Neue Untersuchung
Die Verteuerung von CO2-Emissionen kann wesentlich zu ihrer Senkung beitragen. Eine laut einer Medienmitteilung vom 06.09.2022 im Economic Journal open access veröffentlichte Studie von Prof. Fabian Herweg, Universität Bayreuth, und Prof. Klaus M. Schmidt, Ludwigs-Maximilians-Universität München, vergleicht zwei staatliche Instrumente der Verteuerung unter dem Aspekt ihrer Wirksamkeit: Eine Ökosteuer stärkt die Bereitschaft der Verbraucher zur freiwilligen Senkung von CO2-Emissionen. Hingegen hat der Handel mit CO2-Zertifikaten, der auf einer Obergrenze zulässiger Emissionen basiert (Cap-and-Trade), eine entmutigende Wirkung. Er führt zu höheren Emissionen und verlagert den Klimaschutz auf Verbraucher mit geringeren Einkommen.
CO2-Ausstoß, Rauch und Wasserdampf in Berlin – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify
Die Untersuchung widerlegt damit die weitverbreitete Annahme, dass der Zertifikatehandel ein effektives marktwirtschaftliches Instrument zum Klimaschutz sei. Entscheidend für die Argumentation der beiden Autoren ist eine in der ökonomischen Forschung bislang vernachlässigte Voraussetzung: Die Regierungen in den westlichen Industrieländern können den Preis für die direkte oder indirekte Verursachung von CO2-Emissionen nicht so hoch treiben, wie dies zur Einhaltung der im Pariser Klimaschutz-Abkommen definierten Ziele erforderlich wäre. Denn ein solches Vorhaben würde in Politik und Gesellschaft auf erhebliche Widerstände stoßen – unabhängig davon, welche staatlichen Maßnahmen zwecks einer derartigen Verteuerung eingesetzt würden.
„In vielen Ländern reicht die staatliche Bepreisung von Treibhausgas-Emissionen, die zu deren Verteuerung führt, unter den gegebenen politischen Verhältnissen nicht aus, um notwendige Klimaschutz-Ziele zu erreichen. Freiwillige Initiativen von Verbrauchern, Unternehmen und Kommunen müssen hinzukommen. Der Weltklimarat IPCC schätzt, dass auf diese Weise bis zum Jahr 2050 zwischen 40 und 70 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen vermieden werden können. Vor diesem Hintergrund haben wir in unserer Untersuchung die beiden wichtigsten staatlichen Instrumente der Bepreisung von CO2-Emissionen – den Handel mit Emissions-Zertifikaten und eine Ökosteuer – miteinander verglichen. Zentral war für uns die Frage, wie sich diese Instrumente auf freiwillige Beiträge zum Klimaschutz und somit auf die Gesamtbilanz der CO2-Emissionen auswirken“, sagt Prof. Fabian Herweg, Inhaber des Lehrstuhls für internationale Wettbewerbspolitik an der Universität Bayreuth.
Zertifikatehandel schwächt die moralische Motivation der Verbraucher*innen
Dieser Untersuchung liegt die Annahme zugrunde, dass es eine große Zahl von individuellen Verbrauchern sowie von Unternehmen und Kommunen gibt, die aus moralischen Gründen bereit sind, ihren klimatischen Fußabdruck zu senken – allerdings nur, wenn sie zu Recht davon ausgehen können, dass ihr Verhalten die Gesamtmenge der CO2-Emissionen beeinflusst. Damit ist die weitere Annahme verbunden, dass der Staat die Treibhausgas-Emissionen grundsätzlich reguliert. Unter diesen Annahmen kommen die Autoren zu dem Ergebnis: Eine Bepreisung von Treibhausgas-Emissionen in Form einer Ökosteuer ergänzt die freiwilligen, moralisch motivierten Anstrengungen zur Emissionsreduzierung. Sie ist ein starker Anreiz für die Verbrauchern, den eigenen Verbrauch einzuschränken. Eine Deckelung der Emissionen in Verbindung mit einem Zertifikatehandel (cap-and-trade) schwächt hingegen die moralische Motivation von Verbrauchern.
Die Autoren begründen die nachteiligen Auswirkungen des Zertifikatehandels mit dem sogenannten „Wasserbetteffekt“: Wenn moralisch motivierte Akteure ihre Emissionen freiwillig reduzieren, indem sie etwa in private Solarstromanlagen investieren oder kurze Strecken mit der Bahn statt mit dem Flugzeug zurücklegen, können sie dadurch die staatlicherseits festgelegte Gesamtmenge der Emissionen nicht verringern. Freiwillige Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen bewirken lediglich, dass der Preis für Emissionsrechte sinkt – was andere Marktteilnehmer wiederum zum Kauf dieser Rechte motiviert und ihnen zusätzliche CO2-Emissionen ermöglicht. Die grundsätzlich zum Verzicht bereiten Verbraucher sind sich dieses Zusammenhangs bewusst und werden trotz moralischer Bedenken ihren Verbrauch nicht einschränken. Umgekehrt verhält es sich, wenn die Emissionen besteuert werden. In diesem Fall wissen die Verbraucher, dass sie die Gesamtmenge der Emissionen individuell beeinflussen können, und ihre moralische Motivation kommt dem Klimaschutz zugute.
Ökosteuer bewirkt gerechtere Lastenverteilung
Die Kosten für CO2-Emissionen über eine Besteuerung statt über einen Zertifikatehandel zu regulieren, ist nicht nur in ökologischer Hinsicht effektiver, sondern verdient auch im Hinblick auf eine gerechte Lastenverteilung den Vorzug. Das zeigen Berechnungen, die zwischen einer reichen und einer armen Gruppe von Verbrauchern unterscheidet. Werden die CO2-Emissionen durch einen Zertifikatehandel reguliert, dann schränken nur finanzschwache Haushalte ihren klimaschädlichen Konsum ein. Finanzstarke Haushalte verringern ihren Konsum nicht, sondern kaufen Zertifikate, um ihren hohen Konsum zu ‚kompensieren‘ und so den individuellen klimatischen Fußabdruck zu reduzieren. Die Regierung sieht diese erhöhte Nachfrage nach Zertifikaten voraus und gibt, um deren Preis niedrig zu halten, mehr Zertifikate aus. Dagegen setzt eine Ökosteuer für beide Verbrauchergruppen ähnlich starke Anreize, zur Senkung von Emissionen beizutragen. Diese Zusammenhänge sollten seitens der Politik künftig stärker beachtet werden“, sagt Herweg.
Einflüsse von Verbrauchern auf Wirtschaft und Politik
Die Studie berücksichtigt auch die Tatsache, dass Verbraucher die Entscheidungen von Unternehmen und Regierungen zunehmend beeinflussen. So wollen heute zahlreiche Unternehmen klimaneutral werden – zum Beispiel, weil sie ihre Attraktivität für klimabewusste Verbraucher und Mitarbeiter steigern wollen oder weil sie im Besitz klimabewusster Investoren sind. Politisch Verantwortliche reagieren auf Forderungen aus ihrer Wählerschaft und fördern Investitionen in „grüne“ Technologien zur Energiegewinnung. Die Autoren zeigen, dass diese Anstrengungen nur im Falle einer Bepreisung von Emissionen durch eine Ökosteuer, nicht aber bei einer Regulierung der Emissionen durch Zertifikatehandel den Klimaschutz signifikant voranbringen.
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