Europas Bank besinnt sich auf Ökologie
Die Bewältigung des Klimawandels ist eine globale Herausforderung und eine politische Priorität für die Europäische Union. Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat sich auf einen umfassenden Maßnahmenplan verständigt, mit dem Klimaschutzaspekte stärker in den geldpolitischen Handlungsrahmen des EZB-Rats einbezogen werden sollen. Dadurch unterstreicht der EZB-Rat nach eigenem Bekunden vom 08.07.2022 sein Bestreben, „Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit systematischer in seine Geldpolitik einfließen zu lassen“, als das bisher der Fall war. Der Entscheidung sei der Abschluss der Strategieüberprüfung im Zeitraum 2020-21 vorausgegangen, bei der die Überlegungen zum Klimawandel und zur ökologischen Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle gespielt hätten.
- Der EZB-Rat setzt sich nachdrücklich dafür ein:
- Klimaschutzaspekte stärker in seinen geldpolitischen Handlungsrahmen einfließen zu lassen;
- seine Analysekapazitäten in den Bereichen makroökonomische Modelle, Statistik und Geldpolitik im Hinblick auf den Klimawandel auszubauen;
- bei geldpolitischen Geschäften Klimaschutzaspekte in den Bereichen Offenlegung, Risikobewertung, Sicherheitenrahmen und Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors zu berücksichtigen;
- den Maßnahmenplan im Einklang mit den EU-Maßnahmen und -Initiativen im Bereich Offenlegung und Berichterstattung zur ökologischen Nachhaltigkeit umzusetzen.
Zwar liege es in erster Linie in der Verantwortung der Regierungen und Parlamente, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen, die EZB erkenne aber die Notwendigkeit an, innerhalb ihres Mandats Klimaschutzaspekte in ihren geldpolitischen Handlungsrahmen einzubeziehen. Der Klimawandel und der Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beeinflussten die Aussichten für die Preisstabilität, da sie sich auf makroökonomische Indikatoren wie Inflation, Produktion, Beschäftigung, Zinssätze, Investitionen und Produktivität, Finanzstabilität sowie die geldpolitische Transmission auswirkten. Darüber hinaus hätten der Klimawandel und der Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft Auswirkungen auf den Wert und das Risikoprofil der Vermögenswerte in der Bilanz des Eurosystems. Dies führe unter Umständen zu einer „unerwünschten Konzentration von klimabezogenen Finanzrisiken“.
Mit ihrem Maßnahmenplan erhöht die EZB ihren Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels, im Einklang mit ihren Verpflichtungen gemäß den EU-Verträgen. Der Plan umfasst Maßnahmen, durch welche die laufenden Initiativen des Eurosystems zur stärkeren Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten gefördert und ausgeweitet werden. Dadurch sollen die Voraussetzungen für Veränderungen am geldpolitischen Handlungsrahmen geschaffen werden. Die Gestaltung dieser Maßnahmen werde mit dem Preisstabilitätsziel in Einklang stehen und sollte den Implikationen des Klimawandels für einen effizienten Einsatz der Ressourcen Rechnung tragen. Das kürzlich ins Leben gerufene Kompetenzzentrum Klimawandel der EZB werde die betreffenden Aktivitäten innerhalb der EZB in enger Zusammenarbeit mit dem Eurosystem koordinieren. Der Schwerpunkt dieser Aktivitäten werde auf folgenden Bereichen liegen:
- Makroökonomische Modelle und Beurteilung der Implikationen für die geldpolitische Transmission
Die EZB wird die Entwicklung neuer Modelle beschleunigen und theoretische und empirische Analysen durchführen, um die Folgen des Klimawandels und der damit verbundenen Maßnahmen für die Wirtschaft, das Finanzsystem und die geldpolitische Transmission durch die Finanzmärkte und das Bankensystem auf Unternehmen und private Haushalte zu überwachen. - Statistische Daten für Risikoanalysen zum Klimawandel
Die EZB wird neue experimentelle Indikatoren entwickeln, die relevante grüne Finanzinstrumente und den CO2-Fußabdruck von Finanzinstituten sowie die klimabezogenen physischen Risiken abdecken, denen diese Institute ausgesetzt sind. Danach (ab dem Jahr 2022) werden diese Indikatoren schrittweise weiterentwickelt, auch im Einklang mit den EU-Maßnahmen und -Initiativen im Bereich Offenlegung und Berichterstattung zur ökologischen Nachhaltigkeit. - Offenlegungen als Anforderung für die Zulassung als Sicherheit und für Ankäufe von Vermögenswerten
Für Vermögenswerte des privaten Sektors wird die EZB Offenlegungsanforderungen als ein neues Zulassungskriterium oder als Grundlage für eine differenzierte Behandlung als Sicherheit oder im Rahmen der Ankäufe von Vermögenswerten festlegen. Diese Anforderungen werden EU-Maßnahmen und -Initiativen im Bereich Offenlegung und Berichterstattung zur ökologischen Nachhaltigkeit berücksichtigen. Sie werden eine einheitlichere Offenlegungspraxis am Markt fördern und gleichzeitig, durch angepasste Anforderungen für kleine und mittlere Unternehmen, die Verhältnismäßigkeit wahren. Einen detaillierten Plan wird die EZB im Jahr 2022 bekannt geben. - Ausbau der Risikobewertungskapazitäten
Die EZB wird 2022 mit der Durchführung von Klimastresstests beginnen, um die Risikoexposition des Eurosystems in Bezug auf den Klimawandel zu beurteilen. Dabei nutzt sie die Methodologie ihres gesamtwirtschaftlichen Klimastresstests. Darüber hinaus wird die EZB prüfen, ob die vom Rahmenwerk für Bonitätsbeurteilungen im Eurosystems zugelassenen Ratingagenturen die Informationen offengelegt haben, die erforderlich sind, um zu verstehen, wie sie Klimarisiken in ihre Bonitätsbeurteilungen einfließen lassen. Des Weiteren wird die EZB die Entwicklung von Mindeststandards für die Berücksichtigung von Klimarisiken in ihren internen Ratings in Erwägung ziehen. - Sicherheitenrahmen
Die EZB wird relevante Klimarisiken bei der Prüfung der Bewertung und der Risikokontrollmaßnahmen für Vermögenswerte berücksichtigen, die von Geschäftspartnern als Sicherheiten für Kreditgeschäfte des Eurosystems gestellt werden. So soll sichergestellt werden, dass allen relevanten Risiken Rechnung getragen wird, auch denen, die sich aus dem Klimawandel ergeben. Darüber hinaus wird die EZB weiterhin strukturelle Marktentwicklungen bei Nachhaltigkeitsprodukten überwachen. Sie ist bereit, Innovationen im Bereich nachhaltiges Finanzwesen innerhalb ihres Mandats zu fördern. Dies zeigt ihre Entscheidung, an Nachhaltigkeitsziele gebundene Anleihen als Sicherheiten zuzulassen (siehe Pressemitteilung vom 22. September 2020). - Ankäufe von Wertpapieren des Unternehmenssektors
Die EZB hat bereits begonnen, relevante Klimarisiken bei ihren Due-Diligence-Prüfungen für ihre Ankäufe von Wertpapieren des Unternehmenssektors in ihren geldpolitischen Portfolios zu berücksichtigen. Künftig wird die EZB die Regelungen, an denen sich die Allokation der Ankäufe von Unternehmensanleihen orientiert, im Einklang mit ihrem Mandat um Klimakriterien ergänzen. Zu diesen Kriterien wird gehören, dass Emittenten mindestens mit den Rechtsvorschriften der EU zur Umsetzung der Ziele des Pariser Abkommens in Einklang stehen oder sich zu diesen Zielen bekennen. Darüber hinaus wird die EZB bis zum ersten Quartal 2023 damit beginnen, klimabezogene Informationen zum Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (Corporate Sector Purchase Programme – CSPP) zu veröffentlichen (diese ergänzen die Informationen zu den nicht zu geldpolitischen Zwecken gehaltenen Portfolios; siehe Medienmitteilung vom 04.02.2021).
Die Umsetzung des Maßnahmenplans wird im Einklang mit den EU-Maßnahmen und -Initiativen im Bereich Offenlegung und Berichterstattung zur ökologischen Nachhaltigkeit erfolgen. Dazu zählen die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, die Taxonomie-Verordnung und die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor.