Hertie-School-Studie zu Energiekrise in Deutschland
Deutschland erlebt die wahrscheinlich schwerste Energiekrise seit dem Ölpreisschock von 1973. Angesichts ausgeschöpfter Möglichkeiten das Gasangebot kurzfristig zu erhöhen, muss Deutschland massiv Energie einsparen. Forscher des Centres for Sustainability der Hertie School haben in einem am 05.07.2022 publizierten Arbeitspapier („Gas demand in times of crisis“) untersucht, wie die bisherigen Sparmaßnahmen von Industrie und Privathaushalten ausgefallen sind.
Angesichts steigender Preise haben Industrie und Privathaushalte ihren Gasverbrauch in den vergangenen Monaten eingeschränkt. Während der Industrieverbrauch infolge steigender Preise bereits seit letztem Sommer leicht zurückgefahren wurde, haben Privathaushalte erst mit Beginn des Krieges in der Ukraine sichtbar reagiert. Der industrielle Gasverbrauch ist im März und April 2022 um rund elf Prozent, in Privathaushalten um sechs Prozent zurückgegangen. Das sind die Ergebnisse einer neuen Untersuchung von Forschern an der Hertie School. In der Studie untersuchen Oliver Ruhnau, Clemens Stiewe, Jarusch Müßel und Lion Hirth, welchen Erfolg die Sparmaßnahmen bisher hatten und inwiefern sie die rasante Preisentwicklung auffangen können.
Bisherige Sparmaßnahmen können drohende Versorgungslücken nicht schließen
Lion Hirth, Assistenz-Professor für Governance, Digitalisierung und Energiepolitik und einer der Ko-Autoren der Studie, bewertet die bisherigen Sparmaßnahmen von Industrie und Verbrauchern als nicht ausreichend: „Der bisherige Rückgang der Nachfrage reicht leider bei weitem nicht aus, um die Versorgungslücke komplett zu schließen, die im kommenden Winter droht“.
Anhand der Studienergebnisse können die Autoren auch grundsätzlich die Wirkungen von Subventionen im Energiesektor beobachten. Die Ergebnisse zeigen, dass höhere Preise insbesondere bei der Industrie zu sinkender Nachfrage führen: „Der Zusammenhang von Preisen und Nachfrage im Energiesektor bedeutet im Umkehrschluss auch, dass Energiesubventionen den Verbrauch anheizen“, so Hirth. Zwar müssten die Auswirkungen steigender Preise für finanzschwache Haushalte abgefedert werden, dafür seien Direktzahlungen jedoch besser geeignet als eine Subventionierung der Energiepreisen.
Eine besondere methodische Herausforderung bei der Berechnung des Gasverbrauchs war für die Autoren, externe Effekte zu kontrollieren, um die Auswirkungen der Energiekrise einzuschätzen. Dies erfordert sorgfältiges methodisches Vorgehen, wie Ko-Autor Oliver Ruhnau erklärt: „Um die Krisen-Reaktion zu identifizieren, kann man nicht einfach aktuelle Verbrauchswerte mit denen des Vorjahrs vergleichen, weil das Wetter und die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung ebenfalls große Effekte haben können.“ Daher nutzen die Autoren für ihre Analyse ein Regressionsmodell, um solche Effekte herauszurechnen.
Hintergrundinformationen
In der Studie „Gas demand in times of crisis“ untersuchen die Wissenschaftler Oliver Ruhnau, Clemens Stiewe, Jarusch Müßel und Lion Hirth von der Hertie School auf Basis eines Regressionsmodels, wie sich der aktuelle Gasverbrauch im Vergleich zum Vorjahr entwickelt hat. Durch das Regressionsmodell können Effekte, die einen wesentlichen Einfluss auf den Gasverbrauch haben, z. B. die Außentemperaturen, die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung oder der Einsatz neuer energiesparender Technik, herausgerechnet werden, um so eine möglichst genaue Messung der Gasnachfrage zu ermöglichen.
Die Autoren stellen die Studie als Working Paper (Pre-Print) zur Verfügung. Sie ist noch nicht wissenschaftlich begutachtet.
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