Zu­kunft der Ar­ten­viel­falt im Meer un­ter glo­ba­ler Er­wär­mung

Veränderungen in 24.000 Jahren untersucht

Der vom Men­schen ver­ur­sach­te Kli­ma­wan­del hat die Ar­ten­viel­falt der Erde be­reits stark be­ein­flusst. Der Le­bens­raum vie­ler Ar­ten – auch in den Ozea­nen – ver­schwin­det, in­va­si­ve Ar­ten er­obern neue Re­gio­nen. Eine Untersuchung vom 11.10.2022 zeigt nun, wie Plank­ton­ge­mein­schaf­ten ge­wan­dert sind und sich seit der letz­ten Eis­zeit ge­wan­delt ha­ben. In ei­ner um­fas­sen­den Da­ten­aus­wer­tung hat ein Team von For­schen­den aus Bre­men und Ol­den­burg un­ter­sucht, wie sich die Ar­ten­ge­mein­schaf­ten im Nord­at­lan­tik über ei­nen Zeit­raum von 24.000 Jah­ren – seit der letz­ten Eis­zeit – ver­än­dert ha­ben. Er­war­tungs­ge­mäß sind Ar­ten nach Nor­den mi­griert, aber es ha­ben sich auch neue Ge­mein­schaf­ten ge­bil­det – und zwar auch, nach­dem sich die Tem­pe­ra­tu­ren sta­bi­li­siert ha­ben. Die Er­geb­nis­se sind open access in Nature Ecology & Evolution er­schie­nen.

Korallen – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Ko­ral­len­rif­fe lei­den un­ter ozea­ni­schen Hit­ze­wel­len, at­lan­ti­sche Ar­ten tre­ten ver­mehrt in der Ark­tis auf. Wie wird sich die Ar­ten­viel­falt bei an­hal­ten­der Er­wär­mung der Ozea­ne wei­ter­ent­wi­ckeln? Die­se Fra­ge ist schwer zu be­ant­wor­ten, denn das Le­ben hat eine Ge­heim­waf­fe im Schrank: die Evo­lu­ti­on. Mit ih­rer Hil­fe kön­nen sich Ar­ten auf neue Be­din­gun­gen an­pas­sen. Evo­lu­ti­on wirkt über Jahr­hun­der­te und Jahr­tau­sen­de und lässt sich da­her in La­bor­ex­pe­ri­men­ten schwer er­fas­sen. Mit­hil­fe von Fos­si­li­en kön­nen For­schen­de ei­nen Blick in die Ver­gan­gen­heit wer­fen und so her­aus­fin­den, wie sich die Ar­ten­viel­falt wäh­rend ver­gleich­ba­rer Kli­ma­ver­än­de­rung in der Ver­gan­gen­heit ver­än­dert hat. For­schen­de des MARUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men so­wie des In­sti­tuts für Che­mie und Bio­lo­gie des Mee­res der Uni­ver­si­tät Ol­den­burg (ICBM) ha­ben da­für das Vor­kom­men von fos­si­len Plank­ton­ar­ten im At­lan­ti­schen Oze­an nach der letz­ten Eis­zeit un­ter­sucht. Sie fan­den her­aus, dass mit an­hal­ten­der Er­wär­mung der Ozea­ne vie­le Ar­ten zu­erst wie er­war­tet ver­mehrt in hö­he­re Brei­ten ge­wan­dert sind. Über­ra­schen­der­wei­se stell­ten sie aber fest, dass sich da­bei auch neue Ar­ten­ge­mein­schaf­ten ge­bil­det ha­ben, und dass die Ver­än­de­rung der Ge­mein­schaf­ten nicht voll­stän­dig mit der Er­wär­mung der Ozea­ne ein­her­ging.

Für ihre Stu­die ha­ben Anne Strack, Lu­kas Jon­kers und Prof. Mi­chal Ku­ce­ra vom MARUM an der Uni­ver­si­tät Bre­men so­wie Ma­ri­na C. Ril­lo und Prof. Hel­mut Hil­le­brand vom ICBM der Uni­ver­si­tät Ol­den­burg ei­nen gro­ßen Da­ten­satz über die Ar­ten­zu­sam­men­set­zung von fos­si­len plank­to­ni­schen Fo­ra­mi­ni­fe­ren in 25 Se­di­ment­ker­nen des Nord­at­lan­tiks von der letz­ten Eis­zeit vor 24.000 Jah­ren bis in die heu­ti­ge Warm­zeit un­ter­sucht. So konn­ten die For­schen­den ge­nau nach­ver­fol­gen, wie sich die Ar­ten­zu­sam­men­set­zung mit Be­ginn der letz­ten star­ken Erd­er­wär­mung in der Erd­ge­schich­te, nach der letz­ten Eis­zeit, im ge­sam­ten Nord­at­lan­tik ver­än­dert hat. Da­bei ent­deck­te das Team un­er­war­te­te Mus­ter. „Wir wa­ren ver­blüfft, als wir merk­ten, dass sich die Ar­ten­zu­sam­men­set­zung des Plank­tons noch lan­ge wei­ter än­der­te, nach­dem sich die Tem­pe­ra­tur in der heu­ti­gen Warm­zeit wie­der sta­bi­li­siert hat­te“, er­klärt Er­st­au­torin Anne Strack.

„Es ist schon lan­ge be­kannt, dass sich Ar­ten­ge­mein­schaf­ten än­dern, wenn sich de­ren Um­ge­bung än­dert. Steigt etwa die Mee­res­tem­pe­ra­tur im Oze­an, wan­dern Ar­ten in hö­he­re Brei­ten ab. Die­ses Ab­wan­dern kön­nen wir auch in un­se­ren Da­ten des Nord­at­lan­tiks be­ob­ach­ten. Das Er­staun­li­che ist aber, dass die „ein­hei­mi­schen“ Ar­ten nicht gleich schnell ab­ge­wan­dert sind“, er­klärt Anne Strack. Die­se Asym­me­trie zwi­schen Ein- und Aus­wan­de­rung führ­te vor al­lem in den mitt­le­ren Brei­ten zur Bil­dung neu­ar­ti­ger Ar­ten­ge­mein­schaf­ten, die es so in der Eis­zeit nir­gends auf der Erde gab. „Noch er­staun­li­cher: Die­se neu zu­sam­men­ge­wür­fel­ten Ge­mein­schaf­ten wa­ren kein flüch­ti­ges Phä­no­men, son­dern sie blei­ben über meh­re­re tau­send Jah­re be­ste­hen“, er­gänzt Prof. Mi­chal Ku­ce­ra.

So­mit lie­fern die Er­geb­nis­se der Stu­die wich­ti­ge Hin­wei­se für das Schick­sal ma­ri­ner Öko­sys­te­me un­ter an­dau­ern­der Er­wär­mung der Ozea­ne. Sie un­ter­stüt­zen Com­pu­ter-Si­mu­la­tio­nen, die dar­auf hin­deu­ten, dass auch die pro­gnos­ti­zier­te künf­ti­ge Er­wär­mung zur Bil­dung neu­er Ar­ten­ge­mein­schaf­ten füh­ren wird. Eta­bliert sich eine neu­ar­ti­ge Plank­ton­ge­mein­schaft, wirkt sich das auf wich­ti­ge Öko­sys­tem­funk­tio­nen durch neue di­rek­te oder in­di­rek­te öko­lo­gi­sche In­ter­ak­tio­nen aus. „Die­se Stu­die trägt auch dazu bei, wie wir den heu­ti­gen ra­pi­den Bio­di­ver­si­täts­wan­del ver­ste­hen, denn sie zeigt uns, dass wir erst weit in der Zu­kunft die Re­ak­ti­on des Le­bens im Meer auf heu­ti­ge Um­welt­ver­än­de­run­gen se­hen wer­den“, sagt Prof. Hel­mut Hil­le­brand.

Die Stu­die ist das Er­geb­nis ei­ner Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen Mee­res­geo­log:in­nen und Pa­lä­on­to­log:in­nen aus der Uni­ver­si­tät Bre­men und Öko­log:in­nen aus der Uni­ver­si­tät Ol­den­burg im Rah­men des Ex­zel­lenz­clus­ters „Der Oze­an­bo­den – un­er­forsch­te Schnitt­stel­le der Erde“.

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