WTO müsste ökonomische Anreize zu klimaschädlichem Verhalten dringend eindämmen
Das klimapolitische Potenzial internationaler Handelsordnungen, die von der Welthandelsorganisation WTO vereinbart werden, ist noch ausbaufähig. Die Politik sollte einige Regeln ändern – und andere stärker nutzen, so das Ergebnis eines jetzt in der führenden wissenschaftlichen Zeitschrift Science veröffentlichten Artikels von Fachleuten aus zwölf Ländern, darunter auch Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).
Die Klimapolitik bewege sich derzeit auf schmalen Grat. Einerseits müssten die Regierungen ehrgeiziger werden, klimaschädliches Wirtschaften verteuern und dies nach außen notfalls durch handelspolitische Maßnahmen absichern. Andererseits müssten sie die in der Welthandelsorganisation WTO vereinbarten Regeln einhalten, in einer Zeit, in der die internationale Ordnung erschüttert werde. In der Fachzeitschrift Science beleuchtet jetzt ein internationales Forschungsteam – darunter Leonie Wenz und Sven Willner vom PIK –, wie in dieser Lage die Handelspolitik dem Klima helfen kann.
„Die Länder müssen den Wunsch, die Handelsregeln einzuhalten, sorgfältig mit der Notwendigkeit einer wirksamen Klimapolitik austarieren“, heißt es in dem Artikel. Kniffelig sei etwa der Vorschlag der EU-Kommission, die in Europa steigende CO2-Bepreisung auch Importeuren aus Übersee aufzuerlegen. „Frühzeitige Diplomatie sowie eine einheitliche und transparente Anwendung könnten die Chancen beträchtlich erhöhen, dass ein CO2-Grenzausgleich vor der WTO Bestand hat.“ Ohne ihn drohe Carbon Leakage, also Verlagerung von Produktion und entsprechend CO2-Emissionen in Regionen mit weniger Klimaschutz – dem Weltklima sei nicht gedient, aber in Europa gebe es weniger Wohlstand.
Umgekehrt könne die Klimapolitik die WTO einspannen, um die in aller Welt noch immer bestehenden Subventionierung fossiler Brennstoffe einzudämmen. Deren Volumen betrage 350 Milliarden Dollar jährlich – ein gewaltiger ökonomischer Anreiz zu klimaschädlichem Verhalten.
Dem Klima helfen könne die Handelspolitik auch durch Zollsenkungen. Diese seien global betrachtet für Endprodukte deutlich höher als für Rohstoffe und Vorprodukte, obwohl die Produktion von Endprodukten viel weniger CO2-intensiv ist. Diese Schieflage bedeute praktisch einen negativen CO2-Preis in Höhe von 90 Dollar je Tonne. „Das ist das Gegenteil von dem, was ein klimafreundliches Handelssystem liefern müsste“, mahnt das Forschungsteam.
Das Forschungsteam bündelt die Expertise von 33 Fachleuten, überwiegend aus der Wirtschafts-, Rechts- und Politikwissenschaft, die zu diesem Thema im März das „Handbook on Trade Policy and Climate Change“ veröffentlicht haben.
Artikel:
Jakob, M., Afionis, S., Åhman, M., Antoci, A., Arens, M., Ascensão, F., van Asselt, H., Baumert, N., Borghesi, S., Brunel, C., Caron, J., Cosbey, A., Droege, S., Evans, A., Iannucci, G., Jiborn, M., Kander, A., Kulionis, V., Levinson, A., de Melo, J., Moerenhout, T., Monti, A., Panezi, M., Quirion, P., Sager, L., Sakai, M., Sesmero, J., Sodini, M., Solleder, J., Verkuijl, C., Vogl, V., Wenz, L., Willner, S. (2022): How trade policy can support the climate agenda, Science
https://www.science.org/doi/10.1126/science.abo4207
Link zum Buch:
Jakob, M., et al. (2022): Handbook on Trade Policy and Climate Change, Edward Elgar Publishing
->Quelle: PIK-Potsdam.de/de/aktuelles/nachrichten/wie-der-welthandel-dem-klima-helfen-kann