Schweiz: Bitcoinverbot gefordert – Branche wehrt sich heftig

Studie: Digitales Geld nachhaltiger machen – Energiefresser Kryptowährungen

Die Kryptowährung Bitcoin verbraucht viel Energie – ungeachtet dessen, dass sie im Juni 2022 auf ein Tief von $ 17.700 (Allzeithoch am 10.11. 2021: $ 68.744,03) gesunken ist. Verantwortlich dafür ist das sogenannte Proof-of-Work-Verfahren, mit dem Transaktionen des digitalen Geldes legitimiert werden. Vlad Coroam? (Roegen Centre for Sustainability), früher an der ETH Zürich, hat im Auftrag des schweizerischen Bundesamts für Energie den Energieaufwand berechnet und schlug schon am 27.09.2021 vor, wie der Stromverbrauch durch Ausweichen auf weniger energieintensive Kryptowährungen gedrosselt werden könnte.

Bitcoin – Bild © VIN JD auf Pixabay

Im Schweizer Kanton Zug können Steuerpflichtige schon seit Februar 2021 ihre Bescheide mit den Kryptowährungen Bitcoin und Ether bezahlen. Im ersten Jahr haben immerhin 41 Privatpersonen und 21 Unternehmen davon Gebrauch gemacht. Dabei trägt der Kanton kein Wechselkurs-Risiko. Wer allerdings an der Herstellung des digitalen Geldes (Schürfen) verdiene, müsse diese Einnahmen versteuern. „Das Schürfen (Mining) von Kryptowährungen durch Zurverfügungstellen von Rechnerleistung gegen Entschädigung führt zu steuerbarem Einkommen“, so die Zuger Finanzdirektion.

Geld fälschungssicher zu machen, ist sehr aufwändig – auch Digitalwährungen wie Bitcoin. Letztere arbeiten auf der Grundlage der Blockchain-Technologie. Blockchains sind ein Instrument, um Informationen auf dezentral verteilten Computern ohne zentrale Kontrollinstanz (Behörden, Zentralbank) zu speichern. Dass die in der Blockchain gespeicherten Informationen nicht manipuliert werden können, wird durch einen sogenannten Konsensmechanismus sichergestellt. Dieser besteht im Fall von Bitcoin aus dem Proof-of-Work-Verfahren. Das verbraucht – so die ETH-Studie – sehr viel Energie.

Da Bitcoins gehandelt werden und dabei das Konto wechseln, muss das Register laufend aktualisiert werden. Das geschieht ungefähr alle zehn Minuten. Bei jeder Aktualisierung werden die jüngsten Transaktionen in einer Datei („Block“) zusammengefasst und diese dann an den zuletzt erstellten Block angehängt. So entstand über die Jahre eine Aneinanderreihung von Blöcken („blockchain“), die in der Summe alle bisher mit Bitcoin durchgeführten Kontobewegungen enthält. Die Chain der Bitcoin-Währung besteht aktuell aus gut 700’000 Blöcken mit einer Dateigröße von insgesamt 455 Gigabyte. Die Kopien der Blockchain auf den 15.000 beteiligten Rechnern werden fortlaufend in der aktuellsten Version gespeichert. Zur Sicherheit können nur Personen einen neuen Block anfügen, die zuvor in aufwändiger Arbeit (daher der Name ‹Proof-of-Work›) ein sehr anspruchsvolles kryptografisches Rätsel gelöst haben. Genau diese Aufgabenstellung ist der Grund für den sehr hohen Energieverbrauch der Kryptowährung Bitcoin: Für die Lösung des kryptografischen Rätsels – also den Proof-of-Work – sind zur Zeit durchschnittlich 280 Berechnungen nötig. Dafür wird alle zehn Minuten so viel Strom benötigt, wie 400 Vier-Personen-Haushalte im Jahr verbrauchen.

Autor Coroam hat den Energieverbrauch von Kryptowährungen geschätzt. Demnach verbraucht die Bitcoin-Währung pro Jahr mehr als 100 TWh – das Doppelte des jährlichen Schweizer Stromverbrauchs. Oder: Der Bitcoin braucht 25 bis 50 % der Strommenge, die alle Rechenzentren der Welt zur Datenverarbeitung konsumieren, das sind siebeneinhalb Atomkraftwerke mit der Leistung von Isar 2.

Die Studie hat auch untersucht, worauf dieser immense Stromverbrauch zurückzuführen ist: Praktisch der gesamte Energieverbrauch (> 99 %) entfällt auf das Proof-of-Work-Verfahren, also den Konsensmechanismus, der bei Bitcoin eingesetzt wird, um die digitale Währung zwischen allen Nutzern zu legitimieren. Zusätzlich ist zwar auch Strom nötig, um Koordinationsnachrichten über Internet an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kryptowährung zu verschicken. Mit 6.000 kWh ist dieser Verbrauch jedoch verschwindend gering. Vergleichsweise niedrig ist mit 30 bis 3’000 MWh auch der Stromverbrauch für die dezentrale Speicherung der Blockchain, einer Datei mit einem Datenumfang von aktuell rund 455 Gigabyte.

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Aus der ETH-Untersuchung: Die Grundsätze der ersten Kryptowährung Bitcoin samt deren zugrundeliegenden Blockchain- Technologie wurden 2008 veröffentlicht. Blockchains bauen auf mehreren bereits bestehenden Informatikkonzepten auf (z. B. kryptografische Hashes, Hashpointer sowie Konsensmechanismen in verteilten Systemen). Sie kombinieren und ergänzen diese auf innovative Weise, um sichere und unveränderliche Transaktionen ohne eine vertrauenswürdige zentrale Autorität zu ermöglichen. Schon bald nach ihrer Einführung wurde klar, dass die Erweiterung von Blockchains um die Fähigkeit, kleine Codestücke, sogenannte Smart Contracts, automatisch auszuführen, ihre potenziellen Anwendungsbereiche weit über Kryptowährungen hinaus erweitert.
Während Blockchain-Technologien anfangs ein Begriff für Spezialisten waren, haben sie in jüngster Zeit aufgrund des Kursanstiegs mehrerer Kryptowährungen, aber auch aufgrund ihrer Fähigkeit, Eigentum durch eindeutige Token (Englisch: non-fungible tokens, NFTs), einer besonderen Art von Smart Contracts, nachzuweisen und zu übertragen, viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und den Medien erhalten. Gleichzeitig wurde schnell klar, dass der vertrauenslose Konsensmechanismus, der für die Registrierung neuer Transaktionen und die Erzeugung neuer Kryptowährung erforderlich ist, das sogenannte Mining, eine große, ständig wachsende und möglicherweise nicht nachhaltige Menge an Energie benötigt.
In Anbetracht wachsender Besorgnis über diesen Energieverbrauch, aber auch angesichts der sich diversifizierenden Anwendungsbereiche der Blockchain-Technologie, wurde in dieser Studie versucht, die verschiedenen Faktoren zu analysieren, die den Energieverbrauch einer Blockchain beeinflussen, sowie die besten Hebel zu identifizieren, um diesen Energieverbrauch zu senken. Die Ergebnisse bestätigen, dass der vertrauenslose Konsensmechanismus, der auf dem so genannten Proof-of-Work basiert, den Energieverbrauch einer Blockchain mit Abstand dominiert: Während er für über 100 TWh jährlich verantwortlich sein kann, benötigt die Speicherung der Blockchain über 4-6 Größenordnungen weniger Energie (30 MWh – 3 GWh) und die über das Internet verschickten Koordinationsnachrichten über 7 Größenordnungen weniger (6 MWh). Energiesparmaßnahmen müssen daher auf den Proof-of- Work-Konsensmechanismus abzielen: Einzelne Blockchains können zu alternativen Konsensmechanismen wechseln, die sich nicht auf Proof-of-Work stützen, während Unternehmens- und öffentliche Maßnahmen darauf abzielen können, Proof-of-Work-basierte Blockchains zu entmutigen und die Akzeptanz von Blockchains mit alternativen Konsensmechanismen zu fördern.

Wichtigste Ergebnisse

  • Abgesehen von Kryptowährungen und einigen gehypten, aber unrealistischen Anwendungen sind mehrere Blockchain-Anwendungsbereiche bereits etabliert oder potenziell sinnvoll. Dazu gehören der unveränderliche Nachweis und die Übertragung des Eigentums an (digitalen oder physischen) Vermögenswerten, die autonome Verwaltung und das dezentralisierte Finanzwesen, die Absicherung von Einnahmen und die Förderung von Investitionen in Märkte für erneuerbare Energien.
  • Bei einer Blockchain, die einen Proof-of-Work-Konsensmechanismus einsetzt, dominiert die von diesem Mechanismus benötigte Energie den Energieverbrauch der Blockchain mit derzeit mehr als 100 TWh pro Jahr für die populärste Blockchain. In der Zwischenzeit können die anderen Komponenten vernachlässigt werden, da die Speicherung 33 MWh – 3 GWh pro Jahr benötigt und die Koordinationsnachrichten nur 6 MWh; beides viele Größenordnungen weniger.
  • Der Energieverbrauch des Proof-of-Work-Mechanismus ist unabhängig von der Energieeffizienz der Mining-Hardware und wird nur durch den Preis der Kryptowährung bestimmt. Jegliche Effizienzgewinne der Mining-Hardware werden durch mehr Mining und die daraus resultierenden schwierigeren kryptografischen Puzzles aufgefressen. Es gibt also keine theoretische Grenze für den Energieverbrauch beim Mining.
  • Energiesparmaßnahmen müssen sich mit dem Proof-of-Work-Konsensmechanismus befassen: Einzelne Blockchains können zu alternativen Konsensmechanismen wechseln, während die Politik von Unternehmen und der Öffentlichkeit darauf abzielen kann, Proof-of-Work-Blockchains zu verhindern und die Verbreitung von Blockchains mit alternativen Konsensmechanismen zu fördern.

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Die Studie zeigt also nicht nur den immensen Stromverbrauch des Proof-of-Work-Verfahrens. Sie beschreibt auch Wege zu weniger energieintensiven Formen von digitalem Geld. Das ist um so wichtiger, als die Blockchain-Technologie nicht nur die Basis von Kryptowährungen ist, sondern dank Ergänzungen wie „Smart Contracts“ und „Non-fungible tokens“ (NFT) künftig für viele weitere Bereiche eingesetzt werden dürfte. Coroam?: „Die Blockchain-Technologie ist nicht zwingend mit hohem Energieverbrauch verbunden, denn es gibt energieeffizientere Alternativen, um Daten in einer Blockchain manipulationssicher zu speichern“. Während das Proof-of-Work-Verfahren sehr viel Energie braucht, kommt das Proof-of-Stake-Verfahren mit weniger als einem Tausendstel Energie aus. Daher hat Ethereum, die zweitgrößte Kryptowährung hinter Bitcoin, die Umstellung auf Proof-of-Stake als Konsensmechanismus beschlossen hat. Das Proof-of-Stake-Verfahren funktioniert im Prinzip so, dass Besitzer eines bestimmten Anteils (engl. „stake“) per Los zu „Prüfern“ erhoben werden, die – gegen finanzielle Entschädigung – die Verlässlichkeit des Systems gewährleisten.

Während Ethereum auf das energiesparende Proof-of-Stake-Verfahren umstellt, gibt es weitere Kryptowährungen wie EOS, Tezos oder TRON, die dieses Verfahren bereits länger einsetzen. Daneben existieren weitere Kryptowährungen, die andere, ebenfalls energetisch verträglichere Verfahren als Konsensmechanismus anwenden (z.B. „roof-of-Allocation“).

Der hohe Energieverbrauch von Blockchain-Technologien auf Grundlage von Proof-of-Work wird unterdessen international rege diskutiert. So hat beispielsweise das EU-Parlament in einem jüngsten Regulierungsvorstoß überlegt, die Verwendung von auf dem energieintensiven Proof-of-Work-Verfahren basierenden Kryptowährungen einzuschränken. Der Vorschlag wurde schließlich abgelehnt. Weiterhin im Raum steht aber die Idee, das Mining von Kryptowährungen bis 2025 in die EU-Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten aufzunehmen, um so den CO2-Fussabdruck der Kryptowährungen zu verringern.

Der ehemalige Krisenmanager der Stromnetzbetreiberin Swissgrid, Paul Niggli, fordert angesichts der drohenden Strommangellage, die Kryptowährungen wegen ihres Energiehungers zu verbieten. Die davon möglicherweise betroffenen Unternehmen wehren sich heftig. Er rechnet vor: „Eine einzige Bitcoin-Transaktion verbraucht so viel Strom wie ein Haushalt in eineinhalb Monaten.“ Der weltweite Bitcoin-Stromverbrauch entspreche etwa dem doppelten jährlichen Verbrauch der Schweiz. Ähnliche Resultate zeigt eine Studie von Forschenden der Universität Cambridge. Sie haben errechnet, dass der Bitcoin-Stromverbrauch im vergangenen Jahr rund 134 Terawattstunden betrug. Das ist vergleichbar mit dem jährlichen Stromverbrauch von Ländern wie Schweden, Ukraine oder Norwegen.

->Quellen: