Meta-Studie unter Koordination des Fraunhofer ISI
Wasserstoff und H2-Syntheseprodukten wird in der künftigen Klimapolitik eine große Bedeutung beigemessen. Doch wie könnte sich der Wasserstoffbedarf global entwickeln? Dieser Frage widmet sich eine Meta-Studie unter Koordination des Fraunhofer ISI, die im Rahmen des Forschungsprojekts HyPat mehr als 40 Energiesystem- und Wasserstoffszenarien neu ausgewertet hat. Die Studie macht dabei Aussagen zu den Bandbreiten der möglichen künftigen Entwicklung des Wasserstoffbedarfs weltweit, in der EU und China bis 2050 und unterscheidet verschiedene Nachfragesektoren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Szenarien mit ambitionierten Treibhausgas-Reduktionszielen.
Wasserstoff und seine Syntheseprodukte gelten global als wichtige zukünftige Energieträger, die in vielen Bereichen eingesetzt werden könnten. Aktuell wird beispielsweise kontrovers darüber diskutiert, welche Rolle Wasserstoff künftig im Verkehrsbereich und konkret bei der Nutzung von Pkw und Lkw spielen wird. Aber auch andere Bereiche wie der Industrie- und Gebäudesektor könnten potenzielle Einsatzgebiete mit Wasserstoffbedarf sein.
Im Hinblick auf die künftige globale Rolle von Wasserstoff besteht bislang aber eine hohe Unsicherheit, da verschiedene Studien zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Das Fraunhofer ISI ging deshalb zusammen mit dem Fraunhofer IEG und ISE, der Ruhr-Universität Bochum, Energy Systems Analysis Associates – ESA² GmbH, dem German Institute of Development and Sustainability IDOS, IASS Potsdam, der GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit sowie der dena Deutsche Energie-Agentur in einer neuen Meta-Analyse der Frage nach, wie sich der globale Wasserstoffbedarf künftig entwickeln könnte. Dabei wurden mehr als 40 aktuelle Energiesystem- und Wasserstoffszenarien neu ausgewertet und ein besonderer Fokus auf Szenarien mit ambitionierten Reduktionszielen für Treibhausgasemissionen gelegt.
Deutlicher Anstieg der globalen Wasserstoffnachfrage
Die Mehrheit der Studien prognostiziert einen deutlichen Anstieg der globalen Wasserstoffnachfrage – und dieser fällt in Berechnungen besonders stark aus, wenn Regionen oder Länder ehrgeizige Treibhausgasminderungsziele haben. Die globale Wasserstoffnachfrage hängt also auch stark von der jeweiligen regionalen Klimapolitik ab und wie ambitioniert diese ist. Die Bandbreite des gesamten Wasserstoffbedarfs im Jahr 2050 liegt global zwischen 4 und 11 Prozent des weltweiten Endenergiebedarfs. Es gibt jedoch starke regionale Unterschiede: Für die EU könnte der Anteil bei bis zu 14 Prozent liegen, für China hingegen weist die Mehrheit der Szenarien nur einen Wasserstoffanteil von maximal 4 Prozent an der Endenergie aus. Die Projektionen des Wasserstoffbedarfs in den ausgewerteten Studien variieren zum Teil erheblich, weshalb bedeutsame Unterschiede bei der Einordnung der Rolle von Wasserstoff in zukünftigen Energiesystemen bestehen.
Unterschiedliche Relevanz von Wasserstoff in verschiedenen Anwendungsbereichen
Was konkrete Einsatzgebiete anbelangt, ist der Studie zufolge im Verkehrsbereich die größte Nachfrage für den Wasserstoff zu erwarten, in absoluten Zahlen wie auch relativ zum Gesamtenergiebedarf: So berechnet die Meta-Studie für den EU-Verkehrssektor im Jahr 2050 einen mittleren Wasserstoffanteil von 28 Prozent – bezogen auf den Gesamtenergiebedarf des EU-Verkehrssektors – gegenüber 14 Prozent in China bzw. 16 Prozent weltweit. Der Verkehr ist aber auch der Sektor mit der größten Bandbreite und damit der größten Unsicherheit hinsichtlich des künftigen Wasserstoffeinsatzes. In Bereichen wie im internationalen Schiffs- und Flugverkehr sind H2-Syntheseprodukte gesetzt, in anderen großen Anwendungsfeldern wie bei Pkw und Lkw ist ein möglicher zukünftiger Wasserstoffeinsatz weniger klar.
In anderen Bereichen wie dem Industriesektor dürfte Wasserstoff in Summe in kleineren Mengen nachgefragt werden als im Verkehrssektor, die Nachfrageprognosen fallen hier niedriger aus. Wasserstoff gilt dort aber als „no regret“-Option, da für etliche industrielle Anwendungen keine Dekarbonisierungs-Alternativen existieren, wie zum Beispiel in der Eisen- und Stahlindustrie oder in der Grundstoffchemie. Im Bereich der industriellen Wärmeerzeugung gilt der Wasserstoffeinsatz als sehr unsicher, aufgrund potenzieller Alternativen auch für die Niedertemperaturwärme. Die Meta-Studie deutet hier zudem auf größere regionale Unterschiede hin: Während der Wasserstoffanteil bezogen auf den weltweiten Gesamtenergiebedarf in der Industrie im Jahr 2050 zwischen 2-9 Prozent rangiert, prognostiziert die Mehrheit der ausgewerteten Studien für Europa eine Bandbreite zwischen 3-16 Prozent, mit Maximalanteilen von bis zu 38 Prozent. Für China liegt der prognostizierte Wasserstoffanteil bei 1-4 Prozent, mit Maximalwerten von 7 Prozent.
Im Vergleich zu allen anderen Bereichen spielt Wasserstoff im Gebäudesektor in allen betrachteten Regionen die geringste Rolle: Der Mediananteil wird hier in den meisten Studien auf weniger als 2 Prozent der Gebäudeenergie in 2050 geschätzt – mit sehr kleinen Bandbreiten, was eine relativ robuste Aussage bezüglich einer geringen zukünftigen Bedeutung von Wasserstoff zulässt. Auch in absoluten Werten bleibt die Nachfrage im Gebäudebereich in allen Regionen deutlich hinter den anderen Sektoren zurück.
Wasserstoff spielt in künftiger globaler Klimapolitik wichtige Rolle
Prof. Martin Wietschel, der die Forschungsarbeiten des HyPat-Konsortiums leitet, schätzt die künftige globale Bedeutung von Wasserstoff wie folgt ein: „Unsere Auswertungen unterstreichen, dass Wasserstoff in der künftigen globalen Klimapolitik eine wichtige Rolle spielt – er wird aber nicht der dominierende Endenergieträger der Zukunft sein. Um die Treibhausgasemissionen global zu senken, werden Maßnahmen zum Energieeinsparen und die direkte Elektrifizierung auf Basis von erneuerbarem Strom zum Beispiel durch Wärmepumpen, Elektrofahrzeuge oder in Wärmenetzen als wichtigste Hebel gesehen. Wasserstoff spielt hingegen in bestimmten Anwendungsbereichen eine relevante Rolle, in denen andere Technologien technisch oder wirtschaftlich nicht umsetzbar sind.“
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