Autos mit E-Fuels weniger umweltfreundlich als E-Autos

Neue T&E-Analyse blickt in die Zukunft

Mit synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) betriebene Autos sorgen während ihrer gesamten Lebensdauer im Vergleich zu herkömmlichen Benzin- oder Dieselfahrzeugen nur für minimale Einsparungen an CO2-Emissionen. Gleichzeitig benötigen sie weitaus mehr erneuerbaren Strom als Elektroautos. Das ist jedenfalls das Ergebnis einer Untersuchung, die von „Transport and Environment“ (T&E), einem Zusammenschluss von 53 Umweltverbänden mit Verkehrsschwerpunkt auf europäischer Ebene, darunter der Verkehrsclub Deutschland VCD, der eine sozial- und umweltverträgliche Mobilität aller Verkehrsteilnehmer als Ziel hat, bei einem Fossil-Öl-Zusammenschluss beauftragt und veröffentlicht wurde.

Synthetische Kraftstoffe seien eine weit weniger umweltfreundliche Lösung als batteriebetriebene Elektroautos, so eine neue Lebenszyklusanalyse. T&E hat dafür die gesamten Lebenszyklusemissionen von Autos, die 2030 gekauft werden, analysieren lassen. Ein Auto, das mit einer Mischung aus E-fuels und Benzin betrieben werde, würde seine Emissionen im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen nur um 5 % reduzieren (s.u.). Ein batteriebetriebenes Elektrofahrzeug, das mit dem für 2030 erwarteten durchschnittlichen EU-Strommix hergestellt und aufgeladen werde, würde dagegen über seinen Lebenszyklus 78 % weniger Emissionen verursachen als ein Verbrenner. In den Berechnungen sind auch die Herstellung und der Fahrbetrieb enthalten.

Concawe (1963 von der Ölindustrie  – u.a. Shell, Exxon Mobil, Total – gegründete und finanzierte Einrichtung zur „Erforschung von Umweltfragen, die für die Ölindustrie relevant sind“ – und damit Partei) analysierte ein Szenario für die Verfügbarkeit von E-Kraftstoffen für alle Verkehrsträger auf der Grundlage des erwarteten Kraftstoffbedarfs und der Pläne der Industrie zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe. Es erwartet, dass 2030 nur 0,4 % des Kraftstoffbedarfs im Straßenverkehr mit E-fuels gedeckt werden können, 2035 3 %, 2040 16 % und im Jahr 2050 50 %.

(CONCAWE hat am 25.05.2022 einen Artikel mit dem Titel „Vergleich von PAC und MOAH zum Verständnis des karzinogenen und Entwicklungstoxizitätspotenzials von Mineralölen“ in Regulatory Toxicology and Pharmacology veröffentlicht (open access): „…sprechen wir uns dafür aus, dass der Begriff ‚MOAH‘ (mineral oil aromatic hydrocarbons) mit Vorsicht verwendet und sorgfältig interpretiert werden sollte, da zwei Arten von Aromaten (gefährliche 3-7-Ring-PAC und nicht gefährliche PAC = polycyclic aromatic compounds) gemessen werden, wenn eine Chromatographie-Analyse verwendet wird. Ausreichend raffinierte Mineralöle (IP346 < 3%), die aufgrund ihres Erdölursprungs MOAH-Fraktionen enthalten können, sind toxikologisch unbedenklich, da sie keine gefährlichen 3-7-Ring-PAC enthalten. Der MOAH-Gehalt ist nicht ausschlaggebend für die Toxizität von Mineralölen, er hängt vom Molekulargewicht ab und ist daher ein schlechter Prädiktor für die Toxizität. Daher sollte sich die Regulierung weder auf den ‚hohen Gehalt an Aromaten Gehalt‘ noch auf den ‚MOAH-Gehalt‘ konzentrieren, sondern auf das, was toxikologisch relevant ist, nämlich die Kontrolle des Gehalts an 3-7-Ring-PAC, welche die Sicherheit von Mineralöl und Erdölverbindungen gewährleisten, die absichtlich in Verbraucherprodukten verwendet werden.“)

Laut T&E widersprechen die Ergebnisse den Forderungen der Industrie, dass E-Kraftstoff-Fahrzeuge vom Verkaufsstopp für Verbrennungsmotoren im Jahr 2035 ausgenommen werden sollten. Das Europäische Parlament hat sich Anfang des Monats für einen Ausstieg aus der Verbrennung – ohne Ausnahmen – ausgesprochen. Stef Cornelis, Direktor von T&E Deutschland, dazu: “Synthetische Kraftstoffe sind keine Lösung für die Dekarbonisierung von Autos. Batterieelektrische Fahrzeuge sind schon jetzt bereit, weniger teuer, effizienter und bieten deutlich größere CO2-Einsparungen, auch wenn man den gesamten Lebenszyklus der Produktion betrachtet.”

Selbst ein Auto, das mit reinem, mit erneuerbarem Strom hergestelltem E-Fuel betrieben würde, würde über seinen Lebenszyklus mehr emittieren als das Elektroauto, so die Analyse. Ein Elektrofahrzeug wäre 53% sauberer als ein Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen, was vor allem auf Verluste in der E-Fuel Herstellung und den ineffizienten Verbrennungsmotor zurückzuführen sei. Eigenen Untersuchungen der Kraftstoffindustrie zufolge würde die Menge an E-Kraftstoff ausreichen, um 2035 nur 3 % des Kraftstoffbedarfs in Europa zu decken.

Die Lebenszyklusanalyse berücksichtige die Emissionen aus der Materialgewinnung, der Herstellung von Komponenten (einschließlich Batterien), der Fahrzeugmontage und der Entsorgung. In der Nutzungsphase würden bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor die direkten Emissionen am Auspuff und die “vorgelagerten” Emissionen des Kraftstoffs berücksichtigt. Bei Elektroautos wurden die direkten Emissionen aus der Stromerzeugung und der Herstellung der Strominfrastruktur (z. B. aus der Herstellung von Solarzellen und Windturbinen) berücksichtigt.

Cornelis: “In einer Zeit, in der Europa seine erneuerbaren Kapazitäten schnell erhöhen muss, um die Gas- und Ölimporte zu verringern und sich in Richtung Energieunabhängigkeit zu bewegen, können wir es uns nicht leisten, große Mengen zusätzlicher erneuerbarer Energie für diese ineffiziente und teure Lösung zu verschwenden. Synthetische Kraftstoffe müssen zur Dekarbonisierung derjenigen Sektoren eingesetzt werden, in denen eine direkte Elektrifizierung nicht rentabel ist, wie z. B. im Luftverkehr oder der Schifffahrt”.

Anfang des Jahres hätten T&E-Labortests gezeigt, dass ein Auto, das synthetische Kraftstoffe verbrenne, genauso viele giftige NOx-Emissionen in die Luft pumpe wie fossiles Benzin. Außerdem sei der Betrieb eines Autos mit E-Kraftstoff für die Fahrer viel teurer als der eines Elektrofahrzeugs.

E-Kraftstoffe seie chemisch ähnlich wie Benzin und Diesel, aber ihre Herstellung und Nutzung sei weitaus energieintensiver als der Antrieb von Elektrofahrzeugen. [Allerdings wird bei der Verbrennung etwa gleich viel CO2 emittiert, wie für die Produktion gebraucht wird – sie sind also nahezu CO2-nutral.] Ein batterieelektrischer Volkswagen ID.3 kommt mit der selben Menge erneuerbarer Energie (noch) fünf mal weiter als ein mit E-Fuel betriebener VW Golf, wie die T&E-Analyse zeigt. Ein BMW i4 könnte sechsmal weiter fahren als ein BMW 4er mit Verbrennungsmotor. [Doch es werden Skalierungseffekte erwartet: Wenn E-Fuels mit fossilen Treibstoffen konkurrenzfähig sind, kann an einen flächendeckenden Einsatz gedacht werden. Und: Die Produktion von Verbrennermotoren erhält Arbeitsplätze.]

Solarify meint: Heute auf einer für 2030 angenommenen (und schon deshalb unsicheren) Basis eine technisch-wissenschaftliche Entwicklung zu verdammen, hieße die Möglichkeiten und Aussichten von Wissenschaft und Technik grob unterschätzen. Zudem ist bei solchen Schlüssen die Quelle der Publikation zu berücksichtigen.

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