen deutlich auszuweiten die verpflichtende Aufnahme der Nutzbarkeit dieser Flächen in die FNP zu gewährleisten sowie die baurechtlichen und energierechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, um über Radwegen, öffentlichen und privaten Parkplätzen für aufgeständerte Photovoltaikanlagen unbürokratisch und schnell errichten und nutzen zu können;
- gesetzlich klarzustellen, dass auch der Ausbau der Verteilnetze, von Transfor-matoren, Speichern und Elektrolyseuren ähnlich wie bei den erneuerbaren Energien, im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegt;
- die finanzielle Beteiligung der Standortkommunen von Erneuerbare-Energien-Anlagen über das EEG deutlich zu stärken, sie jederzeit zuzulassen und die Vereinbarungen mit den Standortkommunen unabdingbar auch bei einem Betreiberwechsel gelten zu lassen;
- die Kapazitäten der Wasserkraft mit ihren Vergütungen zu erhalten und Modernisierungen weiterhin zu ermöglichen, anstatt diese abzuschaffen. Auch die Wasserkraft muss, wie die anderen Erneuerbaren, im „überragenden öffentlichen Interesse“ stehen;
- Biogasanlagen für Strom, Wärme und Biomethan stärker zu unterstützen und dabei auch den Einsatz sonst nicht verwertbarer Stoffe im Sinne des Kreislauf-Gedankens voranzubringen. Biogas und Biomethan sollten weiterhin in flexibilisierten KWK-Anlagen eingesetzt werden dürfen und die Höchstbemessungsleistung sollte temporär ausgesetzt werden;
- die Potenziale der Geothermie, insbesondere für den Bereich der Wärme, stärker zu nutzen, mit den nötigen Anreizen auszustatten und Planungssicherheit zu schaffen;
- die Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW) schnellstmöglich in Kraft zu setzen;
- die Potenziale zur Nutzung von unvermeidbarer Abwärme generell, aber ins-besondere auch zur Stromerzeugung stärker zu nutzen;
23. die Ausschreibungen von Offshore-Windenergie-Projekten stärker funktional auszugestalten; - den Ausbau der Erneuerbaren Energien zur Stärkung der nationalen Energiesouveränität durch akzeptanz- und ausbaufördernde Maßnahmen zu beschleunigen, etwa regionale Netzentgelte anreizkompatibel und einheitlich auszugestalten;
- durch geeignete Regelungen dafür Sorge zu tragen, dass bei stark steigenden Erneuerbaren Energieausschreibungsmengen die Wirtschaftlichkeit der Gebote erhalten bleibt;
- Möglichkeiten, der Vermarktung Erneuerbarer Energien zu stärken;
- die Fristen zur Realisierung von Erneuerbaren-Energie-Projekten aufgrund der aktuell gestörten Lieferketten auch für vergangene Ausschreibungen rückwirkend zu verlängern und die Bundesnetzagentur zu ermächtigen, Fristen je nach Lage ohne Gesetzesänderungen anpassen zu können.
Berlin, den 21. Juni 2022
Friedrich Merz, Alexander Dobrindt und Fraktion
Solarify meint: Es liegt auf der Hand, dass Parteien, die nach 16 Jahren in die Opposition gehen, mit manchem Politikfeld ein Versäumnisproblem haben – aber im Fall der Erneuerbaren liegt der Fall besonders klar: 16 Jahre lang den EE-Ausbau verschlafen oder behindern, jetzt aber nach dem Turbo rufen – das hat etwas von „Haltet den Dieb!“. Gustav Heinemann hat einmal gesagt, wer mit dem Zeigefinger auf jemanden zeige, „sollte bedenken, dass in der Hand mit dem ausgestreckten Zeigefinger zugleich drei andere Finger auf ihn selbst zurückweisen.“
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